Präambel:
Modem-Surfer, bitte Kaffee kochen gehen!
Donnerstag, 1. Mai 2008
An dieser unerwarteten Begrünung in meinem Domizil erkannte
ich: Es ist Schaltjahr!
Vor lauter Merkeleien gestern habe ich doch glatt einen
wichtigen Geburtstag vergessen: Happy 15th Birthday, WWW!
Freitag, 2. Mai 2008
Trauma der Schulzeit: Bundesjugendspiele. Zum Glück
habe ich nur photographiert. Warum gibt es eigentlich keine
Bundesmalwettbewerbe? Dabei hätte ich laufend Ehrenurkunden
mit Sternchen geholt.
Die heutige Jugend ist alles andere als kamerascheu: Bevor
der Ball geworfen wird, wird schnell noch geguckt, ob der
Onkel mit der Kamera auch draufhält!

Samstag, 3. Mai 2008
Spam allerdings gibt es schon länger als das Web, seit
auf den Tag genau 30 Jahren.
Und wer hat's erfunden? »Spam, Spam, Spam, …«
Weinfest in Burtscheid:

Montag, 5. Mai 2008
Nooobody expects the Spanish Inquisition!
Happy 65th Birthday, Michael Palin!
Mittwoch, 7. Mai 2008
Mindestens dreimal in der Woche verfluche ich im Büro
die Errungenschaften der modernen Welt. Also nicht diejenigen
im Büro, sondern jene davor:
Denn das halbstündige Getöse des Straßenreinigungsduos
aus Laubbläser und Kehrmaschine ist eine Nerverei von
eukalyptischem Ausmaß. Erst kommt der Blasemann und
jagt mit seinem Rüssel imaginären Unrat in den Ecken,
dann naht der Saugewagen und schnorchelt in der Fläche
alles – beziehungsweise nichts! – in sich hinein.
Wenn das Gespann dann doch mal fündig wird, handelt es
sich meist um drei Blätter Laub pro tausend Quadratmeter,
die fünf Minuten später doch wieder an gleicher
Stelle liegen – wir müssen uns Sisyphos als einen
glücklichen Menschen vorstellen. Und den hochgewirbelten
Staub, den der Wagen nicht schlucken kann, schlucken die Passanten.
Es heult doch heutzutage sonst alles wegen Energieverschwendung
und Feinstaubbelastung laut auf: Bei diesem verfahrenen Verfahren,
das mehr Dreck produziert als es beseitigt, ließe sich
trefflichst sparen und schonen.

Ich bin befugt, hier Handarbeit anzumahnen, denn ich habe
in meiner Jugend mehrmals von Hand den Kirmesplatz gefegt.
(Lästige, aber befriedigende Arbeit: An den Losbuden
hat man wenigstens gesehen, wo man schon gewesen ist. Blöd
war nur, wenn Regen die Nieten zu buntem Pappmaché
verkleistert hatte.) Wir kehrten mit diesen praktischen Gebrauchsgegenständen
zum Beseitigen von Schmutz von Böden, mit Stiel, Querholz
und Borsten, sach- und fachgerecht bedienbar auch ohne Hauptschulabschluss.
Mit Besen eben. Gibt es die überhaupt noch?! In die Ecke,
Besen! Besen! Seid’s gewesen.
Donnerstag, 8. Mai 2008
Happy 70th Birthday, Hans!
Freitag, 9. Mai 2008
Morgen feiert mein Onkel seinen Geburtstag – das weiß
er aber noch nicht …
Seine Familie hat ihm nämlich eine Überraschungsfete
organisiert und die hundert engsten Freunde eingeladen. Gestern,
auf den Tag, waren wohl nur wenige Gratulanten anwesend, und
man hat ihn damit angeflunkert, dass – leider, leider
– wohl alle anderen schon im verfrühten Pfingsturlaub
wären.
Für morgen rechnet er daher nur mit einem romantischen
Candlelight-Dinner zu zweit – plausibelste Begründung,
warum er sich den Abend freihalten und etwas Schickes anziehen
soll.
(Was ein Glück, dass ich das hier erst am Monatsende
online stelle …)
Vielleicht ahnt er ja doch etwas – 70 Dienstjahre auf
diesem Planeten bereichern den Erfahrungsschatz ungemein.
Zu diesem Zwecke machen wir uns bereits heute auf gen Kassel/Lohfelden,
ohne Kosten (erstmals Sprit für einsfünfzig, wir
waren dabei!) und Mühen (A544, A44, A46, A57, A1, A44
und A7 an einem Pfingstfreitag!) zu scheuen.
Es kann einem schon mulmig werden, wenn der Radiodienst
nur noch die Staus ab acht Kilometern meldet …
Die Unbill hielt sich erfreulicherweise in Grenzen, vier
Komma nochwas Stunden ist in Ordnung – zu gleicher Jahreszeit
habe ich auch schon mal sechs Stunden für die 300 Kilometer
gebraucht. Stau ist nur hinten doof – vorne geht´s.
Es hat sich anscheinend ausgezahlt, dass ich morgens noch
kurz Thérèse von Lisieux besucht habe, die gerade
auf Tournee in St. Foillan gastiert.
Damit sich die Fahrt auch lohnte, sind wir einen Tag vor
dem Fest angereist und werden auch einen weiteren Tag bleiben,
um touristischen Errungenschaften zu nutzen.
Ich kenne das Kasseler Land eigentlich nur im Mai, daher
gehe ich davon aus, dass ganzjährig dieses herrliche
agrikulturelle Patchwork aus rapsgelben Feldern vorherrscht.
Am frühen Abend erreichten wir unser
Hotel, das Motel One, mit grandioser Sicht auf die
A7, auf der irgendwann gar nichts mehr ging.

