– Oktober 2009 –
Freitag, 2. Oktober 2009
Sage einer, dass Fernsehen nicht bilde. Wenn man effizient zappt und passgenau für eine Minute am »Großen Ost-West-Duell« bei RTL kleben bleibt, tut man sich viel Gutes in Sachen Popkulturerwerb und Heimatkunde. Die Antwort auf Günther Jauchs Frage, wo denn die weltweit erste Diskothek mit DJ zu finden gewesen sei, lautete trotz illustrer Antwortalternativen schlicht: Aachen!
Ein wenig Netzrecherche ergab – und ich gebe das mal ungeprüft hier
wieder –, dass 1959 tatsächlich ein DJ Heinrich im »Scotch Club« erstmalig
zum Tanzbeinschwingen animierend Platten auflegte. Doch die swingenden
Zeiten sind längst vorbei im Dahmengraben 16, nur 50 Meter von hier; heute
bietet am nämlichen Platze bloß noch ein Höker kleidsame Textilien feil.
Wer mehr wissen will von der ersten Disco der Welt, klicke hier.
Was machen eigentlich meine Models von der SPD? Parteichef Franz »Münte« Fering, Jahrgang 1940, kümmert sich als netter Opa nun treusorgend um die junge Generation. (Vornehmlich um ein weibliches Nachwuchstalent aus NRW, Baujahr 1980.) Peer Steinbrück tritt einen längeren Urlaub an, vielleicht in Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. Peter Struck arbeitet ab sofort wieder Vollzeit als Gerichtsmediziner beim Kölner Tatort. Und Ulla Schmidt kann endlich noch einmal einen Kaffee trinken gehen, ohne dass ich mit einer Kamera um sie herumspringe …
Statt in den Untergrund geht die SPD nun in die quicklebendige Opposition. Deren neuer Führer wird Frank Walter-Steinmeier – wer ihn nicht kennt, das ist der mit den Wadenbeißerqualitäten. In streng basisdemokratischen Kungelrunden hat man den ehemalige Popbeauftragte Sigmar Gabriel zum designierten Parteivorsitzenden bestimmt. (Und in vier Jahren wird er bestimmt auch Kanzlerkandidat werden – immerhin könnte man zwei aus ihm machen.)
Anlässlich des weiteren Köpferollens Großreinemachens bei Sozialdemokratens
daheim fällt oft der Name Andrea Nahles; die ehemalige Juso-Vorsitzende
scheint ebenfalls zu Höherem berufen, soll Sekretärin werden oder so.
Ebenso oft hört man in den Medien für sie jedoch das vermeintliche Synonym »die Pfälzerin«. Verehrte Journalisten, Frau Nahles stammt aus Mendig, welches im Landkreis Mayen-Koblenz im – soweit ganz richtig erkannt – Bundesland Rheinland-Pfalz zu liegen pflegt. Die Pfalz an sich ist – wie man bereits am komplett anderen Zungenschlag erkennen kann – von Mendig jedoch Luftlinie noch gut und gerne fünf Tagesmärsche entfernt (Infanterie; in Friedenszeiten; bei günstigster Witterung). Auch wenn man verstehen kann, dass die Pfalz eine dankbare Provenienz für in die laufende Berichterstattung einzuträufelnde, bei Wikipedia abgeschriebene Details aus dem Lebenslauf der Nachrichtenprotagonisten abgibt, weil sie, die Pfalz – das nur für all diejenigen, die das Subjekt in dem Relativsatz schon wieder vergessen haben sollten; ist ja schon ein paar Zeilen her –, eine Reihe großer Politiker mit lustigem Dialekt hervorgebracht hat, sollte hier die topographische Korrektheit ihr Zepter schwingen.
Und da ich gerade stehe, noch was:
Woher rührt die neue Krankheit, in Zeitungsartikeln und Nachrichtenmeldungen immerzu das Präsens zu verwenden? Ich verwechsle zwar ständig Perfekt und Imperfekt sowie deren korrekte Verwendung, aber beim Präsens bin ich mir ziemlich sicher, dass es sich um die Gegenwartsform handelt. Und daher klingt es ziemlich bekloppt, wenn einer sagt oder schreibt: »In Los Angeles stirbt der Schauspieler Patrick Swayze.« Was denn, der stirbt gerade?! Ja, dann helfe ihm doch jemand, verdammtnochmal!
Nein, der stirbt nicht, er starb oder ist gestorben oder war von mir aus gestorben gewesen. (Was traurig genug ist. Immerhin diente mir sein Lied »She’s Like The Wind« anno 1988 als Hörerwunsch bei der SWF3-Sendung »Weichspieler« dazu, meinem damaligen Schwarm musikalisch die Aufwartung zu machen. Bernd Mohrhoff hat sich grußtechnisch mächtig für mich ins Zeug gelegt – hat zwar nichts gebracht, aber egal.)
Samstag, 3. Oktober 2009
Erinnert sich noch wer an meine hoffnungsfrohen Onlinedating-Versuche von vor ein paar Jahren? Wie man weiß, haben die außer ein paar skurrilen Erfahrungen nicht viel gebracht. Das Leben findet halt woanders statt. Als Karteileiche gab es die »Aachener Printe« beim Dating-Café aber immer noch. Zu hohen Feiertagen spendiert diese Firma gerne schon mal ein paar kostenlose Tage und unterbreitet Vorschläge, welches der einsamen Herzen wohl zu einem passen möge. Heute habe ich mich also nochmals eingeloggt, unmotiviert im von kaltem Blassblau in warme Rottöne umgespritzten Layout rumgeklickt, feststellen müssen, dass ein Großteil der Gestalten von damals immer noch oder schon wieder auf der Suche nach was für untenrum ist – und meinen Account endgültig gelöscht!
