Samstag, 1. November 2008
Es sind Sadisten! »WDR2, der Sender«, dem ich mich
in inniger Hassliebe verbunden fühle, beschäftigt Menschen,
die Befriedigung dadurch erleben, anderen Menschen seelische
Schmerzen zuzufügen, siehe Musikredaktion.
Der Marquis de Sade vom Dienst zur Mittagszeit hieß Uwe Schulz:
Seines Zeichens Moderator verkündete er stolz, dass heute
Feiertag sei, heute deshalb keine Werbung ertöne und heute
daher Lieder in XXL nonstop ausgespielt werden würden. Ein
frommer Wunsch!
Denn gerade als das zeitlos grandiose »Brothers In Arms«
von Dire Straits begonnen hatte – Synthis erklingen,
Donnerhall im Hintergrund, die Gitarre setzt ein, es schießen
einem die Tränen in die Augen – jagte er eines dieser dämlichen
Jingles dazwischen, damit man auch nu ja nicht vergisst, welche
Station eingestellt ist: »WDR2 – der Sender!«
Wenig später musste er während des ebenso großartigen »November
Rain« von Guns’n’Roses in voller Länge lang und
breit erklären, worum’s dabei geht und was er davon hält.
Kulturbanause!
Abends fand man sich zur Geburtstagsnachfeier zu allerlei
Lustbarkeit ein. Geadelt wurde die Runde durch den musikalisch
vielseitig begabten und alkoholisch vielseitig interessierten
Ehrengast Jenny:

Sonntag, 2. November 2008
Um die Mittagszeit durchs Fernsehprogramm gezappt, »Schlag
den Raab« auf PRO7 entdeckt und gedacht: Sind die immer
noch nicht fertig?! Ach so, es handelte sich bloß um die Wiederholung
von gestern Abend.
Gestern, Samstag, war Allerheiligen, im römisch-katholischen
Rheinland ein Feiertag von höchstem liturgischem Rang. Ein
wahrhaft langes, vielleicht sogar besinnliches Wochenende
wäre möglich gewesen. Soetwas lässt sich der örtliche Einzelhandel
natürlich nicht bieten und bläst zum verkaufsoffenen Sonntag,
argh!
Und die Leute machen brav mit und verstopfen die Straßen,
als läge noch Geld auf der Bank.
Dienstag, 4. November 2008
Aus der Linkskurve geflogen: Eigentlich wollte sich Andrea
Ypsilanti – die Frau mit dem gleichen Zungenschlag, dem heimeligen
Gesichtausdruck und genauso vielen Zähnen wie meine alte Lateinlehrerin
– heute zur hessischen Minderheitspräsidentin wählen lassen.
Raffinierte Terminplanung im Schutze der Dunkelheit*: Wegen
der ebenfalls heute stattfindenden Wahl des amerikanischen
Präsidenten wäre die Duldung durch die Ganzlinken vielleicht
unentdeckt geblieben. Doch vier wackere Renegaten entdeckten
plötzlich und unerwartet ihr Gewissen und verweigerten die
Gefolgschaft. Die fantastischen Vier wollen anscheinend Koch
auf Lebenszeit. Oder einfach mal sehen, wie sich Frau Y. bei
»Let’s dance« oder im »Dschungelcamp« anstellt.
* Wer das jetzt rassistisch findet, soll erst mal morgen
abwarten.
Mittwoch, 5. November 2008
Präsenile Bettflucht ließ mich frühmorgens durch die Kanäle
zappen. Was wohl passiert sein mag auf der Welt? Der neue
V-Hobel besteht aus hochwertigem Edelstahl mit rasiermesserscharfen
Edelstahlklingen mit speziellem Sägeschliff und rutschfesten
Gummifüßen, man kann sich noch kurz vor der Frühschicht von
einer 0900-Dame für wenig Geld entsaften lassen und zwölf
Automarken mit X telephonisch aufsagen zu können, verheißt
Ruhm, Reichtum und ein sorgenfreies Leben.
Ach, und Amerika hat gewählt. Yes, they could. (Ich verrate
jetzt noch nicht, wer gewonnen hat. Soll ja spannend bleiben.)
Alle Sender mit Nachrichtenecke haben selbst diejenigen, die
sonst immer zuhause im muffigen Sendezentrum bleiben müssen,
auf Dienstreise über den Großen Teich geschickt und versorgen
die Zielgruppe mit gewohnt geistreichen Schalten aus dem Studio
an die Front, vor Ort in New York, Chicago und Littlekleckersdorp:
»Wie ist die Stimmung?« Bei den Demokraten gut, bei
den Republikanern mies – wie denn auch sonst!?
