Freitag, 1. August 2008
Hertie, Wehmeyer und Sinn & Leffers –
schon mal aufgefallen? Immer wenn in den Nachrichten von einem
»Traditionsunternehmen« die Rede ist, folgt in
dichtem Abstand das Wort »Insolvenzverwalter«.
Google bestätigt dies mit knapp 10.000
Fundstellen.
Sonntag, 3. August 2008
Eine Goldene Hochzeit ist eine feine Gelegenheit, die Akkus
aufzuladen, ins ferne Arnsberg zu fahren, sich dort im ehrwürdigen
Rodelhaus einzumieten und feierliches Ornat anzulegen,
um damit mords Eindruck zu schinden.
Das Gerücht, der Sauerländer an sich wäre
verschlossen, ist Unsinn. Die betagte Patronin des Hotels
erzählte uns freimütig und unaufgefordert allerlei
aus ihrem Leben. Unvergessen wird mir ihr Ausspruch zur Kaffeezeit
bleiben: »So, dann wollen wir mal Wasser aufsetzen
und schauen, ob es schwarz wird, woll?«

Montag, 4. August 2008
Zurück aus dem Sauerland empfing ich eine Delegation
aus Bayern zur Stippvisite. Flott die obligaten Places-to-see
gezeigt – Rathaus, Katschhof, Dom – und in Sachen
Mitbringsel beraten: Was ist typisch für Aachen? Außer
Printen jetzt. Hm …, das Regenwetter! – Soll ich es einpacken
oder wollt ihr es gleich so mitnehmen?