Motel erinnerte mich sofort an Bates-Motel. Norman war aber
nicht da, wahrscheinlich was für Muttertag besorgen.
Dafür jedoch ein seelenloser Automat als Concierge. Früher
gab's mal Schlüssel an der Rezeption, dann diese Chipkarten,
die man nur in einer von sechzehn möglichen Richtungen
mit standardisierter Geschwindigkeit durch den Kartenleser
an der Tür ziehen darf, und nun nur noch schlichte Zahlencodes,
742829.
Von Lage und Licht hatte das Ganze etwas von einem Mallorca-Urlaub.
Wie auf Malle-Ost liegt die Hütte im Gewerbegebiet mit
notdürftig befestigten Straßen ohne Trottoir, fernab
von der heimischen Bevölkerung, mit Baustellen vor der
Haustür, dafür fast ohne Infrastruktur.
Damit wir uns recht verstehen: Als die Sonne so unerwartet
warm die staubige Landschaft erleuchtete, kam Urlaubsstimmung
auf.
O.K., der Strand war was weit weg …
Zur Stärkung kehrten wir in der Nachbarschaft bei IKEA
ein, auf Köttbullar und Mandeltorte. (Wieso eigentlich
ausgerechnet Mandeln? Die Exportschlager Schwedens sind doch
Olivenöl und Rotwein, oder?!) Es war das erste Mal, dass
ich in einem deutschen IKEA war. Für mich ist das eine
niederländische Möbelfirma, weil ich nur den Laden
in Heerlen kenne.
Samstag, 10. Mai 2008
In Kassels Innenstadt war Stadtfest. Die Straßenbahn
war von der Straße verbannt, dafür reihten sich
Jahrmarktsfahrgeschäfte an Frittenbuden, Asiasnacks und
Dönerstände – aber weit und breit war keine
Ahle Worscht (nordhessische Spezialität) zu haben!
Dann kann man ja auch gleich zu Maredo unterm Rathaus gehen.
Haben wir getan. Das Steak-mit-Salat-Angebot ist frugal aber
erlesen. Wobei: Das einzige, was ich vom Salatbüffet
nicht genommen habe, war Salat.

Nach dem Besuch der Martinskirche gingen wir weiter zur Lutherkirche.
Ich sagte meiner entzückenden Begleiterin noch, sie brauche
sich mit ihrem Apfel nicht zu beeilen, in einer evangelischen
Kirche dürfe man bestimmt essen …
Wie ketzerisch – und wie wahr: Denn die Lutherkirche
besteht seit dem Oktober '43 nur noch aus dem Glockenturm.
Darin residiert recht profan-sakral das Café
Luther, und wo einmal das Hauptschiff war, ist jetzt dessen
Außengastronomie. (Die eigentliche Kirche steht in unscheinbarer
Bunkeroptik einer Gesamtschul-Mehrzweckhalle direkt daneben.)