(Dass gestern 20 Menschen bei einem Busunglück auf der A2
verbrannt sind, erfuhr man nur nebenbei.)
Im Internet habe ich letztens gelesen: »Für die USA selbst
mag die Entscheidung ja eine gewisse emotionale Symbolkraft
haben, dem Rest der Welt darf ich versichern: Es wird auf
jeden Fall ein amerikanischer Präsident sein.«
Wer war das nochmal? – Ach, das war ja ich!
Hotbuttonrunde! Leute, jetzt anrufen: Wie heißt der nächste
Präsident der US von A?
- Borat Rababar
- Ballack O’Rama
- Amok Kadaver
- Barock Erbarma
- Obacht Ossama
- Abart Bahama
- Abback Aroma
- Barack O'Bama
Genug der Wortspiele für die nächsten Jahre. Wenn man ihn
denn solange lässt …
Dabei ist die Frage falsch gestellt. Es gibt nicht nur einen
neuen Präsidenten. Geht man von den Erwartungen aus, die man
nun an ihn stellt, muss es sich um ein ganzes Bataillon von
Präsidenten handeln. Die Klone gehen arbeitsteilig ans Werk:
- Kofi Obama führt keine Angriffskriege mehr;
- Nelson Obama verbietet Hurrikans, Taifune und
Zyklone;
- Michail Obama reißt die Mauern zwischen den Völkern
nieder;
- Martin Luther Obama schafft Armut und Hunger und
Studiengebühren ab;
- Mahatma Obama schafft Folter und Todesstrafe ab
– und den Tod gleich mit;
- J.F. Obama findet ein Mittel gegen AIDS, Krebs
und frühzeitige Ejakulation;
- Dalai Obama löst die Krisen der Welt (im Einzelnen:
in Afghanistan, in Armenien, in Äthiopien, in der Elfenbeinküste,
in Georgien, in Haiti, im Irak, in Kolumbien, im Kongo,
im Kosovo – und ich bin erst bei K! –, im Libanon, in Mali,
in Myanmar, im Niger, in Nigeria, in Nordirland, in Ostimor,
in Palästina, in Simbabwe, in Somalia, in Sri Lanka, im
Sudan, in Tibet, in Tschetschenien und in Zentralafrika);
- Santa Obama wirft vom Rentierschlitten aus heimlich
Geschenke durch den Kamin;
- Tim Berners-Obama erfindet das Web 3.0;
- Hape Obama pilgert nach Santiago de Compostela
– und zwar nonstop!
Oder kurz: Barack Obama rettet die Welt! Peace, Pleasure,
Pancake.
(Einzige Frage: Was macht er danach, mit dem Rest vom Tag?)
Wahrscheinlich grassiert die Obamamanie nur, weil alle Welt
heilfroh ist, dass George Dabbeljuh demnächst weg ist. (Gut,
das hätte man auch schon vor vier Jahren haben können …) Demnächst
wird Bush jr. das Weiße Haus besenrein hinterlassen müssen.
Sicherheitshalber entfernt er auch alle Fingerabdrücke – so
wie sein Vorgänger beizeiten mal besser sämtliches verräterisches
Genmaterial entfernt hätte.
Übrigens: Ich weiß nicht, ob es schon aufgefallen ist. Es
gibt eine Besonderheit, die in seiner Person begründet liegt.
Man sieht es ihm recht deutlich an, so was hat es vorher noch
nicht gegeben. Er ist der erste US-Präsident, der sich durch
die Zugehörigkeit zu einer ganz bestimmten Bevölkerungsgruppe
auszeichnet. Man ahnt es schon, es ist zu offensichtlich:
Er ist der erste US-Präsident, der – weil nur knapp zehn Jahre
älter – der gleichen Generation angehört wie ich!
Abends. Der Platz, den ich mir zu geruhsamer Zeitungslektüre
bei alkoholfreiem Erdinger ausgesucht hatte, war überbevölkert
von singenden Belgiern, die noch dazu als Ouvertüre die amerikanische
Hymne anstimmten. Mist! Vergessen, dass erstens November und
zweitens Mittwoch ist.
Donnerstag, 6. November 2008
Nachdem es gestern vereitelt wurde – wir berichteten –, konnte
ich heute nochmal die liebe Gewohnheit pflegen und im Egmont
das Stern-Kreuzworträtsel lösen. Wie in alten Zeiten
passt das donnerstags ja auch viel besser, auch wenn diesmal
die jenseitige Thekenbesatzung eine völlig andere war.
