Montag, 3. September 2001
Happy Birthday Sonja!
Dienstag, 4. September 2001
Der erste Tag im wieder einsatzbereiten, neuen Bureau. Meine Chefin
fragte mich, wie es mir darin denn gefalle und wunderte sich, daß
ich nicht vor Freude sprang. (Mein Gott, ein Büro halt!) Hätte
ich vielleicht sollen, neben ihr stand nämlich diejenige, die
vorher in dem Büro saß
Na klar: Erste Septemberwoche und im PLUS stapeln sich Stollen
und Lebkuchen!
Samstag, 8. September 2001
Dank Günther Jauch kenne ich nun auch meinen I.Q. Das war
ja mal ermutigend. Drei Punkte fehlen mir für den Antrag auf
Mensa-Mitgliedschaft. Und noch ein paar Pünktchen mehr und
ich kann PREMIERE im Kopf decodieren.
Sonntag, 9. September 2001
Was ist denn mit Christine Sabiansen los? Total bekifft? Erst sagt
sie, heute werde einmal nicht über des brünstigen Verteidigungsministers
Amouren und Reisegepflogenheiten parliert, um anschließend
eine halbe Stunde genau das zu tun. Und dann stellt sie ihren verdatterten
Gästen minutenlang eine Frage, die mit einem schlichten Ja/Nein/Weißnicht
beantwortet werden kann. Are we a little jobüberdrüssig?
Dienstag, 11. September 2001
Mittwoch, 12. September 2001
Diese Welt ist auf direkten Welt in die Hölle.
An
der Garage vor meinem Büro prangt ein »Tod dem Islam«-Graffito.
Liebe Leute, das wird auch nichts helfen!
Am besten sollte man alle Religionen abschaffen, sind eh Opium fürs
Volk, da bin ich mit Marx mal einer Meinung.
Donnerstag, 13. September 2001
Die Spaßgesellschaft hält die Schnauze. Und seit zwei
Tagen keine Reklame mehr im Fernsehen. So langsam komme ich wieder
zu Worten. Komisch eigentlich. Sonst schwalle ich doch ohn' Unterlaß.
Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich diese unfaßbaren Ereignisse
realisiert habe. Selbst nachdem ich ganze Abende lang Sondersendungen
gesehen habe, konnte ich es nicht glauben, als die Bilder wieder
gezeigt wurden. Und sie wurden oft gezeigt!
Die ganze Geschichte fing so »harmlos« an: Der Mann
im Radio sprach von einem großen Unglück mit zwei Flugzeugen
in den USA. Schlimm, dachte ich, aber das ist ja nicht das erste
Mal. Dann erzählte er, daß die Türme des World Trade
Centers eingestürzt seien. Aha, ich wußte gar nicht,
daß da Türme drauf sind
Bis mir klar wurde: Das
Center sind die Türme!
Die Bilder auf n-tv konnte ich zuerst nicht glauben. Mir Kind Hollywoods
erschien es wie ein Kinofilm. Spitzeneffekte, aber miese Handlung.
Terroristen jagen zwei Jets ins World Trade Center. (Terroristen,
Flugzeuge, Hochhäuser wo war bloß Bruce Willis?!)
Komplett unglaubwürdiges Drehbuch.
Roland Emmerich hat in Independence Day gerade mal das Empire State
Building von Außerirdischen plätten lassen, ein Häuschen
im Vergleich zum WTC. (O.K., diese sogenannte außerirdische
Intelligenz hat sich am Ende ja auch von einem eingespeisten Microsoft-Virus
aufs Kreuz legen lassen
)
Hollywood verschiebt jetzt Drehpläne. Irgendein Marketinggenie
hat denen wohl geflüstert, daß Actionreißer mit
explodierender Architektur jetz grad net so gut laufen. Das muß
ja nicht nur schlecht sein. Obwohl ich gegen einen guten Actionfilm
»es mag zynisch klingen« auch jetzt nichts
einzuwenden habe. Wohlgemerkt einen guten, Arnold!
(Bruce Willis hat ja beizeiten umgesattelt, und tappt nur noch als
Antiheld durch mysteriöse Plots.)
Samstag, 15. September 2001
Schätzchens Oma feierte Geburtstag. Zuerst haben wir ja überlegt,
ob wir da absagen aus gegebenem Anlaß. Doch was kann
die Oma dafür? Und so waren wir heute bei einer schlichten
Feierlichkeit auf Herrenchiemsee.
Auch der Abend in der Pension Zimmer in Freising war gemütlich
und erlesen. Zur Zeit in aller Munde: Kürbissuppe. Muß
ich mal nachkochen.
(Dank der Zwangseinführung von Halloween müssen wir nach
dem Erdbeerkuchen jetzt nicht sofort Stollen fressen.)
Montag, 17. September 2001
Weiter mit den ernsten Dingen.
Ich frage mich: Wußten die Terroristen, daß sie beide
Tower zu Klump bomben würden? Ich mit meinem minimalen technischen
Sachverstand hätte erwartet, daß so ein Flieger im Wolkenkratzer
zwar immense Todeszahlen und sonstige Schäden verursacht, aber
doch nicht, daß das ehemals höchste Gebäude der
Welt binnen zweier Stunden einfach nicht mehr da ist.
