Donnerstag, 1. Juni 2006
»Sommeranfang«. Hinweis für spätere
Generationen: 2006 wird in die Annalen eingehen als das Jahr,
in dem der Sommer sooo kalt war:

Mir persönlich reichen ja 18 Grad, um glücklich
zu sein. Aber Schnee im Juni?! Wenn's weiterhin so schnuckelig-muckelig
bleibt, wird das nächste Woche nicht Fußballspielen,
sondern Coldplay.
Auf meinen zahlreichen Expeditionen durch Aachen entdeckte
ich vor dem Dom noch eine weitere neue Straße:
Ich wusste gar nicht, dass der auch bei Alemannia gespielt
hat …
Und der Sommer naht doch! Nicht unbedingt erkennbar an den
entsprechenden Temperaturen, aber am freilaufenden Getier
in der Presselandschaft. Nach dem Kaiman Samy, dem
Känguruh Skippy und Kuno, dem Killerwels,
ist dieses Jahr der Problembär Bruno JJ1 –
mit Migrationshintergrund, aber dafür völlig K-los
– die Sau, die durchs mediale Dorf getrieben wird.
Außerdem entlaufen:
Hans-Peter »Hape« Kerkeling. Die Bild-»Zeitung«
– wer hätte sie nicht im Abo? – füllt
das Sommerloch mit Schlagzeilen, er habe schon mal gelebt.
Aber das ist aber doch keine Neuigkeit! Das war doch damals
groß im Fernsehen: Im früheren Leben war Hape Königin
Beatrix!
Dienstag, 6.6.6
The number of the beast!
Mittwoch, 7. Juni 2006
Wie dekadent ist das denn? Schon den zweiten Nachmittag in
Folge mit netten jungen Damen auf dem Markt eine warme Mahlzeit
eingenommen und anschließend ein, zwei Stündchen
im Starbuck's kaffeetrinkend abgehangen.
Die Themen wurden zwischenzeitlich unbeschreiblich weiblich:
Menstruation, Tampons versus Binden, Verhütung, Schwangerschaft
et cetera. Naja, immerhin beim Thema Schwangerschaftsstreifen
konnte ich mitreden: Hat mann ja selber welche … Als
ich diesen Tatbestand mitteilte, drehte sich die junge Mutter
auf dem Sessel nebenan sich um und grinste mich breit an.
Donnerstag, 8. Juni 2006
Was ist eigentlich das Gegenteil von einem Fußballfan?
Abstinenzler, Passivfußballer, normaler Mensch?! Egal.
Freut Euch, alle Ihr: Nur noch 31 Tage, dann ist die FIFA
WM™ vorbei …
Freitag, 9. Juni 2006
Jo, is denn heut scho Woidmeistaschaft? Ja. Die Welt zu Gast
im FIFA-Land. Hurra, geschafft, Jürgen und die Klinsmänner
sind im 64stel Finale!
Noch zwei Stunden, 43 Minuten und 24 Sekunden bis zum Anstoß.
Möge der bessere gewinnen. Oder Deutschland.
Ich befinde mich an meinem Public-Viewing-Point bei 50°
46’ 36’’ nördlicher Breite und 6°
4’ 59’’ östlicher Länge.
Zu meinem üblichen Habit in schwarz passen rot und
gelb einfach hervorragend. Daher bin ich wie so viele nationalfarblich
bestens ausgestattet bis ins Detail: Käppi, Schminke,
Schal, Schlüsselband, Socken, Gürtel, Fähnchen,
Flagge als Tischtuch – und im Kaltgetränk stecken
natürlich auch drei nationalfarbige Strohhalme. Diese
Ausrüstung – von geschickten kleinen Händen
in fernen Ländern liebevoll gefertigt – erstand
ich für wenig Geld im 1-Euro-Laden.

– – –
Die Eröffnungsfeier: Falls es irgendwer auf Gottes weiter
Welt noch nicht wusste: Deutschland wird bewohnt von peitschenschwingenden
Schuhplattlern in krachledernen Hosen mit elefantösen
Glocken am Gemächt …
Ein einziges Glück, dass nicht auch noch Pickelhaubenträger
im Stechschritt vorbeidefiliert sind!
– – –
»Wir« haben die Costaricaner im Auftaktspiel
mit 4 zu 2 so fachgerecht weggeputzt, dass es eine Freude
war zuzugucken. Schluss mit der Häme: Wenn alle Spiele
der WM™ so schön anzusehen sind, werden das vergnügliche
fünf Wochen.

