Sonntag, 1. Januar 2006
I’m still here …
Und habe von meinen »Guten« Vorsätzen nun schon
am ersten Tag einige gebrochen. Na prima, das wird ein tolles Jahr!
Einer davon – jetzt ganz stark sein:
Eigentlich wollte ich dieses nette Projekt »diario trollo«
mit der letzten Ausgabe nach sieben Jahren zu Grabe tragen. Taschentücher
wieder wegpacken, wie an diesen Zeilen ersichtlich wird, kann ich
ja doch nicht davon lassen. Selbst wenn ich wollte, ich könnte
gar nicht aufhören, ich bräche wahrscheinlich einer Menge
lieber unbekannter Stammleserinnen das Herz, literarisch betrachtet.
Es ging mir am Ende vorletzten Jahres schon ganz ähnlich. Vermutlich
quäle ich jetzt alle wieder ein Jahr lang, indem ich rumnerve,
dieses sei jetzt die letzte Ausgabe gewesen. Echt. Ganz bestimmt.
Wirklich, wirklich wahr.
Wie mir eine bekannte Stammleserin versicherte, umfasste der letzte
Monat etliche Seiten: Sie hatte nämlich keine Lust, am Monitor
zu lesen und hat den Text ohne Bilder ausgedruckt: Elf Seiten …
Daher regte sie an, ich solle das ganze doch bitteschön mal
als Buch herausbringen. Nun, mal sehen, wie weit mein Dienstleistungsgedanke
trägt.
Vielleicht ist die Schreiberei ja wirklich eine Begabung (die ich
ausnahmsweise mal nicht versanden lassen sollte …): Andere
Leute gehen ein Bier trinken und Punkt. Ich kann darüber seitenlange
Besinnungsaufsätze verfassen.
Montag, 2. Januar 2006
Happy Birthday, Sandra!
Mittwoch, 4. Januar 2006
Happy Birthday, Steffi!
Donnerstag, 5. Januar 2006
Im Wohnzimmer gibt es eine gediegene Auswahl an Belgischen Bieren,
die allesamt mal durchgetestet sein wollen. Bei der Herkulesaufgabe,
die Feinheiten der belgischen Braukunst zu ergründen, erfahre
ich rege Unterstützung. Leider habe ich die Favoriten nach
dem heutigen Testpanel vergessen. Muss mal den Protokollführer
anfunken.

Samstag, 7. Januar 2006
Happy Birthday, Tinas Simon!
Hm, wenn das so weitergeht, fülle ich diesen Monat ausschließlich
mit Glückwünschen.
Mein Notebook hat eine Macke: Es läuft zwar erstklassisch,
es bekommt aber keinen Strom mehr durchs Kabel. Das heißt,
sobald der Akku leer ist, ist's Essig mit dem lustigen Tippen. Mit
diesem Problem sollen sich die Techniker von Datec rumschlagen,
die haben eine Menge Schotter dafür bekommen. Oder gleich der
Herr Asus persönlich. Als ich die Schleuder gestern abgegeben
habe, hatte ich mich zuvor schon für ein feines Weilchen innerlich
von ihr verabschiedet. So konnte mich der Satz des Verkäufers
»Das müssen wir wohl einschicken« kaum treffen.
Schniepf.
Montag, 9. Januar 2006
Soeben habe ich die beste E-Mail, die ich je geschrieben habe,
abgeschickt. Sie kommt auf den Punkt und macht einen Strich. Sonnenklar,
ohne Wortspiele oder laue Gags. Schade nur, dass ich mit ihr jemandem
die Freundschaft kündige …
Eigentlich wollte ich hier aus gegebenem Anlass einen elaborierten
Versuch über die Zeit zum besten geben. Über dieses relative
Konstrukt, das oft mit ein paar Zeigern auf einer Uhr verwechselt
wird, das uns den Übergang von der Vergangenheit über
die Gegenwart in die Zukunft erleichtert und mit sich dem schon
größere
Leuchten als ich rumgeschlagen haben.