Sonntag, 4. Oktober 2009
Das Aachener SeptemberSpecial war in diesem Jahr in der Tat sehr speziell – es fand nämlich größtenteils im Oktober statt. Ganz ähnlich wie das Oktoberfest in München, nur anders – das ist nämlich größtenteils im September.
Montag, 5. Oktober 2009
Wie Spiegel-Online vermeldet, soll Samenflüssigkeit
die Alterung bremsen.
Vorsicht, Jungs, aufgepasst: Samenraub!
Dienstag, 6. Oktober 2009
Herzlich Willkommen auf der Welt, Jörn!
Ich war mal wieder in einem Konzert. In – nicht auf! »Das Neue Orchester« Aachen gab sich die Ehre. Angesichts der grünen Teppiche allüberall lässt sich wohl kaum verhehlen, dass Maestro Tom Morrison im Klinikum den Taktstock schwang. Es wurde »St Paul’s Suite« von Gustav Holst, »The Lark Ascending« von Ralph Vaughan Williams und »An Orkney Wedding with Sunrise« von Peter Maxwell Davies zum Besten gegeben.
Donnerstag, 8. Oktober 2009
Alles Gute zum Geburtstag, Yasmin!
Ich war mal wieder in einem Konzert. In – nicht auf! »Das Neue Orchester« Aachen gab sich … Moment mal, ein Déjà-vu? Oder gar ein Déjà-écouté? Nein, heute war kein grüner Teppich zu sehen, sondern Blattgold an der Wand von St. Michael. Das gestrige Konzert war eher als avancierte Generalprobe anzusehen, heute saßen bei gleichem Repertoire viermal soviele Rezipienten im Auditorium.
Freitag, 9. Oktober 2009
Eine mir bisher nicht bekannte C-Prominente namens Gina Lisa suchte letztens einen neuen besten Freund. Was macht man in einem solchen Fall? Man veranstaltet ein öffentliches Casting bei Pro7, was denn sonst? So weit ganz normal. Wo sie das Ganze aber stattfinden ließ, ist bemerkenswert: In der schönen Eifel, in dieser herrlich fertigverbauten, seit ewig unbewohnten Villa direkt neben/hinter der Turnhalle der Grundschule Gerolstein, ziemlich dämlich platziert in einer Senke auf einer Wiese, die, als wir noch Kinder waren, streuobstbebaumt einer überdimensionierten Pfütze, die wir liebevoll Titicacasee tauften, Heimstatt gewährte – und heutzutage jegliche Aussicht auf eine potentiell pittoreske Aussicht verhindert.
Dem Voice-over-Kommentator der Dokusoap zufolge gehört der verwinkelte, unmöblierte Bau Gina Lisas Onkel. Ach was, Fertigbau Streif GmbH ist Gina Lisas Onkel?!
Diese Spezial-Folgen von »We are family« wurden anscheinend während der
Sommerferien aufgezeichnet – sonst hätte man eine Menge Pausengeklingel
und Schülergeschrei im Hintergrund gehört. Dem Dramaturgen hat man größte
künstliche Freiheiten eingeräumt: Der Blick nach Westen ist mal Sonnenauf-
und mal Sonnenuntergang, ergiebiges Shopping macht man bei »Mr. Tom«,
einer Butike mit geschätzt 30 Quadratmetern Ladenfläche auf der pulsierenden
Einkaufsmeile, der Europapark Rust ist laut Drehbuch gleich um die Ecke,
und um zu Fuß vom Schlossweiher zum Stausee zu gelangen, geht man selbstverständlich
erst mal übern Daasberg … Von dem Gruselkabinett der Verhaltensgestörten,
die sich um den Job des besten Freundes beworben haben, will ich gar nicht
erst sprechen. Diese »Reportage« bedient zwar die unterste Schicht der
Unterschicht – aber ich finde es immer wieder nett, im Fernsehen die Orte
zu sehen, an denen man schon höchstselbst vielmals vorbeispazieren gegangen
ist. Das Programm passt sich halt den Flachbildschirmen an. (Wer es sich
selbst anschauen mag: Bei Youtube müssten noch ein paar Schnipsel zu finden
sein, wie
Gina Lisa ihren Best Buddy sucht.)
Abends »Nacht der Offenen Kirchen«. Ich bin ja nun nicht gerade verschrien als frommster Kirchgänger der Welt …, finde es aber immer wieder befremdlich, wenn Dutzende Menschen von jeglicher Demut unberührt mit Plastiktüten durch die Apsis schlendern, auf dem Chorgestühl fläzen oder einen Altar als Stativersatz zweckentfremden.
Den Vogel in Sachen Respektlosigkeit abgeschossen hat eine Frau, die einer Führung in der sonst nicht frei zugänglichen Chorhalle des Domes beiwohnen durfte. Laut der lateinischen Inschrift auf der rautenförmigen Marmorplatte in Südwand ist das Herz des ersten Bischofs, Marc-Antoine Berdolet, dort beigesetzt. Darauf fiel ihr nur der Kommentar ein: »Dann wissen wir ja jetzt, wo wir hinmüssen, wenn wir mal eine Organspende brauchen.« Ja, genau, richtig verstanden. Geh wieder auf den Kirmesplatz!
Der Elferrat Das Nobelpreiskomitee hat Barack Obama den Friedensnobelpreis
zugesprochen. Für seine »außergewöhnlichen Bemühungen« um den Weltfrieden,
»die feste Absicht« auf die Verbrüderung der Völker hinzuwirken
und »den gute Willen«, der Menschheit den größten Nutzen zu leisten.
