[Für die
Dazugekommenen: Wir befinden uns im Urlaubstagebuch Mallorca,
angefangen hatte es hier.]
Samstag, 1. März 2003
Diada de les Illes Balears – Tag
der Balearen, ergo Feiertag. An Feiertagen haben die meisten
Läden etcetera zu. Kennt man ja. Die einzige, die das
nicht zu wissen scheint, ist unsere Animateuse. So wurde aus
unserer Fahrt zu zwei Wochenmärkten kurzerhand ein Ausflug
in die nähere Umgebung: Anouk fuhr mit uns zur Kirche
von Santanyi mit Privateinlaß, nach Cala Figuera und
nach Cala Mondragó mit ihren herrlichen Buchten. (Die
Buchten der Calas, nicht die von Anouk!) Felsen, Wasser und
Himmel. Daß sie pittoresk sind, spare ich mir zu sagen.
Was sollen sie sonst sein?
Im
Moment sitze ich im Café vorm Hotel und verspeise stolz
meinen ersten komplett beim camarero auf spanisch bestellten
café con leche y pastel de piña. (Wen
interessiert’s, ich weiß.)
Heute scheint Bettenwechsel zu sein, wie man in der Reisebranche
sagt. Beim Frühstück waren die Reihen schon sehr
gelichtet. Vor allem war es recht ruhig, kaum Kindergeplärr.
Mein Gott, vermisse ich es etwa schon?
Nun ziehen andauernd hyperaktive Rentner oder Kleinfamilien
ihre Trolleys zur Recepción. Ich schaue die Neuankömmlinge
genauso entgeistert an, wie wir vor drei Tagen von den Alteingesessenen
angestarrt worden sind. Das ist guter Brauch, das macht man
so.
In irgendwelchen Bundesländern müssen längere
Ferien sein, denn die Kinder sind meist im schulpflichtigen
Alter. Größere Kinder haben den Vorteil, daß
man sie nicht so leicht schlaftrunken am Frühstücksbüfett
platttritt …
Für
wen’s interessiert: Das Wetter wird täglich besser.
In der Sonne ist es lecker warm und gegen die gelegentliche
Abkühlung durch vorbeiziehende Wolken habe ich ja Isolation
durch meine bekannt stabile Durchblutung.
Wenn ich gerne ins Meer ginge, wäre das selbst mir etwas
zu kalt und aufbrausend. Im Moment trauen sich das nur die
Knirpse, die sich bis zu den Waden ins Wasser wagen und dann
ganz schnell wieder rausrennen. Mehrmals hintereinander …
Lieber schaue ich mir die Gischt an den zerklüfteten
Felsen an. Heißt es eigentlich Gischt oder Gicht?* Oder
ich gehe ins hoteleigene Schwimmbädchen. Der Whirlpool
blubbert auch ganz schön.
[* Gischt nennt man das schaumige Gespritze. Gicht
ist die Stoffwechselkrankheit, die ich später mal in
die Finger kriege, weil meine Gelenke immer knacken …]
Aus der Rubrik »Falls Jauch mal fragt«: Dem
Mallorca-Magazin entnehme ich soeben, daß die Einwohner
von Palma Palmesaner heißen. Ich halte das ja
für Käse.
Sonntag, 2. März 2003
Vorsaison und Sonntag, nun es ist es doch arg ausgestorben.
Der publizistische Notstand nimmt bedenkliche Ausmaße
an: War in Ermangelung einer gescheiten Alternative schon
versucht, die BUNTE zu kaufen. Zum Glück gibt es hier
eine Menge Landschaft, die man begucken kann.
Was
mir an den zahlreichen Fincas in ebendieser Landschaft auffällt:
Hier heißen wahnsinnig viele Leute Privado …
Montag, 03.03.03
Daschamal ein nettes Datum. Heiratet heute wer? Müssen
dann wohl Karnevalisten sein. »Weißt Du noch,
damals am Rosenmontag 2003 …« Ach, wär’
ich nur ein einzig’ Mal ein schmucker Prinz im Karneval,
dann wärest Du Prinzessin mein …
Karneval feiert man auch hier. Jedenfalls sehe ich seit drei
Tagen eine etwas angejahrte Frau im immer gleichen Outfit:
gut gefüllte Leopardenleggings, aprikosenfarbenes T-Shirt
mit Motivdruck, türkisgrüne Strickweste, tiefschwarz
gefärbte Haare und eine Brille aus Glasbausteinen.