Alle meine Gedanken kumulierten allerdings in diesem Abstract:
Man hat nicht zuwenig Zeit: Man nutzt sie nur falsch. Wer sagt:
»Ich hab keine Zeit«, sagt: »Ich hab keine Zeit
für Dich«.
Zu kryptisch? – Zu recht!
Mich erreichte ohnedies Kritik, dass meine launigen Eintragungen
für den Normalbürger ohne tiefere Kenntnis meines bisherigen
Lebens schwer verständlich seien. Nun, das wäre ja auch
noch schöner. Dahergegoogelte Sachfremde müssen sich halt
eine Woche Zeit und Urlaub nehmen und gefälligst die letzten
paar Dutzend Monate lesen, um hier ansatzweise was zu verstehen.
—
Args, wie ich nach eigentlich portosparendem Spaziergang zu nokturner
Stunde herausfand, besteht der Beitrag des Finanzamts Aachen-Innenstadt
zum Mozartjahr in seinem Umzug von der Mozartstraße in die
Krefelder Straße. Freunde, da latsche ich jetzt nicht auch
noch hin, diese Briefmarke setze ich als Werbungskosten ab!
Dienstag, 10. Januar 2006
Hab Phantomschmerzen …
Freitag, der Dreizehnte Januar 2006
Oh Piiieter! Da freut man sich auf die Fifafofußballmeisterschaft
– was schwer ist, weil ich die Phrase »im eigenen Land«
ohne Würgereflex schon nicht mehr hören kann – und
dann hat man den Höhepunkt, die WM-Eröffnungsgala mit
PG, gecancelt. Weil der Rasen Schaden nähme! Ich schrei gleich.
—
Um neun Uhr rum im Wohnzimmer, vorne an der Theke.
Ein gutes Zeichen: Wie schon vor ein paar Wochen habe ich meine
Hausärztin unter den Gästen im Egmont entdeckt. Und ein
noch besseres Zeichen: In ihrer Praxis habe ich sie schon seit zwei
Jahren nicht mehr gesehen …
Passenderweise lese ich gerade im Stern den »Großen
Ärzte-Check«.
Irgendwie schon doof: Während ich diesseits des Tresens gemütlich
Desperados nuckle und seelenruhig das Stern-Kreuzworträtsel
löse, bevor es in die falschen Hände gerät, haben
die netten Leute jenseits der Theke besagte Hände voll zu tun:
Bestellungen, Bestellungen, Bestellungen.
Aaaapropos Kreuzworträtsel: Bei dem aus dem letzten Heft ärgerte
ich mich vor ein paar Tagen, dass so ein Depp vor mir reingeschmiert
hatte. Skandalös!
Obwohl …: Der Stern kommt donnerstags neu raus. Und was
war am letzten Donnerstag? An der krakeligen,
seltsam vertrauten Handschrift hätte ich es gleich merken müssen:
Ich habe das Rätsel bei Kassenschluss mit meinen getreuen Belgisches-Bier-Co-Trinker
semikomatös selbst ausgefüllt!
Der für heute avisierte Poetry-Slam ist aus nicht näher
genannten Gründen ausgefallen. Fremderleuts Texte sind zwischendurch
auch mal ganz nett anzuhören. Aber was brauch ich auch einen
Pötrie-Slämm, ich kann's mir doch selber machen.
Augen geradeaus. Es ist etwas ruhiger geworden, ein Kellner darf
heute erstmalig »Theke machen«. Das bedeutet, er wird
in der Kunst des Bierzapfens und Cocktailshakens unterwiesen. Gerade
zuckte ich zusammen, als er für meinen Black Russian ein 0,2l-Glas
in die Hand nahm …
—
Hier enden die handschriftlichen Aufzeichnungen des Abends im kleinen
grünen Büchlein, der Abend selbst ging aber noch weiter:
Mein Belgisches-Bier-Freund kam noch und sein Schatz und meine Lieblingsbedienung
nebst Freund und der jugendliche Tequila-mit-Kaffeepulver-Süppler
undundund – nee, so wird das aber nichts mehr mit der Frühjahrsdepression
…
Irgendwann sagte das eine Pärchen: »So, wir gehen
jetzt!« – und meinte damit dankenswerterweise durchaus
auch mich! Also torkelten wir drei uns gegenseitig stützend
Richtung Heimat.