Dienstag, 5. August 2008
Die EU plant eine feuersichere Zigarette, um das Rauchen
gefahrloser zu machen. Sehr fürsorglich. »Rauche
nie im Bett, die Asche, die runterfällt, könnte
deine eigene sein.« Na, was das wohl wird? Zigaretten
aus Asbest? Dann wäre kein Rauchverbot mehr nötig,
und trotzdem ruinierten sich die Raucher die Gesundheit! Wenn
sie nicht schon das Anzündenwollen in den Wahnsinn treibt.
Mittwoch, 6. August 2008
Auf meinen zahlreichen Expeditionen durch die den lokalen
Markt beherrschende Buchhandlungskette bin ich mal wieder
über das Bestsellerregal nicht hinausgekommen. (Langsam
wird mein Regal selbst zum Bestsellerregal.)
In »Latein ist tot, es lebe Latein!« erzählt
Wilfried Stroh faktenreich – manchmal eine Spur zu faktenreich
– die »kleine Geschichte einer großen Sprache«.
Man könnte nach der Lektüre zu der Einsicht kommen,
dass eine seit 2000 Jahren vermeintlich »tote Sprache«
lebendiger und zukunftsfähiger ist als gegenwärtiges
Deutsch, das durchsetzt ist von metastasierenden Anglizismen
und verhunzt wird von pro neuer Generation neuem Jugendsprech.
(Auf jeden Fall bringt es neues Klugschiss-Futter für
Leute, die einen mitten im Satz korrigieren, wenn man Caesar
<zäsahr> oder <kähsar>
ausspricht und nicht wie neuerdings korrekt <kaisarrr>.)
Latein? Da war doch mal was … Genau, sieben Jahre Unterricht
führten mich mit jedem mühevoll zusammengeratenen
Satz näher ans Große Latinum. Aber das vor einem halben
Leben.
Wie schon Plinius nie sagte: »Situs vi late in
isset avernet.«
Erinnerungen werden wach an Ciceros Sprache und Stil, an
den hochgeschätzten Ovid mit der Ars amatoria und seinen
Metamorphosen, an Vergil, der später mit Dante durch
die Hölle ging, und natürlich an Caesar, dessen
»De bello Gallico« wir unschuldige Schülerseelen
die detailreiche Kenntnis solch alltäglich anwendbaren
Vokabulars wie Schlachtreihe, Geschoss, Marschordnung,
Schrecken, blutig, Leichname, brandschatzen, verwüsten,
durchbohren und vernichten verdankten.
Auch wenn einige sagen mögen, dass Hunderttausende erblühender
Menschenkinder wertvolle Jahre ihres jungen Lebens mit Deklinieren
und Konjugieren verschwenden: Latein hat meistens Spaß
gemacht. Und so ganz schlecht war ich auch nicht, trotz systematischer
Syntax, verflixter Versmaße und absoluter Ablative.
(Letzte Kursarbeit 14 Punkte, ohne fuschen!) Leider haben
wir nie von Deutsch nach Latein übersetzt, das hätte
das Ganze noch etwas interessanter gemacht.
Zum Latin-Lover wurde ich jedoch nicht, und das lag an unserer
Lehrerin (alias »Bärchen des Philipp«). Den
Unterricht regierte sie mit Angst und Schrecken; sie schlug
zu Anfang der Quarta mit der flachen Hand aufs Pult und bis
zur Oberprima herrschte dann Ruhe. Atmen war mal gerade so
geduldet. Wenn es denn unbedingt sein musste.
Von ihr stammt übrigens das Hartz-IV-Motto »Fördern
& Fordern«. Nur dass sie das Fördern unterwegs
irgendwie vergessen haben muss. So ein Terrorregime ist natürlich
eine denkbar ungünstige Lernatmosphäre, da gibt
es bestimmt Studien aus Finnland zu. Auf jeden Fall schlaflose
Nächte sonder Zahl.
Wenn sie einen Schüler mit der Übersetzung eines
kniffligen Satzes betraute, war es noch stiller im Auditorium
als sonst schon. Sagte sie »Thomas!«, bekamen
vier Schüler ziemlich feuchte Hände – wir
hatten zeitweise vier Thomasse in der Klasse. Wenn sie dann
noch meinen Nachnamen aufrief, kam es vor, dass ich meine
Beine nicht mehr spüren konnte. Während die anderen
drei sich entspannt zurücklehnten. Celeriter cum lingua
Latina mea ad finem fui.
Leider viel zu leicht zu lesen ist »Mieses Karma«
von David Safier. Noch so ein Fernsehmensch, der sich Meriten
mit TV-Comedy verdient hat und nun versucht, Bücher zum
Lesen zu schreiben. Die hübsch skurrile Grundidee hat
ja noch so ihre Reize: Eine junge Mutter verstirbt und reinkarniert
mit der Erinnerung an ihr letztes menschliches Leben wild
durch die Gegend – sie will halt unbedingt zurück
zu Kind und Mann. Beziehungsweise Lover. Oder auch nicht.
Oder doch. Und da wird's dann nervtötend: Ihr ganzes
Tun ist durchsetzt von Eifersüchteleien, Selbstzweifel, schlechtem
Gewissen und Unentschlossenheit, und die seichte Geschichte
mäandert beliebig umher. Nebenbei werden ein paar hübsche
Gedanken des Buddhismus zuschanden geritten – hätte
der Autor einen solchen Schmied über eine gewisse monotheistische
Weltreligion zusammengestoppelt, würde das Buch von allein
Feuer fangen, ischwöraufkoranalder!
Freitag, 08.08.08, 08:08 Uhr (Ortszeit)
Citius, altius, fortius. In Peking starten die Olympischen
Spiele. Und in Georgien wärmt man den Kalten Krieg auf.

Samstag, 9. August 2008
Wieder Besuch, wieder obligate Places-to-see:

Montag, 11. August 2008
Happy Birthday, Anjuli!
Autofahrer aufgepasst, die I-Pänzchen sind wieder unterwegs:

Dienstag, 12. August 2008
Einfach so, weil's schön ist:

Mittwoch, 13. August 2008
Meine Zahnpasta wurde upgegradet. Im Bestreben um die Perfektionierung
der Welt sorgt die Blend-a-med-Forschung mit ihrer neuen Zahnkrem
nun nicht nur für die fünf Zeichen gesunder
Zähne (1. Kariesschutz, 2. Zahnsteinschutz, 3. Zahnfleischschutz,
4. natürliches Weiß und 5. frischen Atem),
sondern gar für deren sieben (nun auch 6. Zahnhalskariesschutz
und 7. Plaqueschutz).
Ich freue mich schon auf die Blend-a-med für die neun
Zeichen gesunder Zähne (mit zusätzlich 8.
Weltfrieden und 9. ewiglicher Glückseligkeit),
wie sie im Moment noch nur im Photoshop zu haben ist.