Obama führt derzeit kaum Kriege, sowas kann man ja mal honorieren. (Wie
ist eigentlich der Halbzeitstand in Afghanistan?)
Samstag, 10. Oktober 2009
Alles Gute zum Geburtstag, Katja!
Schwer fiel der Abschied, als ich den beiden tapferen Wanderinnen in Kornelimünster bei ihren ersten Schritten auf dem Eifelsteig nachblickte. Man darf – auch angesichts eines kurz zuvor niedergegangenen Platzregens – gespannt sein, ob sie die geplante Strecke bis Gerolstein in den kommenden neun Tagen schaffen werden. Wenn ich meinem kürzlich noch maladen ISG über den Weg trauen würde, wäre ich gerne mitgegangen. Doch so werde ich die Eifelsteigerinnen erst nach knapp 200 Kilometern Fußmarsch wieder aufsammeln und nur per Telefon und SMS beiwohnen. (Und aus Anteilnahme Schweinrückensteaks mit Senfsauce braten. Mit Original Monschauer Senf!)
Die einzelnen Etappen sollen fürs Protokoll hier verewigt werden:
1. Etappe: Von Kornelimünster nach Roetgen.
Sonntag, 11. Oktober 2009
Eigentlich für heiße Luft bekannt habe ich diesmal bei den Salzburger Nockerln versagt. Als ich gerade in des Herdes heißen Schlund schaute, stellte sich heraus, dass aus den geplanten drei Nockerln, die die drei Salzburger Hausberge Mönchsberg, Kapuzinerberg und Gaisberg darstellen sollen, eine einzelne, ziemlich flache Nocke geworden ist. Statt Bergen wurde es mehr eine uhrglasförmige Hochebene, so wie ein Hochmoor. Damit passt's ja dann wieder: Es sollte wohl das Hohe Venn darstellen, das meine zwei Wanderinnen heute bezwungen haben!
2. Etappe: Von Roetgen nach Monschau.
Montag, 12. Oktober 2009
3. Etappe: Von Monschau nach Einruhr. Diese Etappe ist mit einer Gesamtlänge von 24,5 Kilometern, auf denen es 684 Meter hinauf und 809 Metern hinunter geht, die härteste. Besonders hart wird sie, wenn man in Einruhr feststellt, dass die Unterkunft in Rurberg liegt …
Dienstag, 13. Oktober 2009
4. Etappe: Von Einruhr nach Gemünd.
Wo es sicher stiller und friedvoller sein dürfte als derzeit hier. Anlässlich des Starts des neuen Studienhalbjahrs zogen wie üblich eine Menge Erstsemester bierflaschenbewehrt durch die Straßen, veranstalteten alberne Initiationsriten und gaben per Megaphon mit integriertem Sirenen-Signalgeber und grässlichem Klirrfaktor lautstark Unverständliches kund, als hätten sie schon was erreicht im Leben. Am Ende eines erfolgreichen Studiums von mir aus. Dann darf man sich auch gerne mit lustigem Doktorhut in einen bunten Bollerwagen setzen und sich von seinen Kumpels übern Marktplatz ziehen lassen.
Leider war ich unbewaffnet unterwegs, so dass ich hier nicht mit photographischen Zeugnissen aufwarten kann. Immerhin, mit Zitaten, die sehr um den akademischen Nachwuchs fürchten lassen, kann ich dienen. Vor dem Glaskubus versammelte sich eine Kleingruppe und führte diesen elaborierten Diskurs: »Ist das der Glaskubus?« – »Das ist der Glaskubus.« – »Ja, das ist der Glaskubus.« – »Stimmt, ist der Glaskubus.« – »Ja, der Glaskubus.« – »Ja, da ist der Glaskubus.« – Hm, Glaskubus.« –»Ah, der Glaskubus.«
Und diese eloquenten Kognitionsbegabungen bauen demnächst unsere Häuser, konstruieren unsere Computer, entwickeln unsere Autos und operieren unsere Körper!
(Eine Petition, die Versammlungen von mehr als drei Jugendlichen auf einen Haufen kategorisch untersagt, würde ich übrigens jederzeit unterschreiben.)
Meine favorisierte Biersorte ist Bitburger Pils. Ich komme halt aus der Eifel, was will man machen. Zu Zeiten meiner Sozialisierung war das die Marke. Man trank eben Bitburger. Ich erinnere mich noch an den Kirmesstand, auf dem ein Logo von Warsteiner prangte und an dem man ausschließlich gleichnamiges Bier nach Pilsner Brauart aus dem Sauerland zapfte. Nur ein paar traurige Gestalten labten sich an dem Gebräu – wer auf sich hielt, trank Bitburger, das Synonym für Bier. Bitburger. Bitburger. Bitburger!
(Hey, Theo Simon, wie wär’s: Ich mache hier kostenlos Reklame – schick mir doch mal ein paar Kisten Haustrunk!)
Seit ein paar Wochen veranstalten die Bitburger ein Gewinnspiel. Erst vor kurzem machte mich mein Lieblingsbruder darauf aufmerksam. Ich will gar nicht wissen, wieviele Bit-Kronkorken ich zuvor unbeachtet in den Wertstoffsack geschmissen habe, ohne auf etwaige Gewinn-Codes zu achten. Mittlerweile müssten etliche Mercedesse am Grunde meiner – selbstverständlich längst entsorgten – Gelben Säcke liegen. Doch heute war mir Fortuna hold. Im Deckel meines Feierabendbiers Numero zwo las ich endlich einmal »Gewinn«! Und so kann ich ausgewiesener Sport-Afficionado mir nun viermal gratis die Sport-BILD nach Hause schicken lassen, wenn ich denn meine Daten grob fahrlässig ans Eingabeformular auf Bitburger.de verfüttere. Nun ja, da ich zu nutzen weiß, was das Schicksal für mich bereithält, werde ich es wagen. Vielleicht springen ja ein paar Zeilen Rezension dabei heraus.