»Herr Pastor, darf ich beim Beten rauchen?«
–
»Nein, natürlich nicht!« –
»Darf ich denn beim Rauchen beten?« –
»Äh …«
Nachmittags nahmen wir an einer Stadtrundfahrt teil –
ja liebe Kasseler, Kasselaner und Kasseläner, so was
kann man bei Euch machen!
Unser Stadtführer war ein Student und hörte auf
den sympathischen Namen Thomas Lange. Von ihm stammt –
neben ein paar altväterlichen Kalauern – auch die
hilfreiche Erkenntnis: Wenn man in Kassel etwas sieht und
nicht versteht, handelt es sich zu 99 Prozent um ein Relikt
vergangener Dokumentas, mithin um Kunst.
Höhepunkte der Rundfahrt:
• Das Wahrzeichen Kassels ist bekanntermaßen
ein … Gerüst?! Nein, der Herkules oben auf der
Wilhelmshöhe. Dummerweise wurde der gerade renoviert.
Und das nicht zum letzten Mal: Man hat die Pyramide und das
Oktagon im achtzehnten Jahrhundert aus einfach verfügbarem
Basalt-Tuffstein gebaut. Da hat der Zahn der Zeit leicht beißen.
Aber seinen hinabgeworfenen Pickel (Kunst!) am Fuldaufer konnten
wir besichtigen.
• Im Bergpark Wilhelmshöhe gibt es wie zuhause
auch eine Löwenburg, eine Ritterburg von 1801. Ritter
um 1800?! Hab ich in Geschi echt nur geschlafen? Nun, die
Burg wurde direkt geplant und errichtet als mittelalterliche
Ruine – um zu strunzen, auf wunders was für eine
bewegte Vergangenheit man zurückblicken könne, während
sie im Innern ausstaffiert war wie ein barockes Lustschlösschen.
• Allgegenwärtig plakatiert ist derzeit »König
Lustik?!«, man kann sich auch als er photographieren
lassen. Diese Aktion gilt Jérôme Bonaparte, dem
jüngsten Bruder Napoleons, der von 1807 bis 1813 in Kassel
das neugeschaffene Königreich Westphalen regierte. Sein
Name war wohl Programm, denn er feierte lieber als zu regieren.
Sein Name rührt auch daher, dass er nur drei deutsche
Wörter beherrschte: »Lustik, lustik, morgen
wieder lustik.« Nur drei deutsche Wörter in
sechs Jahren Amtszeit? – Für einen Franzosen eine
ganze Menge …
• Im Marmorbad der Orangerie in der Karlsaue gibt und
gab es interessanterweise keinen Wasseranschluss, sondern
nur: Marmor. Einmal hat sich oben erwähnter Potentat
die Wanne dann doch zum Bade füllen lassen, und zwar
standesgerecht mit Wein. Der Weinhändler war nicht dumm
und hat den Wein anschließend wieder auf Flaschen gezogen.
Es heißt, es sei eine Flasche mehr dabei herausgekommen
als vorher … Sehr lustik.
• Die bekannteste Errungenschaft, das Kasseler mit
Sauerkraut, ist überhaupt keine Kasseler Spezialität,
sondern bloß nach dem Berliner Metzger Cassel benannt.

Abends dann: Überraschung! Der arglose Onkel wurde
also in den Löwenhof in Lohfelden gelockt, wo ihn knapp
100 Freunde, Bekannte, Verwandte und sonstige Gefährten
mit einem Ständchen begrüßten. Eine logistische
Meisterleistung des Organisationskomitees, kein Gratulant
hatte sich im Vorfeld verplappert und der Jubilar hatte nichts
geahnt. Er erwies sich auch zu Beginn seines 71sten Lebensjahres
keinesfalls als sprachlos, sondern schwang sich nach kurzer
Schrecksekunde zu einer Rede auf, um die Gäste zu begrüßen
und einander vorzustellen, darunter Diplomaten, MdBs, Honoratioren
und meine sich schon bei anderer Gelegenheit als äußerst
talentiert erwiesen habende juvenile Kameraassistentin. (Dieser
Löwenhof ist eine umgebaute Scheune, edel, geräumig,
jedoch mit miserablen Lichtverhältnissen. Ich habe mir
einen ziemlichen Stiefel zusammengeknipst.)
Zur allgemeinen Kurzweil war eine Dreier-Combo engagiert
worden, die von Tisch zu Tisch zog und Melodeien aus einer
Zeit vortrug, als die Welt noch eine Vinyl-Scheibe war. Damit
die Peinlichkeit der Belustigung wich, stellten die Jungs
von »Sangeslust« vor jedem Lied ein kleines musikalisches
Rätsel, mit dessen Lösung sich das Auditorium ein
Schnäpschen verdienen konnte.
Da wurde mir wieder einmal klar, was man für einen Mist
im Kopf mit sich rumschleppt. Jahrzehntelang wusste ich gar
nicht, dass ich es wusste, und plötzlich ist die Kenntnis
von Jackie Wilsons nervigem Hit »Reet Petite«
auf einmal gut für einen Williams Christ! (Genau das
Richtige nach all den Lustbarkeiten vom Büffet.)