Samstag, 14. Januar 2006
Nach Ba-Wü will nun auch Hessen einen Einwandererfragebogen
ausfüllen lassen. Wäre es nicht praktisch, auch einen
Hierwohnenbleiberfragebogen erstellen zu lassen, der auf Verfassungstreue
testet? So würden wir zack bumm peng auch all die deutschen
Stinkstiefel los.
Abends in der »Raststätte« gewesen, wo Tina
Fischer und ihre Musiker klassische Lieder zum besten gegeben
haben. Reinste Musik: Britten, Gershwin und ein paar, die ich nicht
kannte. Und – nach Ansage – auch Schönberg. Neutöner
– muss man mögen … Aber die Weill-Stücke,
szenisch als Duett vorgebracht, entschädigten dafür wieder.
Verwunderlich, dass solch anspruchsvolle Musik in diesem eher rustikal-alternativen
Ambiente auf so begeistertes Publikum stößt.
Was mich vor dem Konzert zum wiederholten Mal genervt hat, ist
dieser dämliche Brauch des Platzfreihaltens. Die Raststätte
besitzt nur circa 80 Sitzplätze, doch wie in Malle am Pool
drapieren die Leute für ihre Bekannten die Stühle mit
Kleidungsstücken, auf dass die Schnarchnasen, die ihren Arsch
nicht rechtzeitig hoch bekommen, diesen dennoch prominent plazieren
können, und wir Fünfzehnminutenvorherdaseier entweder
mit doofen Plätzen vorlieb nehmen oder uns als Querulanten
betätigen müssen, indem wir diese herrenlosen Textilien
pikiert mit spitzen Fingern entfernen.
Dienstag, 17. Januar 2006
Bin heute ganz früh wieder von der Arbeit zurück, weil
ich den Schornsteinfeger in Empfang nehmen muss. Das muss ein cooler
Job sein: Den Leuten einen Zettel auf die Haustür kleben und
mitteilen, wann man kommt. So möchte ich auch mal Termine machen.
Eigentlich ist dieser schwarze Geselle ja ein ganz netter. Immer
adrett, immer freundlich. Und Glück sollen die Kerle auch noch
bringen. Gut, er schafft sich auch nicht zu Tode: Gasofen anstellen,
Messgerät reinhalten, Zahl notieren, Rechnung schreiben –
das klingt bewerkstelligbar und stimmungsaufhellend.
Samstag, 21. Januar 2006
Samstagabend und ich sitze brav daheim. Das hat es ja seit Beginn
der Aufzeichnungen nicht gegeben. Habe ein bisschen aufgeräumt,
Regale entmistet und so einen Kubikmeter Lebensraum gewonnen. Da
ich ohnehin keine Handbücher lese und schon gar keine, zu denen
ich das technische Gerät nicht mehr besitze (kennt noch wer
den 486er?), habe ich einiges der Altpapiertonne überantwortet.
Montag, 23. Januar 2006
Happy Birthday, Heidi!
Dienstag, 24. Januar 2006
Happy Birthday, Lieblingsbruder!
Schlechte Nachricht wurde mir – und ein paar anderen
… – per Gästebucheintrag kundgetan: Ein luxiertes/fraktiertes
Akropodium an der unteren Extremität hindert eine so kompetente
wie nette Servicekraft an ihrer Dienstausübung :(
Mittwoch, 25. Januar 2006
Auf weisen Rat hin war ich mit meiner Chefin im »Exil«
essen. Eine gute Wahl. Auch wenn meine Chefin eigentlich meine Kollegin
ist. Ich finde es aber cooler, eine Chefin zu haben.