Ich
wußte gar nicht, daß Tiere auch Karneval feiern
und zwar mit einer zünftigen Polonaise. Zur Zeit grassiert
auf der Insel eine Plage der Prozessionsspinnerraupen.
Die
heißen so, weil sie wie am Schnürchen gezogen hintereinander
durch die Lande ziehen und die Bäume kahlfressen.
In den Pinien kann man viele ihrer faustgroßen Kokons
sehen, wie mit Zuckerwatte überzogen. Das Mallorca-Magazin
berichtet, daß gegen diese Schädlinge mit Chemikalien
oder gezielten Schrotladungen vorgegangen wird. (Sozusagen
mit Kanonen auf Spatzen schießen.)
Das Verhalten dieser Biester folgt anscheinend zwei Regeln:
1.) »Mach dich auf die Suche nach was zu beißen«
und 2.) »Hast du einen anderen vor dir, dann folge ihm.«
Ich hätte die ja gerne mal gestört. Damit wären
sie wohl noch parat gekommen. Wenn die Kette unterbrochen
ist, warten die Vorderen brav, bis die Nachzügler aufgeschlossen
haben. (Und wenn ein unachtsamer Spaziergänger den ersten
verletzt, überlässt dieser seinem Ersten Offizier
die Führung und reiht sich hinten ein.)
Doch faszinierender wäre es, die Tiere in Kreisform
zu bugsieren, hihihi … Dann laufen die Würmchen
erstmal eine Weile im Kreis und können keine Bäume
kahlfressen. Mit dieser Manipulation würde man sich eine
Menge Schrot und Chemie sparen. Jedenfalls bis die ersten
verhungern.
Da ihre Haare jedoch brennen (Ameisensäure, CH2O2), sollte
man sie besser nicht berühren.
Dienstag, 4. März 2003
Wir sind eine Woche zu früh dran: Heute fing der Wirt
des Polynesischen Restaurants an, seinen Laden fürs Sommergeschäft
zu rüsten!
Mittwoch,
5. März 2003
Hui, und schon heißt’s wieder Abschied nehmen.
Zum Abschluss wollten wir Tapas essen, diese kleinen Zwischenmahlzeiten.
Von der Tapas-Bar am Anfang der Avenida Tagomago kann ich
aber nur abraten. Wir hatten diese Bar gewählt, weil
dort Einheimische saßen und aßen. Die werden wohl
wissen was gut ist. Ein Fehler! Das Essen war zwar in Ordnung,
doch der Preis horrend. Dummerweise hatten wir beim Bestellen
(durch Zeigen auf die vorbereiteten Düppchen) nicht gefragt,
was der Spaß kosten soll. Der Wirt wird sich gedacht
haben: »Hey, da kommen Touris, jetzt wird Geld verdient!«
Donnerstag, 6. März 2003
Der Waage schreckliche Wahrheit: Bringe 2,5 Kilo Übergepäck
mit …
Über eine Woche offline, ich war gespannt auf meine
Mails. (Das Internet-Café Cala D’Or hatte natürlich
auch zu.) Und wie ich befürchtet hatte: Von 87 Mails
waren 80 (!) erstklassiger Spam. Unter den restlichen waren
drei persönliche Nachrichten, ein Spitzennewsletter und
drei dämliche Weiterleitungen, also eigentlich auch Spam.
Wer meine eMail noch hat, halte sie in Ehren, demnächst
tilge ich sie von allen Internetseiten!
Samstag, 8. März 2003
Warum zum Teufel vergeht kein Tag, an dem man nicht irgendetwas
von Dieter Bohlen hören, sehen oder lesen muß?
Mir geht der Vogel langsam auf den Sack. Ich höre, der
wohnt in Tötensen. Keine schlechte Idee …
Mittwoch, 12. März 2003
Auf der gerade zu Ende gegangenen Internationalen Tourismus-Börse
sagte ein Sprecher der Eifel-Touristik, er sei zufrieden mit
dem Stand der Buchungen, doch er erwarte noch starke Nachfrage
wegen der Billig-Airlines in Hahn und Köln. Mit dem Flieger
in die Eifel? How stupid can you get? Den Touri möchte
ich sehen, der für neun Euro nach Hahn fliegt und sich
dann dumm und dusselig zahlt für einen Mietwagen, weil
er sonst nirgends hinkommt.