Sonntag, 11. Mai 2008
Am Morgen darauf trafen sich die Überlebenden zum launigen
Ausklang im Garten des Jubilars zum Brunch.

Nachmittags setzten wir unser Touri-Programm fort, im Ahnepark
in Vellmar mit unserem Mainzer Stadtführer aus dem letzten
Jahr.

Montag, 12. Mai 2008
»Mit Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht
Hamburg entschieden, dass man durch die Ausbringung eines
Links die Inhalte der gelinkten Seite gegebenenfalls mit zu
verantworten hat. Dies kann – so das LG – nur
dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich
von diesen Inhalten distanziert.«
Wieso linke ich denn darauf, wenn ich mich eigentlich davon
distanzieren will?! Seit nun zehn Jahren geistert dieser Unfug
millionenfach durchs deutsche Netz. Glückwunsch, Copy
und Paste!
Mittags Weiterfahrt nach Arnsberg, wo ein weiteres Kamerakind
die kleine Canon sehnsüchtig erwartete.

Ich
glaube ja weniger, dass die Warnung auf diesem Schild zur
körperlichen Unversehrtheit der Passanten beitragen,
sondern vielmehr den gemeinen Mob vom unumzäunten Grün
fernhalten soll …
Donnerstag, 15. Mai 2008
Neues von Peter: Laut der Aachener
Zeitung wird die Weltpremiere des Albums »Big Blue
Ball« mit Peter Gabriel am Mittwoch, dem 11. Juni, um
17 Uhr im Aachener Ludwig Forum stattfinden.
Eintritt frei, keine Anmeldung – das wird ein hübsches
Hauen & Stechen … (Ich würde ja auch was dafür
zahlen, Seele oder so.)
Montag, 19. Mai 2008
Dem Armutsbericht der Bundesregierung zufolge ist jeder achte
Deutsche von Armut bedroht. Da ist Franjo Blubb noch gar nicht
mitgezählt. Übrigens: Ob man 27 Mio Schulden hat
oder 27 Mio Guthaben – der Lebensstil sieht nicht viel
anders aus. Armut ist Definitionssache. Ein gewisser Trost
für ihn immerhin: Beati pauperes in spiritu.
Dienstag, 20. Mai 2008
Nachtrag zum Armutsbericht: Die geplante Diätenerhöhung
für Bundestagsabgeordnete fällt bis auf Weiteres
nun doch aus. Grund: »Eine Erhöhung war der
Bevölkerung nicht vermittelbar.« Ach was: Jetzt
ist die Bevölkerung schuld? Hätte man bessere Ausreden
gefunden, hätte man es durchgezogen?!
Gerne würde man die Bezüge an der Entlohnung von
Bundesrichtern ausrichten. – Nur so eine Idee: Warum
werden die Diäten nicht an die Einkommen des Volkes gekoppelt?
Mittwoch, 21. Mai 2008
Die spannenden Vorwahlen der amerikanischen Demokraten gehen
auf die Zielgerade. Gähn. Nach der Wahl in den wichtigsten
346 Staaten sieht es so aus, als dürfe Barack Obama gegen
Fritte McCain ins Rennen ziehen.
Für die USA selbst mag die Entscheidung ja eine gewisse
emotionale Symbolkraft haben, dem Rest der Welt darf ich versichern:
Es wird auf jeden Fall ein amerikanischer Präsident sein.
Wer jetzt meint, es gäbe nur 50 US-Bundesstaaten, kennt
bloß noch nicht diese hier:
Alazona, Ariana, Arkanchusetts, Connectaware, Delada, Florimont,
Georginia, Idanois, Illiginia, Indiginia, Iowgon, Kalirado,
Louisissippi, Marytucky, Michiland, Missikota, Nebralaska,
Nevabama, Nevalina, New Hampka, New Jerming, New Mexington,
North York, Oklahio, Oresey, Rhode Dakota, South Carossee,
South Dassippi, Texonsin, Utana, Verticut, Virtucky und Wyosylvania.
»O Pardon, sind Sie der Graf von Luxemburg?«
– »Nein, der Großherzog!«
Wir waren schon wieder unterwegs als Touristen. Nachmittags
ging es ab in ein befreundetes Großherzogtum. Nein,
nicht zum Tanken, sondern vielmehr für Kunst, Kultur,
Geschichte, Städtebau, Architektur, Völkerverständigung
und den Europäischen Gedanken.
Außerdem kostet der Sprit nur 1,28 …
Auch wenn es nur hundert Kilometer von meiner Heimat entfernt
ist, und ich bis in die 80er hinein täglich den Schlagersender
Radio Luxemburg gehört habe: In Luxemburg-Stadt
bin ich noch nie gewesen. Dabei ist es sehr schön da,
eine Mischung aus klassisch, modern und Natur.