Ich wollte ja eigentlich wie vor zwei Jahren bei der Europameisterschaft
im Kochbuch die Rezepte aus den jeweiligen Ländern gegeneinander
antreten lassen. Also Köttbullar gegen Fish&Chips,
wenn Schweden und England spielen. Aber bei 32 teilnehmenden
Mannschaften und teils drei Spielen pro Tag war mir das dann
doch etwas zuviel. Außerdem kenne ich keine Spezialitäten
aus Angola, Ghana, Togo oder der Elfenbeinküste. Falls
die da überhaupt was zu essen haben …
Samstag, 10. Juni 2006
Das Egmont macht mit bei der Thekenmeisterschaft von EINSLIVE.
Knapp vierhundert Kneipen aus Nordrhein-Westfalen tippen die
Ergebnisse der Spiele – zunächst die D-Spiele der
Vorrunde, dann alle ab Achtelfinale –, und wer die meisten
Punkte sammelt, gewinnt einen exklusiven Auftritt der Sportfreunde
Stiller. (Mit »'54, '74, '90 2006« bereits
jetzt die wahren Gewinner der WM™.)
Das
Thekenmeisterschaftsposter ist genial (und leider nicht mein
Entwurf …):
Kaum ein Passant der Pontstraße kann an dem Klappschild
vorbeigehen, ohne interessiert lesend stehen zu bleiben. Solch
eine magische Wirkung habe ich bei einem Poster noch nicht
erlebt!
Es funktioniert allerdings auch mit einem perfiden Trick:
Es scheint auf den ersten Blick so, als stünde schon
fest, dass die Sportis zum Auftritt ins Egmont kommen –
dass vorher noch gewonnen werden muss, steht erst im Kleingedruckten
…
Wir haben uns für basisdemokratische Meinungsfindung
entschieden: Die Gäste können ihren Tippzettel in
eine Losbox werfen und das Mehrheitsergebnis gebe ich auf
der EINSLIVE-Homepage
ein. Außerdem gewinnt derjenige Gast, der am Ende exakt
richtig lag, eine Flasche Sekt.
Nach Kneipenliterat, Webmagician, Thekenmaskottchen und
Inventar-an-sich bin ich nun also auch noch Eventmanager.
(Sehr geil die Honorierung: Flatrate in der Stammkneipe, ohne
Zeit- und Volumenbegrenzung …)
Sonntag, 11. Juni 2006
Serbien : Holland. Ich fasse es nicht, wie das grassierende
Fußballvirus mich gepackt hat. Sonst die Jahre habe
ich während der WM™ überhaupt nur sechs Spiele
gesehen – wenn ich vor dem Achtelfinale überhaupt
mitbekommen habe, dass gerade Fußball ist –, diesmal
bereits alle sechs. Aber bei hochsommerlichen Temperaturen
im schnuckeligen Egmont eisteesüffelnd zuzuschauen, das
ist schon was anderes. Der Sommer ist gestern quasi auf Knopfdruck
eingeschaltet worden, aus dem Stand 20 Grad mehr. Heuschnupf
hin oder her – zur WM™ gehört das einfach
dazu.
Das Überhitzungsproblem von gestern ist gelöst.
Während der ersten Minuten der Partie England : Paraguay
war Beamer No. 1 ausgefallen und ein Exodus ins Billardräumchen
zu Beamer No. 2 zog los. Eine beherzte Servicekraft intervenierte
kongenial, indem sie den Stapel Bierdeckel, die der Feinjustage
diente, einfach von den Lüftungsschlitzen entfernte …
Nun wurde behelfsmäßig noch ein kleiner Ventilator
drangeflanscht, jetzt sollte alles klappen.
Montag, 12. Juni 2006
Unbeachtet von der Öffentlichkeit feiern heute der Grüne
Punkt und sein getreuer Kumpel, der Gelbe Sack – eine
Erfindung, die ausnahmsweise mal wir den Chinesen abgeguckt
haben … –, ihren 15. Geburtstag.
Denn kein Volk geht doch so liebevoll mit seinem Müll
um: Es trennt ihn sortenrein, es leert ihn löffelrein,
es wäscht ihn nicht nur sauber, sondern rein –
und die Müllabfuhr schmeißt ihn anschließend
zum Restmüll rein.
Faszinierend auch die Kollektion der Wertstoffsäcke,
mit der uns das sogenannte Duale System Deutschland über
die Jahre verwöhnt und überrascht hat: Wir erinnern
uns wehmütig an die Palette der schmalen, langen oder
auch breiten, kurzen Modelle; mal mit, mal ohne und mal mit
eingearbeitetem Zubindefädchen; mal reißfest und
tropfsicher, mal eben nicht.
Dienstag, 13. Juni 2006
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Heike. Und zu
allem anderen auch!