Theoretisch könnte ich allerdings auch jede andere Adresse angeben und einen Delinquenten meiner Wahl mit vier Ausgaben von Europas größter Sportzeitschrift beglücken …
Mittwoch, 14. Oktober 2009
5. Etappe: Von Gemünd nach Steinfeld.
Meine Glückssträhne scheint zu versiegen: Kein einziges Bit ist mehr im Kaiser’s am Markt zu haben – Danke, Erstis!
Die Aachener Innenstadt muss für Vogelkundler derzeit ein Paradies sein. Um umfangreiche ornithologische Beobachtungen im Bereich der Familie der Rabenvögel und speziell der Aaskrähen anzustellen, muss man gar nicht mehr aus dem Haus gehen.
Angesichts der Menge der bedrohlich flatternden Galgenvögel ist es demnächst allerdings vielleicht auch besser, nicht mehr aus dem Haus zu gehen …
Donnerstag, 15. Oktober 2009
6. Etappe: Von Steinfeld nach Blankenheim.
Auch für mich wurde es Zeit, gen Eifel aufzubrechen. Mit Sachertorte im Gepäck galt es einem neuen Achtundsechziger zu gratulieren.
Freitag, 16. Oktober 2009
7. Etappe: Von Blankenheim nach Mirbach.
Regenbogenkuchen und kein Ende: Dieser Tage erreichte mich eine Mail des Koch- und Lifestylemagazins »So is(s)t Italien«. Nie gehört. Die Redakteurin teilte mit, in der nächsten Ausgabe wolle man in der Rubrik für Kinder einen Regenbogenkuchen präsentieren – und ich glaube ja gar nicht, wie schwer es ist, da ein Bild zu finden. Doch, glaube ich unbesehen!
Nun sei sie auf mein Bild vom Regenbogenkuchen gestoßen und frage freundlich an, ob sie dieses im Magazin benutzen dürfe. Generös räumte sie mir ein, dass natürlich ein auf mich lautender Copyrighthinweis angegeben würde. Oh Danke, zuviel der Ehre. Kooperativ wie ich bin, schickte ich ihr eine Kollektion von vier verschiedenen Motiven als Miniatur, die ich auf Wunsche in Druckauflösung bereitstellen könne – sie möge mir bloß ihre Honorarvorstellungen mitteilen. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört …
Sollte mein süßes Bildchen nun aber doch, ohne Honorar, Verwendung finden:
Ich weiß, wo dein Auto steh… wo in der Mayerschen »So is(s)t
Italien« liegt und auf welcher Seite das Impressum mitsamt ladungsfähiger
Adresse zu finden ist. Die Gelben Seiten sind voll von Anwälten, die nach
neuen Mandaten lechzen!
Samstag, 17. Oktober 2009
8. Etappe: Von Mirbach bis Hillesheim. So close and yet so far. Mir fällt es deutlich schwerer, nicht mal eben dorthin zu fahren. Nur ganz kurz. Aber wahrscheinlich würde die Moral der Truppe dadurch Schaden nehmen.
Also unabhängig einen kurzen Herbstspaziergang auf einem klitzekleinen Stückchen Eifelsteig gemacht:
Sonntag, 18. Oktober 2009
9. Etappe: Von Hillesheim nach Gerolstein. Ab Gerolstein wird die Eifel ja erst richtig schön. Diese letzte Etappe ist jedoch die hinterhältigste: Man passiert das Ortschild, wird dann aber noch kilometerweit über landschaftlich reizvolle Dolomiten und Trockenmaare geschickt.
Auf der Eselsbrücke nahm ich meine Eifelsteigerinnen wieder in Empfang. Kurz zuvor wurde ich per SMS über deren baldige Ankunft informiert, so dass ich aus der Dachluke des elterlichen Hauses Ausschau nach winzigen bunten Punkten in der Landschaft halten und mit dem Teleobjektiv am Anschlag paparazzigleich ein paar Bilder zur Dokumentation schießen konnte.
Nach einer kräftigenden Brotzeit mit echtem Filterkaffee ging es mit dem Auto – immer wieder den gewanderten Weg schneidend/streifend – zurück nach Aachen, wo wir uns abends den ersten Teil des Katastrophenfilms »Vulkan« anschauten. Dessen Prämisse, dass irgendwann einmal ein Eifelvulkan wieder ausbrechen wird, ist naturwissenschaftlich gesehen gar nicht so unrealistisch. Es fragt sich bloß, ob dies nächstes Jahr, in zehn Jahren oder in 1000 Jahren der Fall sein wird.
Sehr viel unrealistischer als ein Ausbruch schon morgen waren die künstlich verzwirbelten Handlungsstränge, in denen es RTL-typisch kräftig menschelte. Die effektvollen Bilder immerhin sahen erschreckend echt aus.
Interessanter als der Plot und die handelnden Chargen war die für Ortskundige amüsante Rundreise durch die Vulkaneifel: Der fiktive Ort Forchheim lag auf der Karte in der Gegend von Mayen, hatte das Kfz-Kennzeichen EU des Kreises Euskirchen, wurde für die Außenaufnahmen von Bad Münstereifel dargestellt (inklusive eines ins Panorama gemalten Vulkankegels); die zugehörige Burgruine war eigentlich die Unterburg Manderscheid und der zugehörige Kratersee das Pulvermaar bei Gillenfeld.