Donnerstag, 14. August 2008
Nachdem die ungeliebte Straßenbeschallung ein paar
Monate lang erträglich war, übertreibt es die Klarinetten-Combo
derzeit wieder. Seit zwei Wochen campieren die Personae non
grata von früh bis spät vor der Haustür, wechseln
schon mal die Straßenseite oder gehen 30 Meter weiter
– was in akustischer Hinsicht keinen Unterschied macht.
Ich hab's aufgeschrieben. Genau diese Liste habe ich nun dem
netten Herrn vom Ordnungsamt geschickt.
Ja, ich weiß, ich Spießer. Aber ich wohne und
arbeite nun mal hier, und zwar schon länger. Ich habe
den enervierenden Tröter selbst auch schon mal im Hinblick
auf die Einhaltung der Menschenrechte und des Tierschutzes
auf einen baldigen Ortswechsel angesprochen, doch dieser verwies
nur darauf, dass er »Dokument von Behörde«
habe. Das mag sein, darin steht aber sicher auch, dass nur
eine Stunde Musizieren am gleichen Platz genehmigt ist.
Ich hoffe, dass meine Mail ans Ordnungsamt fruchtet, sonst
gibt's demnächst die Schlagzeile: »Verzweiflungstat
in Aachener City: Klarinettist mit eigenem Instrument gepfählt!«

Freitag, 15. August 2008
Hatte ich auch noch nicht: Eine Ein-Jahr-vor-der-Hochzeit-Feier,
lecker bei Viet.

Ich beschäftige mich seit über zwanzig Jahren
mit Photographie. Hin und wieder gelingen zwar ansehnliche
Aufnahmen, doch meistens verfahre ich nach der Methode »spontan
draufhalten und später bearbeiten«. Das war schon
zu seligen Schwarz-weiß-Labor-Zeiten so und ist es nun
im digitalen Zeitalter erst recht. (Natürlich bearbeitet
man später niemals so viel nach, wie man es sich bei
der Aufnahme vorgenommen hatte.)
Um diesem Missstand abzuhelfen, dope ich mich mit Fachliteratur:
»Digitale Fotografie« von Martin Zurmühle
richtet sich an den ambitionierten DSLR-Profiamateur und widmet
sich den technischen Grundlagen – davon kann man nie
genug haben, auch wenn man das meiste schon mal gehört
und womöglich schon mal angewendet hat.
Anregende und erhellende Lektüre – ein paar Fehlerchen
sieht man dem Buch da schon nach. Nicht allerdings, dass es
lausig layoutet ist. Oft weiß man nicht, auf welches
Bild sich der Text bezieht, oft gerät man bei der Suche
nach der Fortsetzung der Spalte ins Schwimmen.
Die »Fotoschule« von Christian Haasz legt den
Schwerpunkt auf die Bildgestaltung und spezielle Aufnahmetechniken
für Digital-Fotografen.
Beide Bücher schärfen anhand von zahlreichen Beispielbildern
mitsamt Erläuterungen den Blick fürs Bild und geben
Anregungen. Besonders hilfreich: Bei jedem Bild sind die genauen
Aufnahmeeinstellungen angegeben, die die Frage beantworten:
»Wie hatter das denn gemacht?«
Leider beziehen sich beide Werke oft auf Photoshop CS2 und
CS3, welche noch ein paar mehr arbeitssparende Features beherrschen
als meine historische Version 7.0. Aber so ein Programm für
über tausend Euro (ja, ich hab's in original!) ist eine
Anschaffung fürs Leben und selbst bei der antiken Version
hab ich noch nicht alle Kniffe ausbaldowert.
Auffällig: Die Verwendung von Aktphotos – ästhetisch-künstlerischen
natürlich nur –, wie es wohl zum Photoalltag eines
Profis gehört. Zu meinem leider nicht.
Parallel durchforste ich gerade die Photokiste mit den analogen
Bildern und Negativen und lasse den Scanner heißlaufen.
Genau das Richtige jetzt an langen Winterabenden.
Diese Zeitkapsel birgt ungeahnte Bilddokumente:
• Millionen Photos aus den 1990ern und frühen 2000ern, auf
denen sich die Photographen gegenseitig knipsten:

• Verdrängte Jugendsünden aus den 1980ern:

• Einzigartige Zeitzeugnisse aus den 1970ern:

Die Klamotten, Möbel und Frisuren sehen jedenfalls aus
wie auf 'ner 70er-Fete. Stimmt das eigentlich? Grün und
blau waren damals noch nicht entdeckt? Und der Kontrast noch
nicht erfunden? Mal Zeitzeugen fragen, ob die Welt früher
wirklich gelborange und milchig war.
Nun gut, die »Kamera« war ja auch nur ein Plastikkästchen
mit manuellem Hebel zum Filmtransport und puristischem Ein-Linsen-System
und beherbergte winzigkleine Kassettenfilme. Und der Staub
– vom Feinsten! Dafür sind die Bilder noch
ganz gut erhalten. Also mal schnell scannen, bevor die letzten
Farbinformationen verblichen sind, und durch den Computer
jagen.
Sonntag, 17. August 2008
Jemand aus der Nachbarschaft muss im Lotto gewonnen und sich
vom Erlös einen orangen flunderflachen Sportwagen gekauft
haben, mit dem er jetzt jede Nacht um den Block fährt,
um der eingeborenen Bevölkerung zu zeigen, was für
einen sonoren Ton das unnötige Gasgeben erzeugen kann.
»Schau mal, Schatz, der Mann da hat einen sooo kleinen
Schwanz. Wenn überhaupt.«
Dienstag, 19. August 2008
Was will uns das Logo der »Langen Nacht der Museen«
sagen? Da oben links?!

Mittwoch, 20. August 2008
Wenn ich das Dreckschwein erwische, das mir heute zwischen
halb eins und halb drei in der Friedrichstraße mein
Fahrrad geklaut hat, dann werde ich ihm höchst pädagogisch
und mit viel Geduld das Konzept der Achtung fremdem Eigentums
nahebringen und ihm anlässlich dessen zeigen, dass man
Konflikte auch anders lösen kann als mit ständigem
Reden!
(Früher wurden Pferdediebe von einem sich spontan zusammengerotteten
Lynchmob ohne viel Aufhebens an der nächsten Straßenlaterne
aufgehängt.)
Wie gewonnen, so zeronnen.
Versichert? Natürlich nicht. Falls mal zufällig jemand
ein feines Rädchen der Marke Raleigh »executive«
in schwarz mit der Rahmennummer AV001828 irgendwo rumstehen
sieht: Sachdienliche Hinweise werden üppig vergütet.

Flankierend dazu habe ich den Vorfall auch offiziell bei
der führenden Strafverfolgungsbehörde zur Anzeige gebracht.
Online allerdings nur – denn selbst wenn ich persönlich
auf dem Polizeipräsidium aufliefe (Betonung auf nunmehr
laufen), würden die Freunde und Helfer wohl kaum
Steckbriefe drucken, eine Hundertschaft Beamte darauf ansetzen
und eine Ringfahndung ausrufen.
Wegen dieses Frevels muss man das Team
Gerolsteiner nun wohl völlig ad
acta legen. Schade. Ich hätte mal besser auf meinen jungen
Freund hören sollen, der mir kurz vor der ungeheuerlichen
Schandtat noch riet, mein Fahrrad nicht auf der Straße
anzuketten, sondern besser in den Keller zu bringen. Weil,
er bringe sein Laufrädchen ja in den Keller!

Donnerstag, 21. August 2008
Gestern hatte der Patron der Büffetkellner und Barkeeper,
der heilige Bernhard von Clairvaux, seinen Gedenktag. Und
heute kann das Egmont seinen sechzehnten Geburtstag feiern,
Glückwunsch!
Nach langem Zögern mische ich ab heute eben doch aktiv
bei wer-kennt-wen.de mit. Was kümmert mich mein
Geschwätz von letztem Jahr? Es hat sich nämlich
herausgestellt, dass sich dort viele alte, teils uralte, Bekannte
auffinden lassen. Wohingegen studiVZ eher den aktuellen
Freundeskreis abdeckt. Jedenfalls den Kreis derjenigen, die
sich überhaupt mit diesem modischen Schnickschnack wie
Internet abgeben.