Wie ich jetzt aus berufener Quelle erfuhr, wäre der Einschlag
allein für das Haus ein Klacks gewesen, die kinetische Energie
war nicht stärker als die Kraft, die bei Sturm auf der Fassade
lastet. Auch die Explosion steckte der Bau gut weg. Zum Verhängnis
wurde dem WTC die große Hitze, denn das Stahlkorsett wurde
bei 800 Grad weich wie Gummi und als die ersten Etagen einknickten,
gab es für die unteren kein Entrinnen: Domino.
Was war das ein effizientes Unternehmen: Mit circa zwanzig Leuten
die halbe Welt aus den Angeln heben. Und es zeigt, daß diese
sogenannte Sicherheit trügt. Ein Wunder eigentlich, daß
nicht noch früher und noch mehr passiert ist.
Was mich ja ankotzte von Anfang an: Alle Welt machte sich sofort
Sorgen um die Börse! Hausse, Baisse, Merde!
Klar, das wird Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens haben,
aber wie wäre es denn mal damit, nicht schon ans große
Geld zu denken, wenn die Opfer noch leben. Man muß sich daß
mal vorstellen: Es ist bestimmt möglich, daß einige in
irgendwelchen Hohlräumen ein paar Tage überlebt hatten,
und die Bergungsmannschaften kamen nicht an sie dran, der Schuttberg
ist ja noch sechs Stockwerke hoch.
Auf die Wirtschaft kommen selbstverständlich harte Zeiten zu:
Zuerst entlassen die Airlines Zehntausende, weil ja keiner mehr
fliegen will. Dann wird es die Flugzeugbauer treffen, dann die Zulieferer
und so fort. Die Tourismusbranche wird wohl auch weinen.
Nun ja, die Rüstungsindustrie wird ihr Auskommen haben. Der
gerade noch gedingste Scharping wird eine Menge Geriebenes in seine
Kriegskasse kriegen. Und auch die Geheimdienste können sich
über Machtzuwachs freuen. An dieser Stelle einen herzlichen
Dank an alle Raucher, die mit ihren Steuergroschen selbstlos unsere
freie Welt verteidigen. Die Datenschützer hingegen werden wohl
demnächst alle entlassen.
Nun wird sich herausstellen, ob Demokratie was taugt oder ob sie
sich von Terroristen die Spielregeln diktieren läßt.
Ich hoffe, daß die USA besonnen reagieren. Allerdings
glaube ich es nicht. Man hat denen gewissermaßen
die Zähne eingeschlagen, die müssen nun einfach zeigen,
wer sie sind.
Ich bin ja schon froh und verwundert, daß sie bis heute noch
zu keinem Gegenschlag ausgeholt haben. Ich frage mich auch gegen
wen? Alles redet zwar von diesem Ossama Bin Laden, doch von Beweisen
keine Spur. Und wenn da die vielgepriesenen Geheimdienste schon
was wissen, warum wußten sie dann nichts vor den Anschlägen?
Unser Schröder hat ja beängstigend schnell seine, bzw.
unsere »uneingeschränkte Solidarität« mit
den USA bekundet, also auch was kriegerische Unterstützung
angeht. Da würde ich mir wünschen, er sagte, das deutsche
Volk mit Ausnahme von dem und dem und dem unterstützt
euch bei euren Gegenschlägen
Auch wenn das zu sagen
in diesen Tagen nicht en vogue ist: Ich bin kein Amerikaner und
will auch keiner sein.
Dieser Schily ist ja auch ein Herzchen. Wie kommt ein vormals linker
Innenminister dazu, von circa 100 »Schläfern« zu
sprechen, die mitten unter uns leben sollen? Super beruhigendes
Gefühl. Zuckt der politisch Korrekteste ohnehin schon bei jedem
Tschador zusammen, muß man sich beim nächsten Döner
von Terroristen umringt wähnen. Vermieter aufgepaßt:
Alle Gaststudenten, die pünktlich ihre Miete zahlen, sind potentiell
gefährlich.
Nachrichten: »Mehr als 5000 Unschuldige haben bei der
Katastrophe ihr Leben verloren.«
Aber noch was für die Zahlenfetischisten: Mehr als 7.000 Menschen
kommen jedes Jahr im Straßenverkehr um. In Deutschland! Da
ist kein Aufschrei zu vernehmen. Und daß im Gegenzug jetzt
Piech, Schrempp und Co. bombardiert werden sollen, hab ich auch
noch nicht gehört.
Entschuldigung, das ist zynisch. (Spitzenfloskel in diesen Tagen!
Aber alles, was man abseits der gängigen Floskeln sagt, ist
zur Zeit zynisch.)
Interessante Seite zum Thema Verkehrstote übrigens hier
.
Wirklich schlecht kann es der Welt allerdings nicht gehen: In der
letzten, bewegten Woche hatte ich 550 Klicks aufs Cookbook.