»Rue
de la Greve«, 2. September 1942 – was haben wir
denn da schon wieder angestellt …?
(Da war ein Generalstreik, initiiert von der luxemburgischen
Resistenz als Reaktion auf die Zwangsrekrutierung junger Luxemburger
in die Wehrmacht.)
Wagemutig sind wir gleich mitten rein in die Metropole gefahren,
auf der Suche nach einem Hotel für die Nacht. Treffsicher
landeten wir im Bahnhofsviertel, in dem das Mercure Luxembourg
Centre, das erstbeste Haus am Platze, ein Doppelzimmer
unter der Mansarde für uns frei hatte. Zimmerchen trifft
es wohl eher. »Eng, eng«, sprach der Fuchs.
Da muss man sich schon sehr liebhaben. Man weiß gar
nicht wohin mit seinem Koffer, seiner Tasche, seiner Erektion.
Sage einer, die Luxemburger wären so was wie Franzosen,
dann ist aber was los. Deren Betten jedoch haben sie! Eine
Liege für zwei, zu kurz, zu schmal, nur eine Zudecke
ohne Bezug – in Deutschland nennt man so was Tagesdecke.
Und gar nicht mal so billig: 109 Euro für die Nacht!
Angesichts der Bordsteinschwalben, Tabledance-Bars, Striptease-Lokale
und sonstigen Bumsbuden konnten wir schon froh sein, dass
wir nicht stundenweise bezahlen mussten …
Fernweh kommt auf. Denn das Hotel liegt – wie auch
eigentlich die ganze Stadt – in der Einflugschneise
des Flughafens. Aber halb so wild, die Flugbewegungen sind
überschaubar. Meine erste Flugreise hatte ich 1991 von
dort aus. Wie niedlich! Und was ein Kontrast, als ich anschließend
in Heathrow landete …

Luxair kann ich übrigens nur empfehlen. Die Stewardessen
vollbrachten Höchstleistungen, jedenfalls damals: Kissen,
Essen, Drinks, Gutsle, sowie Sonderwünsche – der
Vogel war keine Stunde in der Luft!

Donnerstag, 22. Mai 2008
Die werktätige Bevölkerung beweist, dass heute
hier kein Feiertag ist, und zeigt, wie toll sie baggern, bohren
und bauen kann. Vermutlich haben die rotlichtigen Nachtschwärmer
nur den Blaumann übergezogen. (Gestern war noch ein bisschen
Krawall wegen Fußball. Wer mag wohl gespielt haben?
Die Luxemburger Nationalelf? Also alle elf?) Jedenfalls
bewahrte uns die Baustelle vor der Hotel vor allzu langem
Müßiggang.
Für ein Frühstück wollte der Herr Mercure
zwölf Euro pro Person – was bitte sollte man für
soviel Geld frühstücken? Einen Eimer Kaffee, ein
Dutzend Croissants? Nix da, wir frühstückten aushäusig
beim goldenen M, das außer Klo und Fritten auch bezahlbaren
Kaffee verspricht.
Es herrscht weitgehend babylonische Sprachverwirrung, auch
wenn nicht in 72 Zungen gesprochen wird, aber fast:
Die meisten Schilder und Texte sind in Deutsch geschrieben,
reden tun die meisten Leute hingegen Französisch. (Mein
Französisch ist grausam, meine Begleiterin beherrscht
Französisch sehr gut.) Deutsch ist mir zu profan. Englisch
würde gegebenenfalls verstanden, ist aber eigentlich
unpassend. Beim Italiener hat Spanisch geholfen. Und zur Not
kommt man auch mit Portugiesisch weiter. Die romantischste
Variante – Lëtzebuergesch – sprach leider
kaum jemand: »Ech hun dëch gaer!«
Wie das Ansageband des Sightseeing-Doppeldeckers uns verriet,
leitet sich der Name des kleinen Großherzogtums von
Lucilinburhuc, später Lützelburg,
ab. Von dieser Burg ist nur noch die Ruine übrig, der
Bus-Kommentar nannte sie nur »steiler Zahn«. Ach
Quatsch, hohler Zahn muss es heißen – mit dem
steilen Zahn war ich ja unterwegs …
Die gemäß Stadtplan zu mutmaßende leichte
Orientierung ist schwer trügerisch. Laut Karte liegt
alles nahe beieinander – allerdings können mitunter
50 Meter Höhenunterschied dazwischen liegen. Ein Paradies
für Suizidanten. Zum Beispiel beim Bockfelsen, in den
man die Kasematten, unterirdische Gewölbe im Fels, besichtigen
kann. Mind your head, habe mir in einem niedrigen Gang ornslich
die Rummel gestoßen.
Ein Tipp für die Freunde feiner Pâtisserie und
Konfiserie ist das Café Oberweis. Bloßes Bestaunen
der kostbar-köstlichen Kleinode in der Auslage bereits
führt später auf der Waage zu einem Begräbnis
der Nadel. Allerdings auch hier: Mind your head, habe mir
in einem niedrigen Gang ornslich die Rummel gestoßen
…