WKW, wie wir Insider sagen, ist ein probates Mittel,
seinen weitläufigen Bekanntenschatz wiederzuentdecken
und zu verwalten, und wirkt wie eine Zeitmaschine. Wenn man
andererleuts Bekanntenlisten durchforstet, findet man etliche
Leute der Gewichtsklasse »seit 20 Jahren nicht gesehen«.
Imponiert hat mir die Liste des in Gerolstein weltbekannten
Postministers, der auf stolze 1.400 Einträge kommt und dessen
eintausendvierhunderterster Kontakt zu sein ich mir nun die
Ehre geben darf.
Auf welche Zahl ich wohl kommen werde? Alles unter 100 Kontakten
werde ich als persönliche Kränkung ansehen!
Sollte ich nach dem Motto »deine Freunde sind auch
meine Freunde« sein Freundschaftsinventar dreist in
meines integrieren?! Nein, Qualität vor Quantität.
Auch wenn ich hiermit eine Einzelmeinung vertrete: Kennen
heißt mögen. Außerdem will man ja durch die
Fußgängerzone gehen können, ohne ständig
grüßen zu müssen.
Bei all dem Scannen von Namen und Bildern darf man nicht
vergessen: Ich »kenne« nur diejenigen, denen ich
in den letzten 37,5 Jahren freundlich gesinnt die Tageszeit
genannt, erhellende Gespräche geführt, vielsagende
nonverbale Kommunikation betrieben oder wenigstens Flüssigkeiten
ausgetauscht habe. Oder das zumindest gerne getan hätte.
Im Notfall würde ich mit allen aus dieser hochansehnlichen
Versammlung auf meiner Liste jederzeit ein Bier, einen Kaffee
oder eine Zuckerwasserbrause trinken wollen.
Nacheinander!
Wenn man dann in einem weiteren Schritt den Bestand der eher
entfernteren Bekannten durchforstet, ist man überrascht:
Wen man noch so kennt, obwohl man es längst vergessen
hatte. Und dass man vergessen hat, warum man es vergessen
hat. Höchst interessant auch, wenn man plötzlich
den kompletten Namen derjenigen kennt, denen man in den letzten
37,5 Jahren freundlich gesinnt die Tageszeiten genannt, erhellende
Gespräche geführt, vielsagende nonverbale Kommunikation
betrieben oder wenigstens Flüssigkeiten ausgetauscht
hat. Oder das zumindest gerne getan hätte.
Die Bekanntschaften werden auf einer kleinen Grafik der Deutschlandkarte
geographisch mit roten Punkten angezeigt. Heute sah das bei
mir noch so aus:

Freitag, 22. August 2008
76, mein Ego fühlt sich gebauchpinselt:

Samstag, 23. August 2008
Datenklau! Es heißt, ominöse CDs mit sensiblen
persönlichen Daten seien in Umlauf. (Darauf hab ich aber
schon vor vier Jahren hingewiesen.)
Jetzt sind sogar Bücher mit den Namen, Adressen und
gar Telefonnummern von Millionen Bundesbürgern aufgetaucht:

Das einzige Mittel gegen den Datenklau wird wohl die Vorratsdatenspeicherung
sein … Oder der Bürger sorgt wie auch sonst besser
mal privat vor und hinterlegt vorsorglich die wichtigsten
Daten in Sozialen Netzwerken wie StudiVZ oder WKW
…
Die zu Unrecht vielgescholtene Firma Payback hat meine
Adressdaten übrigens noch nie an jemanden weitergegeben.
Das weiß ich so genau, weil ich meine Anschrift zur
Kenntlichmachung mit ein paar unauffälligen Zusätzen
entsprechend frisiert habe … Und selbst wenn die Marketingstrategen
Schindluder mit meinen Angaben trieben: So wissen sie zwar,
wann, wo und wie oft ich mein Klopapier kaufe – mein
wirkliches Geburtsdatum kennen sie nicht! Im Kleinkrieg gegen
die Datenkraken hilft nur Guerillataktik. Da halte ich es
wie Hobbes, der beste Freund von Calvin: I like to mess with
data.
Darüberhinaus kann ich die Aufr gung über den
Dat nklau n cht so r cht v rst h n, w il i h
gr m bl f x
Sonntag, 24. August 2008
96:

Olympia in China ist vorbei. Eröffnungs- wie Abschlussfeier
waren imposant, pompös, grandios, opulent, furios, brillant,
bombastisch – was hätte man auch anderes erwartet
von einem autoritären Staat? Alles verlief perfekter
als bei einem Computerprogramm. Kein Wunder, wenn man genügend
Menschen hat, die man problemlos als Pixel verwenden kann.
Allerdings sind nun doch ein paar Betrügereien ruchbar
geworden:
- Ein Teil des Feuerwerks wurde digital reingemogelt.
- Das kleine Mädchen, das gesungen hat, machte nur
Playback, weil es hübscher war als die echte Sängerin.
- Die Kinder der verschiedenen originalen Minderheiten gehörten
nur einer, der Mehrheit, an.
Durch Zufall habe ich immer bei den beeindruckenden Läufen
von Usain Bolt von der Jamaika-Koalition reingezappt (100M,
200M, 4×100M-Staffel). Bis zur B-Probe glaube ich allerdings,
dass er entweder ebenfalls digital ins Bild gepixelt worden
oder eben die schnellste Apotheke der Welt ist.

Montag, 25. August 2008
Wieder Schokoladenverkostung bei Lindt & Sprüngli,
Thema Mandel – die Weihnachtszeit rückt bedrohlich
nahe.
Das Panel bestand zum größten Teil aus recht
betagten Naschkatzen. Nun, die haben wohl auch die Zeit übrig
für so etwas. Wenn das mal die Stichprobe nicht verfälscht.
Bis es losging – der Senior an und für sich kommt
ja gerne zeitig –, hockten die meisten still auf den
Stühlen vor dem Testraum und schauten betreten zu Boden.
Eine Stimmung wie im Wartesaal beim Hautarzt. Hey, dabei ging
es doch darum, gegen Geld leckere Schoki zu schnabulieren!
Es würden keine eitrigen Furunkel rausgeschnitten, schwärende
Wunden balsamiert oder nässende Ekzeme tamponiert werden!
Dessen war ich mir ziemlich sicher.
Im Test an sich wurden meine Mitesser dann recht kregel:
Einige gingen schon nach wenigen Minuten wieder hinaus. Na,
wohin so eilig? In dieser Zeit bekommt man auf redliche Weise
gerade mal die sieben Zettel mit den Fragen gelesen, nicht
aber die Geschmacksknospen der Mundschleimhaut mobilisiert,
auf dass die Dendriten der Nervenzellen die Geschmacksinformationen
auch hübsch ins Zentralnervensystem weiterleiten.
Diesmal war ich anschließend so schlau, im Werksverkauf
wirklich nur meinen Gutschein gegen eine Schokotüte einzutauschen,
und nicht – im vermeintlichen Bestreben, Familie, Freunde
und Bekannte (104 übrigens) reich zu beschenken –
den halben Schokoladenladen leerzukaufen: Das letzte Mal schon
hatte ich fast alles selbst gefuttert …
Mittwoch, 27. August 2008
Und noch ein Mal Marktforschung bei Lindt & Sprüngli.
Wenn ich so weitermache, bekomme ich noch den Renate-Lohse-Gedenkpreis
der Firma Riegel Klotz.
Diesmal wurden Schokokugeln mit Pistazienfüllung kredenzt.
Vielleicht sollten die Probanden selber einmal auf olfaktorische
Faktoren getestet werden: Der Mann, der neben mir wartete,
stank so gottserbärmlich nach Zigaretten wie sonst nur
der Wirt einer inhabergeführten Einraumkneipe. Man hätte
ihm wahrscheinlich unbemerkt auch ein Stückchen Holzkohle
vorsetzen können und er hätte dessen zarten Schmelz
gepriesen.
Mein liebes Fahrrad fehlt mir sehr. Als Fußgänger
zieht sich der Weg zu Lindt schon ziemlich. Und auch sonst.
Ich finde, jetzt habe ich beim Karma einen gut. Bevor ich
mir ein neues anschaffe, schaue ich bei Ebay nach, ob nicht
zu-fäl-lig gerade ein Rädchen, das meinem auffällig
ähnlich sieht, hier in der Gegend zur Auktion angeboten
wird. Raffiniert, gell? Tjaha, jahrelanger Drei-Fragezeichen-
und TKKG-Konsum zahlen sich irgendwann aus!
Donnerstag, 28. August 2008
113. Langsam stagniert's, aber es reicht auch einstweilen.
Soviel Bier, Kaffee oder Zuckerwasserbrause zu trinken, ist
gar nicht gesund!