Samstag, 22. September 2001
Kurztrip nach Gerolstein. Neben der Pizzeria MAMMA
MARIA (»Pizza Taco«) gibt es seit ein paar Wochen wohl
eine neue Lokalität. Das, was früher mal das FOX war und
zwischenzeitlich Wasweißichwie hieß, wenn es nicht gerade
leerstand, heißt nun MANHATTAN. Schlechtes Timing. Besonders
wenn man mal auf das H achtet

Und schlecht getimt hat auch der STERN mit seiner Anzeige in BIZZ:

Dienstag, 25. September 2001
Die Spaßgesellschaft hielt die Schnauze. Nun ist die
Stunde der Kabarettisten. Raab langweilt wie immer. Schmidt hat
so gerade noch die Kurve gekriegt. Und Hildebrandt & Jonas brillieren
im Scheibenwischer. Humor darf in diesen Zeiten schon sein. Aber
er muß gut sein!
Mittwoch, 26. September 2001
So wie ich die Amerikaner einschätze, werden die das Center
wiederaufbauen schöner und größer und prachtvoller.
Im Netz kursieren ja auch schon die dollsten Pläne:
Im Netz kursiert ja auch sonst eine Menge Schrott. Q33NY zum Beispiel
soll die Flugnummer eines Jets gewesen sein, sieht in Wingdings
geschrieben so aus
und soll auf irgendwelche Verschwörungen hinweisen.
Mal ganz abgesehen davon, daß es schlicht keine Flugnummer
war, kann ich keine überzeugenden Begründungen
finden, warum die Firma Microsoft vor Jahren schon einen Anschlag
aufs WTC hätte planen sollten. Haben die Terroristen etwa auf
einen Flug mit gerade dieser Nummer gewartet? War das das geheime
Zeichen zum Losschlagen? Und warum hat man es dann auf Millionen
von Computern installiert, wenn es doch geheim sein sollte? Und
was hat das Judentum damit zu tun?!
(Würde die Menschheit ihre überschüssige Kreativität
doch in sinnvolle Aufgaben stecken!)
Aus gegebenem Anlaß der Hinweis: Man darf das Internet nicht
konsumieren wie ein Zeitungsleser, sondern muß wie ein Journalist
prüfen, ob das alles auch plausibel sein kann.
Donnerstag, 27. September 2001
Im Bus hockten hinter mir fünf Sozialhilfeempfänger.
Nein, ich diffamiere nicht aufgrund ihres Phänotyps: Sie brüsteten
sich lautstark selbst damit. Bis auf einen, der bestand darauf,
Arbeitslosenhilfe zu beziehen. (Unter den Eunuchen ist der
Eineiige König.) Jedenfalls schwadronierten sie so laut, daß
ich meine audiovisuelle Pennälerabschottung (SPIEGEL und Walkman)
vernachlässigte. Vielleicht springt ja was fürs diario
bei raus. Ohne mir das jedoch anmerken zu lassen.
»SPIEJEL hab isch früher ooch oft jelesen. De is besser
als de BILD-Zeitung.« Ach?! Dann nahm man Bezug auf aktuelle
Titelblatt: »Wenn mir net aufpassen, kriejen mir de Dschihad.
Datt is nämlich de Heilije Kriech.« Diese Definition
wurde fortan in jedem zweiten Satz wiederholt. »Vastehste?
De Heilije Kriech. Den krieje mer jetz ooch hier, de Heilije Kriech.«
Man begann zu beratschlagen, was dagegen zu tun sein könnte.
Beziehungsweise vor circa 60 Jahren dagegen getan worden wäre.
Bevor man jedoch allzu drastisch wurde und ich womöglich
hätte einschreiten müssen besann man sich: »Datt
war ja alles net so jut damals. Un außerdem ging et do ja
ooch gegen Amerika und China.« Aha, SPIEGEL-Leser wissen
mehr
Der SPIEGEL hat diesmal übrigens seine Schreibweise nicht
durchgesetzt: Seit 11. September heißt Ibn Ladin wie bei den
anderen auch Bin Laden.
Donnerstag, 20. September 2001
Alles Gute zum Begurtstag, Anja!
Montag,
24. September 2001
Die Garage vorm Büro hat eine neue Inschrift:
Mittwoch, 26. September 2001
In meiner sozialen Umgebung wird nun endgültig alles seßhaft.
Nach der Verwandlung vom Ich zum Wir bezieht man ein gemeinsames
Nest oder schon das zweite und trennt sich vom alten
Mobiliar aus grauer Studienzeit. IKEA wird von marodierenden Anfangdreißigern
leergekauft. Manch einer stellt sich gar Ligne Roset in die Kemenate.
Nur so ein Tip: Ärgert euch nicht zu sehr, wenn eure
ja auch bald geplanten Küken die schicken Designerteile
vollschmieren
Falls bei uns mal was im Anmarsch sein sollte, liege ich mit meinem
mobiliären Sammelsurium quer durch die Jahrzehnte ja goldrichtig:
Tischlein aus den 50ern, Schreibtisch aus den 60ern, Lampe aus den
70ern, Regale aus den 80ern, Compi aus den 90ern.
Bis demnächst auf diesem Bildschirm,
troll
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