Donnerstag, 26. Januar 2006
Habe heute meine erste EDV-Klausur geschrieben. Beziehungsweise
schreiben lassen. Eine Arbeit zu konzipieren ist viiiel mehr Aufwand,
als bloß für eine zu lernen. Das weiß aber kein
Schüler. Auch die zwei Stunden Aufsicht, die ich mir in Erinnerung
an selige Schülerzeiten als Ruhige-Kugel-Schieben vorgestellt
hatte, war mehr Rennerei als normaler Unterricht: »Herr
Langens, ich versteh das nicht«, hier und »Herr
Langens, können Sie mal kommen«, da. Und ich bin
ja ein herzensguter Bursche. Wenn ich nicht gerade die chronischen
Zuspätkommer zusammenstauche …
Freitag, 27. Januar 2006
Glückwunsch zum Zweihundertfünfzigsten, Wolferl!
Und untertänigstes Sorry für mein unflätiges Reklamieren
eines Tucho-Jahrs an anderer Stelle. Es ist ein Missverständnis,
dass ich gegen jegliches gestaltete akustische Material etwas hätte.
Was ich nicht mag, ist zur Unzeit von minderbegabten mutmaßlich
misanthropischen Musikanten laut und liederlich heruntergeleiertes
Liedgut.
Wer bin ich denn, ich Wurm, dass ich etwas gegen Mozart haben könnte?
Salieri?!
Nein, Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart hat sein
Jahr in tutto verdient. Habe mir dieser Tage als sonntägliche
Matinee »Amadeus« angeschaut und die Spiegel-Titelgeschichte
vom letzten Monat gelesen, das hat mir wieder nahegebracht, dass
dieser Vogel echt genial war. (Ich bin vergesslich. Erwähnte
ich das bereits? Ich hab's vergessen.)
Hey, der ist nur 35 geworden! Langsam gibt's Zeit für meine
erste Oper.
Freitagmittag, ich befinde mich im Regionalexpress auf Exkursion
gen Bonn. Auch wenn es albern ist, an Mozarts 250stem Geburtstag
in der Beethovenstadt flanieren zu wollen.
Halt im Eschweilerer Hauptbahnhof. Eine Menge olivgrün gewandeter
Gestalten steigt ein. Erinnert mich an holde Studienzeit, als ich
mich zu ähnlicher Zeit fast jede Woche auf die beschwerliche
Reise in die Heimat gemacht habe.
Diesmal sind's aber entschieden weniger Soldaten als damals. Anfang
der Neunziger glich deren Zustieg einer Invasion. Aber ohne Leitung
eines Offiziers. Und daher herrschte in diesen Zügen immer
eine Lautstärke wie bei 20 Kegelclubs auf Klassenreise. Ein
viel zu wenig beachtetes Argument gegen die allgemeine Wehrpflicht.
Der Zug hat Verspätung. Nanu, hier stimmt was nicht, erst
10 Minuten!
Düren Hbf, 12:24 Uhr: »Sehr geehrte Fahrgäste,
aufgrund einer Überholung verzögert sich die Weiterfahrt
um einige Minuten.«
Na also. Und wenn alles im Chaos versinkt: Auf die Deutsche Bahn
AG kann man sich noch verlassen.
In Bonn bin ich ewig nicht gewesen. Wie mir jedermann und -frau
beteuert, ist’s schön da. Vor allem finde ich toll, wie
zentral alles liegt, wie rund um den Markt gewickelt.
An der Uni war auf Halbmast geflaggt. Da ich in Ermangelung eines
Rundfunkempfängnisgerätes nicht wusste, wen es erwischt
haben könnte, mutmaßte ich scherzend, dass vielleicht
der Dekan einen Schnupfen haben könnte.
Später erfuhr ich, dass es meinen alten Freund Papst Johannes
Rau I. dahingerafft hat. Tz, will er dem Wolferl die Schau stehlen?
(So, das war dann jetzt auch meine letzte Matjesbeleidigung.)
Kurz vor Erreichen der Elf-Seiten-Grenze
höre ich jetzt mal auf.
Tamino, immer noch auf
der Suche nach Pamina (KV 620)
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