Donnerstag, 13. März 2003
Die amerikanische Bockigkeit, weil andere Staaten sich eine
eigene Meinung leisten, wird immer krasser. Nicht nur Bushs
Kriegerclique, langsam aber sicher titschen sie alle aus.
Nun wollen sie aus Protest gegen Frankreich ihre Fritten –
bisher French Fries – umbenennen. In Freedom
Fries! Ach so: Die Amis sind deshalb so fett, weil sie
so freiheitsliebend sind.
Bin gespannt, was sie aus French-kissing und -polish
machen.
Aber noch mehr bin ich gespannt, wann sie die Freiheitsstatue
sprengen, weil sie bemerken, daß das ein französisches
Geschenk war.
Ich renne zwar wieder einem Bestsellertrend hinterher,
doch »Stupid White Men« ist obwohl schon
vor knapp zwei Jahren geschrieben noch immer ein Lese-Tipp.
Michael Moore legt unter anderem noch einmal dar, daß
dieser George W. Bush eigentlich niemals zum Präsidenten
gewählt wurde (wir erinnern uns, Auszählung in Florida),
daß seine Regierungsmannschaft alte Kumpel seines Daddys
sind und noch dazu verflochten mit allen möglichen Industrien.
Wahlbetrug, Vetternwirtschaft, Todesstrafe, Massenvernichtungswaffen
– wann schickt die UNO eigentlich mal Beobachter und
Blauhelme dahin?
Freitag, 14. März 2003
Nanu, Premiere analog ist vom Astra-Satelliten verschwunden.
Schade, denn ich kannte das Geheimnis, wie man es für
umsonst entschlüsseln konnte. Indem man nämlich
mit einem Küchensieb gaaanz schnell vor dem Bildschirm
hin und her gewedelt hat …
Eine bitter notwendige Innovation präsentiert uns das
Süßwarenregal: Smarties mit Gummibärchen drin.
Ich bin gespannt, wann man noch Chips und Cola mit hinein
packt – dann entspräche das Ganze exakt der Mischung,
die man früher auf Klassenfahrten im Mund hatte, noch
bevor der Bus vom Schulhof gefahren war.
Samstag, 15. März 2003
Erasure, das Relikt der Plastikmucke aus den 80er Jahren,
covert Solsbury Hill vom Peter. Vince Clarke spielt
tapfer Akustik-Gitarre, doch hören tut man davon nix.
Es zeigt mal wieder: Einen guten Song kann man nicht kaputtmachen.
Donnerstag, 20. März 2003
Als im Frühstücksfernsehen die Wetterkarte des
Irak gezeigt wurde, wußte ich sofort, daß es nun
soweit ist. Golf-Krieg, Teil drei. Bette Midler kam auch schon
im Radio.
Wenn ich George Bush nur sehe, kriege ich das kalte Kotzen.
Daher konnte ich ihn auch nicht hören, wie er heute morgen
wohl gesagt hat: »Laßt uns die Demokratie in
die Kameltreiber reinbomben, wie mir Gott befohlen hat!«
Der Irak wird also endlich befreit. Hauptsächlich allerdings
von seiner Bevölkerung. Ich könnte mir vorstellen,
daß viele Iraker gar nicht frei sein wollen. Sondern
lebendig.
Es erwarten uns nun jeden Tag Sondersendungen, in denen gemutmaßt
wird, wie es gerade steht. Wie bei der WM. Und Peter Scholl-Latour
wird auf allen Sendern sein, um uns wenigstens ein bißchen
Überblick zu verschaffen.
Aus dem Pentagon wurde mir folgendes Bedrohungsszenario
zugespielt, mit dem die amerikanische Führung ihren »Präventivkrieg«
begründet. Und mit dem sich die Bush-Krieger demnächst
vor dem Kriegsverbrechertribunal verteidigen können:

Zwei Fragen hätt ich noch:
– Warum wird Saddam Hussein im Fernsehen immer nur mit
Vornamen genannt?
– Warum sprechen die Journalisten Saddam immer Sa-damm
aus?
Da ich keine Lust habe, hier ein Kriegstagebuch zu führen,
halte ich bis auf weiteres zu dem Thema die Klappe. Auch wenn
Warblogging
jetzt laut SPIEGEL ONLINE ein Trend sein soll.
Give Peace a chance! 
Bis nach dem Krieg
um sechs im »Kelch«
TL, Obergefreiter KDV a.D. |