Nach diesem Kurzausflug ins befreundete Ausland begannen
wir, uns die steilen Wingerte der Mosel entlangzuwinden. Wegbeschreibung
für Önologen: Klüsserather Bruderschaft,
Trittenheimer Altärchen, Piesporter Goldtröpfchen,
Brauneberger Juffer, Bernkasteler Doctor, Ürziger Würzgarten,
Kröver Nacktarsch, Burger Hahnenschrittchen, Zeller Schwarze
Katz und Nierensteiner Schädelspalter.
(Warum muss ich jetzt an dieses alte bulgarische Lied denken,
das einzige, was den Weißwein preist: »O Weißwein,
o Weißwein, warum bist du kein Rotwein?«)
Ein Schild bei der Ortseinfahrt Trittenheim weist stolz
darauf hin, dass die Deutsche Weinkönigin der Saison
'91/'92 von hier stamme. Heute ist sie wohl eher schon Königin
Mutter …
Station für die Nacht machten wir in Bernkastel-Kues.
Da wir bei kleineren, pensionsartigen Hotels eine Absage erhielten,
fragten wir kackfrech im Hotel »Drei Könige«
nach. (Wer je in Bernkastel war: Das ist dieser morbid-mondäne
Kasten auf Kueser Seite gleich neben der Brücke.)
Man hatte auch ein Zimmer für uns frei. Was ein Kontrast
zu gestern: 95 Euro inklusive Frühstück für
zwei, Balkon mit unverbaubarem Blick auf die Mosel, hohe Decken,
dunkle Möbel, Brokat und Damast, Stofftapete, Paradekissen,
Bibel im Nachtschrank – so hat man in den 50ern residiert.
Nur der flache Fernseher stellte einen Stilbruch dar.
Auf jeden Fall war genug Platz für Koffer, Taschen und
…

Freitag, 23. Mai 2008
Sehr zuvorkommend, die Bernkastel-Kueser hatten in den Aachener
Farben geflaggt. Wohlgeruht erklommen wir als bescheidene
Wanderer im Weinberg die Burg Landshut. So ein Wingert ist
ganz schön steil. Ich meine jetzt nicht die befestigten
Serpentinen, sondern die senkrecht zum Hang verlaufenden Rebzeilen.
Da ist das Lesen bestimmt harte Arbeit. Ein Wunder, wie die
Flasche Wein für so wenig Geld zu haben ist. Wahrscheinlich
kein Problem, wenn man den Talski belastet …
Apropos Bärenkastell: In jungen Jahren war ich mal Betreuer
bei einer Radtour. Als wir damals in Bernkastel ankamen, schauten
wir hoch zur Burg und witzelten: Da oben müssen wir jetzt
noch rauf, hihi. Nun ja, tatsächlich befand sich die
Jugendherberge sogar noch ein Stück darüber …


Nächste Station war Ürzig, Altenbergstraße
19, wo meine Großtante in einem alten, kleinen Häuschen
einstmals wohnte, und Zell an der Mosel, wo wir Schwarze Katzen
im Sack kauften. Äh, in der Plastiktüte. Ein Tröpfchen
Mosel kann nicht schaden.