Montag, 19. Oktober 2009
Wenn ich höre und lese, wie von der Ganztagsschule geschwärmt wird, graust es mich. Mir tun die heutigen Schüler richtig leid, die in zwölf Jahren zum Abitur gepeitscht werden, ohne dass man den Stoff des herausgekürzten Schuljahres ebenfalls ausgedünnt hätte. Möglich gewesen wäre das: Was hat man sich zu Schulzeiten nicht ein sinnloses Wissen eingetrichtert! Fragt kein Mensch mehr nach.
(Und jeden Tag von acht bis fünf im Haifischbecken Klassenraum? Ich hätte mich bereits in der Untertertia stilvoll entleibt!)
Besonders weltfremd ist die vorgetragene Begründung, der lange Unterricht fördere die individuellen Leistungen und die Elitenbildung. So ein Käse. Allgemeine Schulbildung dient der Vermittlung von Grundlagen an alle. Spitzenleistungen können dabei erbracht werden, tun es aber eher nicht.
Glaubt denn irgendwer, Albert Einstein wäre so gut in Physik gewesen, weil er Ganztagsunterricht gehabt hätte? Kann Michael Ballack erfolgreich Bälle treten, weil sein Sportunterricht so toll gewesen wäre? Verkauft der Herr Aldi so viel, weil er nachmittags in den Wirtschaftslehreunterricht gegangen ist? Füllt Grönemeyer die Hallen, weil er in Deutsch und Musik immer Einsen hatte? Kann Gina Wild so gut f***en, weil sie einen bombastischen Aufklärungsunterricht genießen durfte? Nein, die Koryphäen ihres Faches haben sich nach Schulschluss zuhause hingesetzt (oder hingelegt) und selbständig gewerkelt, geforscht, geübt und an ihren jeweiligen Fertigkeiten geschraubt.
Dienstag, 20. Oktober 2009
Da in Cochem das Fräulein Julia ihr Wiegenfest zu begehen gedachte, begaben wir uns eilends ebendorthin. Nach dem zweiten Teil von »Vulkan« gestern waren wir nicht sicher, ob die Eifel noch steht, daher fuhren wir sicherheitshalber auf der A4, der A61 und der A48 drumherum. (Wäre eigentlich nicht nötig gewesen: Rauchsäulen, Ascheregen und pyroklastische Ströme waren am blauen Himmel nicht auszumachen. Wir schauten aber dessen ungeachtet einige Male ängstlich nach rechts …)
Wir bezogen Quartier im Hotel »Weinhof« direkt an der Moselpromenade, an der Anlegestelle der bei Schwänen so beliebten Fähre. Man brachte uns im einzigen Zimmer unter, das – warum auch immer – über ein Bullauge verfügt. Sehr schick; das ergibt automatisch ein hübsches, vignettenförmiges Passepartout für Photos von der Mosel. Dieses Hotel lässt – wie der ganze Ort auch – den Glanz vergangener Tage noch erahnen, als ein Urlaub an der Mosel den gleichen Glamour und die gleiche Exotik hatte wie zwei Wochen Bali heute.
Es erwartete uns ein von der Jubilarin wie gewohnt detailliert geplantes Programm, einschließlich Moselrundfahrt. Wir schipperten die Wingerte entlang, in denen fleißige Hände eifrig Trauben lasen – des Abends sollten wir im Hotel »Brixiade« den Erzeugnisse dieses Bemühens noch ebenso eifrig zusprechen. »Ein Gläschen Mosel kann nicht schaden.« (Loriot)
Zum ersten Mal aß ich Hasenfleisch. Dies lehrte mich zweierlei: Zum einen, dass meine Eltern damals nicht gelogen haben, als sie sagten, unser Kaninchen sei eines natürlichen Todes gestorben und ordnungsgemäß verscharrt worden – und nicht etwa als Sonntagsbraten serviert worden, wie ich argwöhnte; wie ich nun weiß, wäre mir der arteigene eigenartige Geschmack aufgefallen. Und zum zweiten, dass wegen mir kein Hoppelhäschen mehr zu Schaden kommen muss: So dolle schmecken sie nicht.
Der junge Kellner im dritten Lehrjahr, der uns fachgerecht und ohne einen steten Fluss versiegen zu lassen, den Riesling kredenzte, hört seinem Namensschild zufolge auf den Namen Kevin. Kevin, ein Name, dem viel Unrecht geschieht. Dabei sollte in den Kevins unser aller Hoffnung liegen. Unserer machte seine Sache jedenfalls gut – auch wenn er den Rücken wahrscheinlich voller Tattoos hat.
Was eine grandiose Hinleitung zum Lied »Kevins« von Pigor, Eichhorn
und dem Ulf, deren Musikwerke hier dringend einmal der werten Leserschaft
anempfohlen werden müssen! Auf der aktuellen Platte »Pigor singt. Benedikt
Eichhorn muss begleiten. Volumen 6«
singt, wie zu erwarten, der cäsarenfrisierte Chansonnier Thomas Pigor
virtuos von der Unbill des modernen Lebens, am Flügel brilliert sein Begleiter
Benedikt Eichhorn, und der Ulf macht auch irgendwas Elektronisches im
Hintergrund.