Wobei: Ein paar von mir bei WKW Kontaktierte können
sich doch tatsächlich nicht an mich erinnern. Was soll
man dazu sagen! Nun gut, Namen sind ja Schall und Rauch. Und
mein unbeständiges Äußeres ist auch keine
große Hilfe. Mein Aussehen changierte in den letzten
15 Jahren ja dann doch sehr: Brille, Bart, Haarfarbe, Haarlänge,
Haarausfall – und natürlich gibt es mittlerweile
ein halbes Zentnerchen mehr von mir.
(Fürs Wiedererkennen rate ich ein paar Zentimeterchen hochzuscrollen;
da oben gibt es ein paar erschreckende Dokumente aus den 80ern
zu sehen.)
Wenn ich dann aber per Mail detailliert darlege, von wann
und wo wir uns kennen, erwarte ich, dass man mich flugs hinzufügt!
Und selbst wenn man sich nicht erinnert: Spätestens
jetzt kennen wir uns – und wem wäre es keine
große Freude, mich auf seiner Bekanntenliste zu haben?
Wie es sich bei Online-Communitys gehört, muss ich natürlich
auch ein paar mehr oder weniger sinnfreien Gruppen beitreten,
beziehungsweise diese zunächst selbst gründen. Als
ich die Gruppe »Mettbrötchen mit dick Zwiebeln«
fand, stellte ich fest, dass der Gründer das Bild von
meiner Homepage geklaut hat!
Sollte ich mich nun geehrt fühlen – oder einen
Abmahnanwalt hinzuziehen?

Die Corpora delicti waren lecker. Natürlich wollte ich wissen,
wie diese – und ein paar andere Mettgruppen –
ausgerechnet zu meinem Brötchenphoto kommt. Google
weiß es: Wenn man dort nach Mettbrötchen
sucht, stehe ich auf Rang eins, noch vor Marions Kochbuch,
dem allgegenwärtigen.