Danach ging es in die Heimat. Da krisse echt was geboten:
Bei Betteldorf gab's einen Autounfall mit Rettungswagen und
Christoph. Kurz hinter Hohenfels-Essingen stiegen dicke, dunkle
Rauchwolken aus dem Wald – statt Photos zu machen, hab
ich mal lieber die Feuerwehr informiert.
Abends wurde auf dem elterlichen Balkon angegrillt –
und ich wegen eines spätabendlichen Rasenmähermanns
fast zum Mörder! (Ich hätte genug Alibis bekommen!)
Ein Rätsel, wieso der alte Nachbar für 100 Quadratmeter
Wiese anderthalb Stunden lang rumdieseln musste. Hatte er
die Graslänge auf minus zehn Zentimenter eingestellt?

Samstag, 24. Mai 2008
Hatte er, die Morgendämmerung brachte es an den Tag:
Die Grasnarbe sieht arg zerhäckselt aus.
Vor
20 Jahren war Dienstag. Gegen 13 Uhr saß der stellvertretende
Chefredakteur der führenden Schülerzeitung im heimatlichen
Wohnzimmer am taubengrauen Telefon und wartete auf den Anruf
von Sascha Zeus.
Damals war die »SWF3-Musikbox« eine Wunschsendung,
die von Clubs, Gruppen und Vereinen musikalisch bestückt
werden durfte. Gibt's die eigentlich noch? Als ich damals
hier im Aachener Loch landete, konnte ich den Südwestfunk
nicht mehr empfangen und wechselte zu WDR2 – musikalisch
vor 15 Jahren noch eine Herausforderung. Also mehr noch als
jetzt.
(Wie ich hörte, gibt es ganz SWF3 nicht mehr. Das ist
nicht weiter schlimm, denn sein Nachlassverwalter SWR3 nervt
mit fünfminütlichen »Mehr Hits, mehr Kicks«-Jingles
wie jedes andere Formatradio auch. Was zur Hölle sollen
diese Kicks denn sein?!)
Doch zurück zur Musikbox: Der dramaturgische Höhepunkt
war das Hörer-Interview. Und hier kommt wieder der bereits
oben erwähnte stellvertretende Chefredakteur ins Spiel
– der eigentlich nur das Heftchen layouten wollte und
keinerlei Ambitionen auf Leitungspositionen hegte. Nach einem
eeewig langen »Sultans Of Swing« durfte dieser
endlich life on Air und sich von einem ziemlich verschnarchten
Sascha Zeus – die vorher abgesprochenen – Fragen
stellen lassen. Das erste Interview des siebzehnjährigen
Adoleszenten spannend!
Hören wir doch mal rein:
Zeus: »SWF3-Musikbox, zusammengestellt
von der Redaktion der Schülerzeitung
›Im Brennpunkt‹ des St. Matthias-Gymnasiums
in Gerolstein. Hah, jetzt ist es raus. Tag Thomas.«
TL: »Einen wunderschönen guten
Tag!«
(Cooler Einstieg, gell?)
[…]
Zeus: »Warum sind keine Frauen in der
Redaktion? Nur Männer.«
TL: »Ich weiß es nicht.«
Zeus: »Habt Ihr keine Mädchen an der
Schule?«
TL: »Doch.«
Zeus: »Mögt Ihr keine Mädchen?«
TL: »Doooch!«
[…]
(Immerhin konnte ich Zeit zum Grüßen abtrotzen.
Schäm!)
Zeus: »Jetzt hast Du ganz genau ab jetzt
achteinhalb Sekunden um zu grüßen, los!«
TL: »Ich grüße: Ralf, Michael,
Alexander, Fred, Stefan, alle unsere Lehrer und besonders
Anja. Ciao.«
Die Tracklist der Sendung würde noch heute jeder 80er-Fete
zur Ehre gereichen:
- Beatles, Hard Days Night
- David Bowie, When The Wind Blows
- Marillion, Kayleigh
- Rio Reiser, König von Deutschland
- Phil Collins, Against All Odds
- Police, Message In A Bottle
- Godley & Creme, An Englishman In New York
- Boomtown Rats, I Don't Like Mondays
- Grönemeyer, Musik nur wenn sie laut ist
- Dire Straits, Sultans Of Swing
- Real Life, Face To Face
- Deep Purple, Smoke On The Water
Leider dümpelte die Redaktion damals ein wenig dahin,
so dass eigentlich nur zwei Personen die Musikauswahl zusammenstellten.
Dreisterweise schickten wir nur 15 statt der geforderten 50
Stücke zum Sender. Da müssen wir uns wohl irgendwie
verhört haben … Unsere Argumentation: In eine
Stunde passen ja eh nur zwölf Titel rein, und was wir
wünschen, soll gefälligst auch gespielt werden!
Zwar hatte man uns dennoch ausgewählt, aber ein paar
Tage vor der Sendung rief der Musikredakteur Ferdinand Keller
an, er brauche mehr Titel zur Auswahl. Ich solle ihm mal ein
Dutzend Lieder diktieren … Schockschwerenot: Zu
frühabendlicher Stunde ruft einen die Mutter ins Haus,
da sei ein Herr vom Südwestfunk am Telefon! Nun, ich
bewältigte diese Aufgabe mannhaft – und am Ende
waren die meisten der Musikwünsche von mir.
Zwanzig Jahre lang wusste ich allerdings nicht, wie das siebente
Lied hieß, das bis zum Radiodienst angespielt wurde.
Wir hatten uns das nicht gewünscht. Jedenfalls
nicht von dieser Band. Erst jetzt, zwanzig Jahre später
konnte ich das Rätsel lösen, Google sei Dank!