Meisterwerke mit Ohrwurmcharakter und daher Pflichtprogramm sind:
Mittwoch, 21. Oktober 2009
Der gestrige Tag in goldener Oktobersonne darf durchaus als gelungen bezeichnet werden, doch, ach!, akustische Malaise in der tiefen Nacht tröpfelte uns etwas Wermut in den Riesling:
Als wir weinselig unsere müden Knochen zwischen den Plumeaus betten wollten, ereilte uns im Hotel ein Weckruf aus der Nachbarschaft. Zur Mitternacht drang aus dem unbelegten Nebenzimmer stundenlang das aufzustehen geheißende Möööp-Möööp-Möööp eines vergessenen – oder absichtlich so programmierten – Radioweckers. Klopfen half nichts, die Rezeption war unbesetzt, und unter der angegebenen Telefonnummer ging niemand an den Apparat.
Was macht man in solch misslicher Lage? Mein erster Gedanke galt dem Sicherungskasten; ohne Strom würde dem Wecker die Lust am Wecken sicher vergehen. Doch dies blöde Kästchen im Flur war abgeschlossen und ließ sich durch bloßes Zureden nur unwesentlich beeindrucken. Um das Schloss zu knacken, fehlten mir Werkzeuge und Erfahrung. Mist! Ein gezielter Tritt gegen die Zimmertür vielleicht? Doch ich befürchtete, meine Haftpflichtversicherung hat eine Ausschlussklausel für Fälle brachialer Mutwilligkeit; ich muss das gelegentlich mal nachlesen.
Die geneigte Leserin, und der geneigte Leser natürlich auch, ahnt inzwischen, dass meine Herzschlagfrequenz den Status des Ruhepulses seit geraumer Zeit verlassen haben muss …
Kurzzeitig dachte ich daran, durch direktes Verbinden zweier elektrischer Leiter einen Kurzschluss herbeizuführen, um den gesamten Stromkreislauf im Hause zum Erliegen zu bringen – bevor mein Kreislauf zum Erliegen käme. Doch auch hier schaltete sich die Vernunft ein – und die Vermutung, dass im Kulturbeutel doch noch Ohropax zu finden sein müsste. War es.
Nach hohlraumversiegelter Nacht machten wir uns auf nach Koblenz. War ich doch noch nie am Deutschen Eck! In Ermangelung eines Navigationsgerätes und des Willens, gedrucktes Kartenmaterial zu studieren, fuhren wir einfach die Mosel entlang – früher oder später müssten wir auf den Rhein stoßen. Und wir stießen. (In Koblenz selbst sind Karten und Navis ohnehin Unfug: Da geht es kreuz und quer und hoch und runter und immer schön im Kreis herum, so dass selbst einem GPS schwindelig wird.)
Als Reminiszenz zu unserer edlen Spenderin von gestern besuchten wir die sehenswerte Kastor-Basilika, bevor wir das monumentale Denkmal zu Ehren Kaiser Wilhelms I., des vormaligen Kartätschenprinzen, erklommen. (Eigentlich hätten wir uns, um die Wiege der deutschen Nation zu sehen, nach Kalkriese begeben müssen, wo in Germanien höchstwahrscheinlich in exakt diesen Tagen vor 2000 Jahren ein gewisser Arminius den Legionen des römischen Statthalters Varus tüchtig einen drübergab.)
Übertrieben nationale Gefühlen kamen ohnehin nicht auf: Rundherum sprach alles in niederländischem Idiom. Auch der Akkordeonspieler, der ungebeten osteuropäische Volksweisen zum Vortrage brachte, schmälerte das patriotische Erleben. Mich befiel ein über die Jahre in der Adalbertstraße entwickelter Reflex, der akustischen Umweltverschmutzung ein Ende zu bereiten und den Quetschkommodenmann in beispielsweise den Fluss zu schmeißen – er hätte sich sogar aussuchen dürfen, ob Mosel oder Rhein.
Donnerstag, 22. Oktober 2009
Alles Gute zum Geburtstag, Melanie!
Samstag, 24. Oktober 2009
Geburtstagsfeier mit Düppeskuchen und Federweißer – ja, das passt –, sowie Nachhilfestunden in Handarbeitslehre.
Sonntag, 25. Oktober 2009
»James Rizzi … is happy to see you again!« Auf der Vernissage seiner Ausstellung in der Galerie De Bernardi wollte er das heute jedenfalls sein. Leider war er es nicht: Untröstlich aber krank sandte er nur eine geschriebene Grußbotschaft in die Couvenstraße 7a, so dass wir uns nur ohne den Meister selbst seine hübschen bunten Bilder ansehen durften.
Montag, 26. Oktober 2009
Der
Koalitionsvertrag ist unterschrieben und das neue Kabinett steht. Übermorgen
wird die Kanzlerin gewählt. Es heißt, werden soll es …, Moment …,
mal kurz nachschauen …, ach ja: Dr. rer. nat. Angela Dorothea Merkel,
geborene Kasner (CDU).
Wenn ich es richtig verstanden habe, sind die Versprechungen des Wahlkampfs
bei den Koalitionsverhandlungen sogar noch übertroffen worden, und es
gibt demnächst mehr Netto als Brutto. Das ist so ähnlich wie bei der Uhrenumstellung
am Wochenende: Da freut sich das ganze Volk, dass es eine Stunde Zeit
geschenkt bekommt – und vergisst dabei völlig, dass man sie ihm im Frühjahr
weggenommen hatte.
Die Ministerriege unter Kohls Mädchen und Genschers Jung’ wartet mit Altvertrautem
und mit Überraschungen auf. (Angesichts des Köpferoulettes in den Medien
hätte eine beizeiten eingerichtete Spekulationssteuer das eine oder andere
Haushaltloch bereits krisensicher gestopft.)