Mittwoch, 14. Juni 2006
Noch ist Polen nicht verloren. Aber jetzt: »Wir«
schlagen sie 1 zu 0.
Das Team des Egmont macht parallel zur Thekenmeisterschaft
auch ein internes Tippspiel. Jeder hat einen Tipp für
die Ergebnisse der Vorrunde abgegeben. Interessantweise führen
dort die Mädels, die steif und fest behaupten, von Fußball
keine Ahnung und streng nach Gefühl und Intuition getippt
zu haben. Hey, das hab ich auch! Was ist mit meinen Gefühlen
falsch, dass ich am unteren Rand entlangkrepele?! Die Verwaltung
des Spielstands von 19 Mitspielern und 48 Partien übernimmt
– unbestechlich – der Computer, Excel sei Dank.
Donnerstag, 15. Juni 2006
Ich habe gerade jetzt zur WM™ ernsthaft erwogen, jeden
Satz mit »gerade jetzt zur WM™« zu spicken,
mich aber gerade jetzt zur WM™ bewusst dagegen entschieden,
weil das ja ziemlich albern wäre. Gerade jetzt zur WM™.
Die Spiele an sich sind ja ganz nett, was nervt, sind die
Kollateralerscheinungen: Wie jetzt jeder kleine Krauter und
Krämer mithilfe eines Hinweises auf den Fußball
versucht, seinen Ramsch zu verhökern. Wird Reklame eher
wahrgenommen, wenn sie mit Fanchören unterlegt ist?
Freitag, 16. Juni 2006
Die
ultimative Albernheit jetzt zur WM™: Nein, ich habe
mir keinen Brasilianer auf den Hintern tätowiert –
ich habe mir einen Goleo gekauft …
Ja, ich weiß, er hat keine Hose an!
Er hat aber auch keinen haarigen Sack, den es zu verbergen
gälte. (Donald Duck rennt schon seit 72 Jahren unten
ohne rum, darüber hat sich noch nie jemand beschwert.)
Es handelt sich außerdem um eine aussterbende Art,
ganz selten angetroffen in freier Wildbahn. Jedenfalls habe
ich noch niemanden mit so einem süßen Plüschi
auf der Straße rumrennen sehen. Gewissermaßen
eine Art »Problembär« – wenn er auch
eher aussieht, als hätte Samson eine Löwin gepoppt.
(Verhütet haben die jedenfalls nicht, die Pille hat er
nämlich noch in der Hand …)
Im kuscheligen Miniformat ist er nicht so dämlich wie
die sprechende Version im Fernsehen. Ich habe ihn in einem
entlegenem Habitat gefunden, der Verkäufer musste ihn
– im Preis schon auf 50 Prozent heruntergesetzt –
mit einer Stange aus der hintersten Ecke des Schaufensters
angeln.
Sonntag, 18. Juni 2006
Seit über einer Woche jeden Tag Fußball en masse
– Zeit, die wahren Helden der WM™ zu loben: die
Zuschauer. Denn die vollbringen auch Höchstleistungen
auf Couch, Kneipenhocker und Bierzeltgarnitur.
Insbesondere so langweilige Veranstaltungen wie Brasilienspiele
– der gegnerische Strafraum ist scheint's eine No-go-Area
für Ronaldo (McDonaldo) – sind nur durch erlaubtes
Doping mit Kartoffelchips und Bier auszuhalten.
Montag, 19. Juni 2006
Mal ein ganz anderer Spielstand: Flora schlägt Fauna,
jedenfalls die Zweibeinige. Nach meinem Gejammer über
die Beeinträchtigungen wegen Pollenflugs im letzten Monat
habe ich viel Zuspruch von Leidensgenossen erfahren.
Doch der Konter naht: Meine Ärztin verschrieb mir –
weil Antihistaminika schon lange nicht mehr helfen –
Kortison, oder kurz Nebennierenrindenhormon. Richtig angewendet
hat das Zeug zwar hömmele Nebenwirkungen, die ein erfahrener
Hypochonder wie ich sicher alle auskosten wird. (Das »Ausbleiben
der Menstruationsblutung« habe ich bereits festgestellt.)
Aber egal: Die Scheiße hilft!
Dienstag, 20. Juni 2006
Deutschland, Deutschland überall.
Zum Spiel gegen den Angstgegner Ecuador, hust!, wurde die
landesweite Partydekoration in schwarz-rot-gold nocheinmal
ausgeweitet. Das größte Fahnenmeer seit der Wiedervereinigung
zeigt, dass wir zu einem friedlichen Patriotismus durchaus
fähig sind. Wer hätte das gedacht?