Doch zurück in die Gegenwart:
Samstags wäscht man in der Eifel das Auto. Wenn man
nicht gerade Rasen mäht … Oder in die Stadt geht.
Vorbei am Mösenbaum, der dringend mal eine Intimrasur
nötig hätte. Im Flecken kann man noch die antiken
Rudimente der »Einkaufsmeile«, einer inzwischen
verblichenen Marketingidee der 80er, besichtigen, bevor sie
ganz abgerissen – oder vierspurig ausgebaut –
wird.
Nach einem väterlichen Spitzenreinigungsprogramm fürs
Töfftöff wollten wir uns die europäische Beispielstadt
Hillesheim anschauen. Da bin ich so richtig mit fachkundiger
Führung auch noch nicht gewesen. Am Kreisverkehr Gerolstein-Nord
kam uns eine Herde natürlicher Rasenmäher entgegen.

Abends wieder zuhause dann Europa & Musik. »Hello
Belgrad, you did a great show tonite.« Beim Eurovision
Song Contest – der heißt wirklich so! Grand
Prix hieß dat Dingen zuletzt 1973 – erhielten
die »No Angels« 14 Punkte. Na bitte, das ist sogar
noch mehr als »Germany twelve points« …
Wenn jetzt einer mäkelt, das Erreichen des nur letzten
Platzes läge mal wieder an der unerträglichen gegenseitigen
Punktezuschanzerei des Ostblocks: Zwölf Punkte haben
»wir« aus Bulgarien bekommen!
Ich habe zwar kein absolutes Gehör, nur ein relatives,
kann aber absolut sicher sagen, dass die relativ scheiße
gesungen haben! Nicht Deutschland hat verloren, die No Angels
haben verloren. Da helfen auch bunte Kittelschürzen ohne
was drunter nichts.
Montag, 26. Mai 2008
Der amtierende oberste Horst will es nochmal wissen. Die
alte Tante SPD möchte aber einen eigenen Kandidaten stellen.
Eine Kandidatin gar. Gesine Schwan, bekannt als langjährige
Partnerin von Loriot, soll mal wieder Grüßaugustine
werden.
Prompt beginnt wieder das übliche, würdelose Geschacher
um den Bundespräsidenten. Die CDU schwadroniert, das
wäre ein Frontalangriff auf die Große Kollision
und ließe baldige Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei
absehen. Welch gewagte Interpretation. Denn wer wählt
da nochmal? Die Bundesversammlung, welche zur Hälfte
aus geborenen (Bundestag) und zur Hälfte aus gekorenen
(Landtage) Mitgliedern besteht. Und weiß der Geier,
wie die Landtage in einem Jahr aussehen!
Vielleicht sollten wir auch Vorwahlen einführen, wie
in den USA? Klappt doch ganz toll da. Nach den Wahlen in Baden-Niederpommern,
Hessen-Holstein, Mecklenpfalz-Bayern, Nordsaar-Anhalt und
Rheinburg-Vorsachsen würde der Kandidat aller Parteien
allerdings Günther Jauch heißen. Und der ist Linksträger.
Donnerstag, 29. Mai 2008
Morgens, zehn Uhr dreißig in Jülich:

Dunkelschwarz dräuten die Wolken. Was war das denn?
Ist der Sommer schon vorbei? Oder war es wieder eine Sonnenfinsternis?
Also dafür haben die Geld!
Das nächste Mal kürzer!
Ech hun eich gaer |