Eins lässt sich sagen: Die Zeiten werden auf jeden Fall härter. Zumindest für Parodisten. Denn wer kann denn schon Röttgen, Ramsauer oder de Maiziere?
Mittwoch, 28. Oktober 2009
Es ist dem Fernsehsender Vox von Herzen zu danken, dass er seit heute endlich »Life« fortsetzt. (Nachdem er vor ein paar Monaten die Ausstrahlung plötzlich und unerwartet mitten in der Staffel unterbrochen und ebenso jäh wieder von vorne angefangen hatte …)
Zu Beginn dieser Fernsehserie hatte ich gezögert: Nicht noch ein wöchentlicher Fernsehtermin! Ich freue mich über jede Serie, die zuende geht. Doch da nur spärlich Perlen vor uns Zuschauer gestreut werden, lohnte es sich hin und wieder, sich zu bücken und diese eine aufzuheben. (Sind auch bloß zwei Staffeln; danach wurde die Serie eingestellt, vermutlich wegen zu guter Drehbücher.)
Aus dem Wust herkömmlicher Krimiserien sticht Life durch interessante Charaktere und eine spannende Rahmenhandlung erfrischend hervor. Es geht um den Polizisten Charlie Crews, der zwölf Jahre lang unschuldig in Haft war und nach seiner Entlassung wieder in den Dienst zurückkehrt – mit einer fetten Apanage als Entschädigung im Hintergrund. Als ehemaliger Cop im Knast, das war nicht leicht. Während er in seinem zurückgewonnenen Leben mit seiner Kollegin an normalen Fällen arbeitet, versucht er parallel, die Hintergründe zu ermitteln, die damals zu seiner Verhaftung geführt hatten.
Die Plots überraschen mit so mancher Volte und beherbergen feinen Humor. (Manche anderen Krimis fesseln eine Weile, aber schnell kommt der Punkt, an dem es nur noch anödet, wenn zum Beispiel Horatio Caine mal wieder lässig seine Sonnenbrille aufsetzt und Moralin versprüht …)
Donnerstag, 29. Oktober 2009
Heute ist meine Tastatur verreckt. Schon wieder! Sie war gerade mal fünfzehn Monate alt. Schreibe ich etwa zu viel? Die 9 auf dem Ziffernblock hat in letzter Zeit immer mal wieder gehakelt, eine Arretierung der Entf-Taste hat letztens ein Drittel des diario gelöscht, und heute versagte die Space entgültig ihren Dienst. Immer ALT + 0 0 3 2 zu tippen, ist auf Dauer etwas umständlich. Also mal wieder eine neue Tastatur gekauft. Ich könnte kotzen, sechs Tastaturen in zwölf Jahren! Der Digiland-Laden, der mir die mangelfreie Sache eigentlich noch gewährleisten müsste, hat im Juli leider dichtgemacht. Ich habe daher das einfachste, nicht-kabellose – und billigste – Tastenbrett neu gekauft, das zu haben war; auch wenn da jetzt »Microsoft« draufsteht. Immerhin hat sie noch das klassische IBM-Layout, selten genug.
Freitag, 30. Oktober 2009
Das Versandhaus Quelle hat letzte Woche endgültig Insolvenz angemeldet: Tausende werden nun ihren Arbeitsplatz verlieren, die vorrätige Ware wird verramscht, die Post will die Auslieferung der Pakete stoppen und das Traditionsunternehmen wird, wie der Name schon andeutet, komplett abgewickelt.
Im Internet hat man all das noch nicht bemerkt: Auf der Homepage quelle.de
kein Wort von Insolvenz; dort werden die Weihnachts-Trends 2009 beworben
und die Frühbesteller werden mit »bis zu 50 Prozent Ersparnis« gelockt,
wenn sie bis 20.11. ordern. Na, wenn das an Heiligabend mal kein Fest
der langen Gesichter wird …
Was allerdings noch klappt: Man kann sich dort den aktuellen Katalog bestellen. Und bekommt ihn auch geliefert! Seit gestern bin ich stolzer Besitzer der letzten Auflage der Bibel des Wirtschaftswunders.
Daher hier mein aktueller Literaturtipp:
In seinem Spätwerk schildert ein anonymes Autoren-Kollektiv auf 944 durchgängig vierfarbigen Seiten mit detailverliebten Beschreibungen, oft im Telegrammstil, von A wie Accessoires bis Z wie Zitruspressen den Status quo der bundesdeutschen Konsumgesellschaft. Ein Spannungsbogen in diesem sozialkritischen Gegenwartsromen ist nicht erkennbar, die Handlung – wenn man denn davon sprechen mag – mäandert atomistisch durch die abbildungsreiche Erzählung. Dialoge oder wörtliche Rede sucht man vergebens, und den Überblick über die aberhundert namenlosen Charaktere verliert der Leser schnell; ständig wechseln sie wortlos und unverbindlich lächelnd die Kleidung.
Die Autoren haben leider nicht viel Liebe in die psychologische Zeichnung ihrer Geschöpfe gesteckt. Die Motive der Personen bleiben über weite Strecken unklar, und die Konstellation der Figuren zueinander schwammig:
Warum wirkt die Brünette auf Seite 384 so latent aggressiv? Ihre beerenfarbene Sweat-Jacke scheint doch neu und bequem zu sein. Ist sie etwa neidisch auf die Blondine im Freizeitanzug auf Seite 389, weil diese beim Kauf des Anzugs ein T-Shirt gratis dazubekommt?