Schwarz, rot und gold sind eben viel zu schöne Farben,
um sie allein den rechten Idioten zu überlassen. (Wie
zum Beispiel dem auf dem Trittbrett der Begeisterung fahrenden,
heiser »Deutschland!«-schreienden Chaoten im T-Shirt
mit der Frakturaufschrift »Odin statt Jesus«.
– Wobei zu stark bezweifeln ist, ob er weiß, wer
der eine oder der andere ist.)
Wer schlau war, hat sich beizeiten mit Wimpeln fürs
Auto eingedeckt.
Wer sehr schlau war, hat sich beizeiten das Patent für
Autowimpelhalter besorgt.
Und wer fürs nächste Groß-Event schlau sein
möchte, klaubt die ganzen Wimpel an den Mittelstreifen
der Autobahnen auf. (Tempo 100 – der Fahne zuliebe.)
Mittwoch, 21. Juni 2006
Wie ist es eigentlich, das Leben dort draußen, wenn
man sich so gar nicht für Fußball interessiert?
Kann man es schaffen, der Wel™eisterschaft zu entkommen?
Wahrscheinlich sind die Straßen für die Dauer
der Spiele nur bevölkert von jungen Müttern, kleinen
Kindern und versprengten Intellektuellen, und man kann in
Ruhe den Rasen mähen, die Hecke schneiden, das Auto waschen
und innen saugen – und trotzdem jeden Treffer laut und
deutlich mitbekommen.
Doch selbst wenn man es schafft, in Nachbarschaft, Presse,
Rundfunk und TV – sogar die leichtbekleideten 0190-Girls
in tiefer Nacht räkeln sich nationalbeflaggt auf des
Rasens Grün – dem ganzen zu entgehen, wird man
hier im diario kalt erwischt, gell? Ich hatte ja prophezeit,
dass nicht viel anderes gehen würde im eigenen Land.
Und wenn ich selber dafür sorgen muss.
Donnerstag, 22. Juni 2006
Der Spiegel schreibt, die Syphilis sei wieder auf dem Vormarsch.
Pikanterweise bringt er als Beispiel für Deutschland
sündigsten Straßenstrich: den Aachener Kaiserplatz.
Jesses! Da hängen zwar ne Menge Drogis rum und die werden
sich ihren Konsum wohl auch mit Prostitution finanzieren.
Aber vorbeifahrende Freier habe ich dort noch nie gesehen.
Es ist mir – allein aus straßenbaulichen Erwägungen
– schleierhaft, wie das funktionieren sollte: Man kann
da nirgends gescheit anhalten!
Das zeigt mal wieder, dass die Spiegel-Artikel nur interessant
sind, wenn man von der Materie keine Ahnung hat. Sobald man
ein paar Fakten kennt – oder dran vorbeigeradelt ist
–, merkt man, wie banal oder zugespitzt oder schlicht
falsch das manchmal ist.
Freitag, 23. Juni 2006
Nur fürs Protokoll: Beim Team-Tippspiel hat Tina fulminant
gewonnen.
Auch wenn ich mich jetzt eines Vergehens wider die freiheitlich-demokratische
Grundordnung schuldig mache: Demokratie ist scheiße!
Jedenfalls dann, wenn es darum geht, den richtigen Fußballtipp
abzugeben. Die Mehrheit hat nicht immer recht, die Mehrheit
liefert nur einen weichgespülten Durchschnittswert, der
uns auf Platz 260 betoniert.
Also eine Änderung der Statuten: Das nächste Mal
wird unser eigenes Orakel befragt!
Sonntag, 25. Juni 2006
Sonntagnachmittag, Kaffeezeit. Es ist seeehr leer im PVP.
Kein Wunder, bei der Schwüle würde ich auch nicht
England : Ecuador gucken wollen. (Der Mann von Victoria Beckham
spielt auch mit.) Meine lustige Tipprunde ist dementsprechend
albern: Wenn nur eine Handvoll Leute mittippen.
Ich hab mir etwas Arbeit mitgebracht, um die Zeit wenigstens
sinnvoll zu nutzen. Seit neuestem bin ich auch hier online.
Doch so ein Schiet, das Öcher LAN scheint sonntags Pause
zu machen.
Zum Glück hab ich das Modemkabel dabei. Wir wollen doch
nicht unseren sicheren 258. Platz gefährden …
– – –
Das Spiel lief eine halbe Stunde, da brach draußen
ein Mördergewitter los. Wie schon letzte Woche fiel damit
auch der Fernsehempfang aus. Tja, mittlerweile geht das Internet
wieder: Ich könnte den anderen Gästen den Online-Live-Ticker
vorlesen.