Freitag, 29. August
Happy Birthday, Diana!
Destination unserer Kursfahrt vor ziemlich genau zwanzig
Jahren war Prag, die »Goldene Stadt«, wie
die Reiseführer, oder »Prahanesenland-Hauptstadt«,
wie die jugendliche Reisegesellschaft sagte.
Damals, 1988, gab es noch den Eisernen Vorhang. Ui, spannend!
Erst kam die deutsche Grenzkontrolle, dann die tschechoslowakische.
Man riet uns albernen Adoleszenten im Vorfeld, während
der Kontrolle lustige Kommentare tunlichst zu unterlassen
und bitteschön einmal, einmal im Leben die Schnauze zu
halten, es könnte sonst länger dauern, bis wir böhmische
Knödel zu sehen bekommen würden. Wir taten wie uns
geheißen.
Jedoch: Einen Kilometer weiter zeigte der Ostblock seine
grimmige Fratze: Ein einzelner Grenzer mit MP im Anschlag
hielt den Bus an:
»Du haben Limonade?«
Betretenes Nicken des begleitenden Lehrkörpers.
»Ich haben Passierschein – wir machen Tausch!«
Die Eskalation dieser größten Krise zwischen
den Blöcken seit der Invasion in der Schweinebucht konnte
mittels bereitwilliger Aushändigung einer Büchse
Flirt-Limo unblutig abgewendet werden, Aldi sei Dank.
Der Bus hielt auf der Fahrt nach Prag noch einmal kurz an,
um einen finstren Passagier aufzunehmen. Darauf hatte man
uns vorbereitet. Der offizielle Wechselkurs zwischen D-Mark
und Kronen war eins zu vier, und man musste einen bestimmten
Betrag zwangsumtauschen. Der Herr im dunklen Mantel offerierte
uns jedoch einen Tausch im Verhältnis eins zu zwanzig,
so dass uns in der Folge beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen
in der ČSSR die Dollarzeichen im Auge rotierten.
Alles jedoch konnte man nicht erwerben. Die Orangenhaine
in den sozialistischen Bruderstaaten beispielsweise waren
rar gesät, so dass vitamintechnisch DDR-Wochen angesagt
waren. In einem urigen Jazz-Club gab es gar nur Alkohol zu
kaufen, maximal Cocktails. Nach ein wenig Diskussion und gegen
einen saftigen Aufpreis bekam ein Abstinenzler unter uns aber
auch Orangensaft pur (aus der 150-ml-Konservendose), aber
Preise waren wegen des grauen Wechselkurses ja eher symbolisch
zu verstehen.
U Fleků ist eine der typischen Prager Kneipen gewesen.
(Heute soll es aufgrund seiner Bekanntheit nur noch eine überlaufene
Futterkrippe sein, vor der die Touristen busseweise abgekippt
werden.) Das dort gebraute dunkle Bier mit einer Stammwürze
von 13° war sehr lecker. Und sehr billig: Umgerechnet
80 Pfennig für den halben Liter – und dann hat
unser Lehrer auch noch den Deckel übernommen.
Rede ich hier nur vom Geld? Tz. Kultur war natürlich
auch massig da, Gotik und Barock, wohin man nur sah. Aber
so ist das nun mal mit uns Kapitalisten.
Nach
dem U Fleků kehrten wir noch in der Hotelbar auf ein
paar hochprozentige Betthupferl ein. Im bedudelten Kopf habe
ich tatsächlich eine Schachtel Sparta bestellt
und weggepafft – ein übles Kraut, wie mir langjährige
Kettenraucher einhellig bestätigten.
Rächen sollte sich das am folgenden Tag beim sonnendurchfluteten
Geschaukel auf der Moldau. (Vielleicht verfluche ich deshalb
die Straßenmutanten besonders, wenn sie Smetana fiedeln.)
Unbegreiflicherweise hatte ich auf der Reise keine Kamera
dabei! (Gut, ich hätte mir für ein paar Krönchen
eine kaufen können. Mit zeitungsdünnem Papier fürs
Photolabor habe ich mich jedenfalls eingedeckt.) So konnte
ich keine Bilder machen von den ganzen schönen Bauten.
Ein paar Bleistiftskizzen habe ich immerhin lieblos in den
Zeichenblock geschmiert:

So konnte ich auch nicht Manfred Krug knipsen, den wir im
Hotel Interconti in vivo trafen. (Hui, war der sickig auf
den Kellner, der nicht clairvoyant ahnte, was er Mannis Ansicht
nach suā sponte tun sollte. Fast so sickig wie die Telekom-Aktionäre
zwanzig Jahre später auf ihn.) Ihn zu zeichnen war nicht
genug Zeit, ich heiße ja nicht Oskar. Dafür zeichnete er,
und zwar sein Autogramm in meinen Block, den mein Gefährte
ihm unter die Nase hielt. Den Durchschlag kann man im entsprechenden
Streiflicht heute noch sehen:

Auf der Rückfahrt saß der begleitende Lehrer auf
heißen Kohlen. Es stellte sich nämlich heraus,
dass das Herzchen von Busfahrer den Laderaum des Busses zwecks
späterer gewinnbringender Veräußerung vollgerammelt
hatte mit Kartons voller Krimsekt. Glaubte der im Ernst, die
Zöllner wären taub, blind und stumm? Natürlich waren
sie das nicht und entdeckten die weißen Kisten, über
die nur notdürftig ein paar Koffer drapiert waren. Zum
Glück ließen sie sich davon überzeugen, dass
der Inhalt runtergerechnet auf die gesamte Besatzung ein illegales
Maß nicht überstieg. Zum Glück schauten sie
nicht auch noch in die einzelnen Koffer, die selbstverständlich
vollgepfropft waren mit spottbilligen Mitbringseln sozialistischer
Fabrikation …
Sonntag, 31. August 2008
Immer noch etwas eifellastig, aber 121:

ROMANES EUNT DOMUS!
Schwanzus Longus |