Was will uns die versonnen dreinblickende Frau aus dem Kapitel Heimtextilien sagen, die sich an ihr atmungsaktives, temperaturausgleichendes Steppkissen in topaktuellem Lindgrün schmiegt? Wartet sie auf den graumelierten Herrn im Anzug mit der nadelgestreiften Krawatte und dem Einstecktuch? Oder schmachtet sie dem Jüngling mit den volldefinierten Bauchmuskeln, über die sich die hochwertige Sportjacke aus 100 Prozent Feinripp-Baumwolle spannt, entgegen, der ihr am Abend beim romantischen Tête-à-tête auf der Mikrovelour-Polsterecke für 599,99 statt 799,99 Euro mit einem extravaganten Ensemble aus der Schmuck-Kollektion von Harald Glööckler seine Aufwartung machen wird? Oder pfeift sie, vielleicht wegen eines Streits bezüglich der Anschaffung einer Gefrierkombination von Privileg, auf die Kerle und vergnügt sich – für den Leser unsichtbar – unter ihrer Decke mit einem der vielen bunten Spielzeuge für Erwachsene von Seite 770 ff.?
Man weiß es nicht und wird es nie erfahren, da dieser Band aufgrund von Querelen um die Tantiemen der Autoren der letzte seiner Art bleiben wird. Kritiker werfen den Autoren vor, sie seien über die Jahre zu kommerziell geworden; Analysten indes behaupten das Gegenteil.
(Diese Rezension bezieht sich auf die Softcover-Ausgabe
des Quelle-Katalogs Herbst/Winter 2009/10
im DIN-D5-Überformat zu 768 Gramm mit Heißklebebindung, gültig bis Ende
Januar 2010.)
Wenn ich es ausgelesen habe, werde ich dieses ambitionierte Werk der Trivialliteratur vielleicht demnächst bei Ebay reinstellen, immerhin hat die Herstellung der Auflage von knapp 9 Millionen gute 25 Millionen Euro Staatsgeld verschlungen. Und eine aktuelle Auktion steht im Moment bei 11,75 Euro …
Am frühen Abend. Innenstadtbewohner werden wohl beipflichten: Über die Jahre wir man ziemlich taub in Bezug auf Martinshörner. Da pro Tag etliche Einsätze gefahren werden, sind warnende Sondersignale nichts Besonderes mehr. Wenn man nicht gerade am Straßenverkehr teilnimmt, schaut man noch nicht mal groß hin.
Kribbelig werde ich nur, wenn der Dopplereffekt des Tatütatas ausbleibt … Das bedeutet nämlich, dass der Rettungswagenfahrer seine Sirene unmittelbar vor der Haustür ausgestellt hat. Weil ich am Anfang einer Fußgängerzone wohne, ist das nichts Ungewöhnliches, die Passanten gehen im Notfall auch ohne Warnton zu Seite, Blaulicht ist beeindruckend genug. Aus Neugier ging ich dennoch eben auf den Balkon spinksen, um auszumachen, was dort unten denn los war. Etliche Feuerwehrfahrzeuge und Streifenwagen sowie ein Servicewagen des lokalen Energieversorgers standen umher, eine Hundertschaft Polizisten spannte Flatterband und hielt Fußgänger vom Weitergehen ab. Im Zentrum des Geschehens: Unsere Eingangstür!
Aus dem dunklen Treppenhaus hörte ich Männerstimmen, getraute mich aber weder hinunterzugehen noch das Licht anzumachen – falls ausströmendes Gas die Ursache für den Auflauf wäre, wollte ich nicht derjenige sein, der den Funken zum Überspringen bringt. Nach ein paar Minuten verschwanden die Männer wieder, die Absperrung wurde aufgehoben und das normale Treiben einer Einkaufsstraße kurz vor Ladenschluss setzte sich fort. Eine kurze Rücksprache mit den Studis aus dem ersten Stock ergab, dass sie auch nicht genau wussten, was da gerade abgelaufen war. Die Einsatzkräfte hätten irgendwas in deren Wohnung überprüft, nicht Ungewohnliches gefunden – und auch nicht gesagt, wer den Alarm ausgelöst hatte. Seltsam. Aber zum Glück folgenlos.
Am
späten Abend. Beinahe hätten die Rettungsdienste doch noch etwas zu tun
bekommen: Ich kam eigentlich guter Dinge gerade mit Jagertee und Hierbas
Tunel im Gepäck von einer spontan anberaumten Hausbarauflösungsfeier wenige
Meter über der Ausstellung von Herrn Rizzi. Ein halbes Dutzend gerade
eben der Pubertät entronnener Jungbullen mit Migrationshintergrund war
sich zu cool, um an der roten Ampel an der Klangbücke zu warten, lief
daher ohne zu schauen über die Straße und hätte sich ruhig mal bedanken
können bei dem ausgewichenen Motorradfahrer, dessen blitzartige Reflexe
allein sie davor bewahrt haben, heute niedergemäht auf kaltem Asphalt
zu liegen und am Montag im hinteren Teil der Zeitung zu stehen!
Samstag, 31. Oktober 2009
Leider handelte es sich bei dem gespenstischen Aufmarsch um die Mittagszeit noch nicht um Halloween. Eine Gruppe Rechtsextremisten zog, weil es mit rechtstaatliche Mitteln nicht zu verhindern gewesen war, mal wieder durch die Innenstadt und hielt am Theaterplatz eine Kundgebung ab. Zur Sicherheit stand an jeder Straßenecke im Umkreis mindestens ein Einsatzfahrzeug der Polizei. Ihnen wurde bereits am Bahnhof auf Plakaten mitgeteilt, was man von ihnen hält: »Wir sind Aachen. Nazis sind es nicht.« Zum Glück ging der braune Spuk ohne nennenswerten Zwischenfälle vorbei.
Schluss jetzt!