– – –
Zwischenzeitlich ist das Bild zurückgekehrt. Leider
hat das das Spiel keinen Schlag erträglicher gemacht.
Die Ecuadorianer hatten am Anfang mal einen geilen Lattenknaller,
das war's dann aber auch.
Die Kleinfamilie am Nebentisch – mutmaßlich eine
Studentin, die ihre Eltern zu Besuch hat und ihnen mal erklärt,
wie Aachen so funktioniert – entpuppt sich als ausgesprochenes
Fachgremium. Sie seien von England ja sehr enttäuscht.
Ach was? Wie war das noch mit den selbsternannten Fußballfachleuten,
von denen es neuerdings verdammt viele gibt? Erinnert sehr
an den übergewichtigen Biertrinker, der vorm Fernseh
liegend mit den Backen voller Chips ruft: »Nun bewegt
Euch doch mal, Ihr Flaschen!«
O-Ton vom nebenan: »Wo spielen die denn heute?«
– »Ich glaub, in Berlin.« – »In
Berlin?« – »Berlin.« Man einigt
sich: »Genau, in Berlin!«
Ja, fast. In Stuttgart …
Montag, 26. Juni 2006
Italien gegen Australien und Enttäuschung allenthalben,
schniepf. Durch einen Elfmeter in der allerallerletzten Sekunde
hat Italien es unverdient geschafft, die Aussies rauszukegeln.
Erstens haben die Australier besser gespielt, zweitens hat
Frau Ke., der größte Fan der nördlichen Hemisphäre,
es noch geschafft, Socceroos-Shirts aufzutreiben – und
so sitze ich nun im gelb-grünen Dress hier –, und
drittens war der Thekentipp andersrum – was massig Punkte
gebracht hätte.
Wir sind aus Protest daher zu härtesten, allerhärtesten,
Konsequenzen bereit:
Wir werden heute niiiemehr Pizza essen!
In den Aachener Nachrichten ist ein Bericht über die
Freude/Trauer in der Pontstraße im Anschluss an das
Spiel Deutschland : Schweden von Samstag. (»Zieht
den Schweden den Schrauben aus dem Schrank!«) Und
ein fettes Photo von zwei wohlbekannten pädagogischen
Fachkräften.
Die Paarung des Abend ist Schweiz : Ukraine, ich rechne mit
wenig Betrieb.
– – –
Und richtig gerechnet: Es waren zwar sogar Gäste da,
auf dem Spielfeld war aber noch weniger los. Dummerweise ging
es auch noch torlos in Verlängerung und bis zum Elfmeterschießen,
gähn. (Fußball zu gucken kann fast so hart sein,
wie welchen zu spielen.) Es zeigte sich dann, dass Wilhelm
Tells Sohn damals ein Wahnsinnsglück gechabt chat (0
: 3).
In der Thekenmeisterschaft sind wir abgeschlagen auf Platz
240. Ich glaub, die Sportis können wir knicken.
Mittwoch, 28. Juni 2006
Heute spielt … keiner! Der erste fußballfreie
Tag seit Menschengedenken.
Happy 80th Anniversary, Mel Brooks. Darauf eine Dose »Perri-Air«.
Freitag, 30. Juni 2006
Viertelfinale, Deutschland gegen Argentinien, Hunger auf
ein blutiges Steak … Hier im Egmont sind fast alle Plätze
besetzt – man möchte nicht meinen, dass das Spiel
erst in zwei Stunden losgeht!
Eben fragte ein Gast, ob ich für EINSLIVE arbeite.
Jesses, ich hätte deren Logo nicht auf die Tippzettelbox
kleben lassen sollen. Nachher werde ich noch ans Kreuz genagelt,
wenn die Sportis nicht nach Aachen kommen. Und von Platz 297
sieht das verdammt danach aus!
– – –
Go-leo-ole-ole-ole! Was ein Spiel, mit Verlängerung
und Elfmeterschießen und allem Pipapo das vorweggenommene
Finale! »Wir« sind im Halbfinale. Da geht noch
was!
Wenn man die Merkelin so hübsch eingeübt jubelnd
in den Stadien sieht, könnte man fast vergessen, dass
jetzt die schönste Zeit ist für politische Grausamkeiten
ist: 25 Prozent Mehrwertsteuer, Abschaffung der Krankenkassen,
Hartz V bis XI, Verkauf der neuen Bundesländer an Polen
– das würde jetzt kein Mensch merken!
54 × 74 – 1990 = 2006
weltweit einziger Goleo-Fan, selbst
Maskottchen und offizieller Stammleserinnenausstatter |