An sich ist das Rätsel bewältigbar, doch da man selten ein
jungfräuliches Heft erwischt, besteht ein erhöhter Schwierigkeitsgrad,
weil man das bereits Geschriebene ignorieren muss. Diesmal
lag der Vorrater aber auch nur so was von knapp daneben:
Anrede großer
Musiker: |
MEISTRO |
(MAESTRO) |
Bezahlung nach Leistung: |
REKORD |
(AKKORD) |
Unverfälscht: |
REAL |
(REIN) |
Mittagsruhe: |
FIESTA |
(SIESTA) |
Markieren: |
ANKREIDEN |
(ANKREUZEN) |
Ziffer: |
ZAHL |
(VIER) |
hellster Fixstern: |
SATURN |
(SIRIUS) |
Werbeträgerart: |
PLAKAT |
(MEDIEN) |
Pampashase: |
PARA |
(MARA) |
Freitag, 7. November 2008
Happy Birthday, Paula!
»Ladies and Gentlemen: Miss Grace Jones!«
Die Mensch-Maschine aus den Achtzigern ist zurück. Sie hat
ein paar fähige Musiker um sich versammelt, ist mit ihnen
ins Studio gegangen und hat den gemeinsamen Ritt durch die
Stilrichtungen Reggae, Chanson und wilden Pop auf CD (teuflisch
gut: »Hurricane«) pressen lassen, als ob 19 Jahre lang nichts
gewesen wäre. (Ob sie ihre Mitstreiter anschließend aufgefressen
hat, ist nicht überliefert. Wäre aber denkbar.)
Auch wenn ich sonst eher – musikalisch, versteht sich! –
auf die kleinen Mädchen stehe (Missy, Maria, Corinne, Katie),
muss ich sagen: Die Seniorinnen von heute – Grace ist 60 –
klingen auch großartig!
Entweder hat Saturn seine Preispolitik überdacht – oder der
Azubi hat sich beim Auszeichnen vertan: Während Müller und
L-Store unverschämte 17,99 für das runde Stück Polycarbonat
mit Aluminiumfilm voller Pits und Lands verlangten, wollte
der Saturn nur 9,99 Euro dafür haben. Gekauft! (Hätte ich
aber auch sonst …)
Einem
in jungen Jahren gemalten Portrait von ihr verdankte ich einigen
Ruhm, da es eine zeitlang im Treppenhaus unseres Gymnasiums
hing. Als ich einmal mitbekam, wie ein Schüler aus der Oberstufe
meinen Kunstlehrer voll Begeisterung darauf ansprach, schwoll
des Obertertianers Brust.
Vielleicht sollte ich mich lieber mal wieder an die Staffelei
begeben und diesen digitalen Quatsch hier beenden. Wer weiß,
wie lange es das Internet noch gibt. Oder elektrischen Strom.
Farbe und Untergründe für kreative Orgien sind ausreichend
vorhanden. Denn immer wenn ich denke, ich könnte eigentlich
nocheinmal etwas malen, ziehe ich los und kaufe Pinsel, Tuben,
Näpfe und Papier. Darin erschöpfen sich die Anflüge von Kreativität
dann aber auch meistens. Immerhin bin ich bestens gerüstet
für den Fall, dass die Muse mir nocheinmal einen fetten Knutscha
geben will. (Andere machen das mit Laufschuhen und Trainingsklamotten,
die dann Jahre später originalverpackt im Rotkreuz-Container
landen.)
Damals wie heute mochte ich ihre Musik und ihren »Style«,
wie man heute sagen würde. Dieses Photo gibt erschreckend
Zeugnis davon:

Insgesamt war es also eine gute Woche für schwarz: Der süße
Lewis Hamilton wird F1-Weltmeister, die Hessen-SPD püriert
sich selbst, Barack wird Obama und zu guter letzt erscheint
Gracies neues Werk.
Samstag, 8. November 2008
Der neunte November war in der deutschen Geschichte schon
immer ein bedeutsames Datum, 1918 Novemberrevolution, 1923
Hitler-Putsch, 1938 Novemberpogrome, 1967 »Muff von 1000 Jahren«
und 1989 Mauerfall.
Morgen jährt sich die unsägliche Pogromnacht der alten Nazis
zum siebzigsten Mal. Die neuen Nazis hatten eine Demonstration
angekündigt, die erst verboten, nun aber doch zugelassen wurde.
Zum Glück ist deren Kundgebung mangels Masse komplett versandet:
In einem zugigen Ecken am Bahnhof versammelte sich nur eine
Handvoll des braunen Mobs. Auch die sogenannte Antifa ist
nicht durch ungebührliches Gebaren aufgefallen – vor deren
Auftreten muss man mitunter auch Angst haben. Die friedliche
Demonstration des bürgerlichen Lagers vom Markt über den Elisenbrunnen
bis zur Synagoge erfreute sich hingegen großen Zuspruchs:

Nur: Musste sie ausgerechnet am Sabbat stattfinden?
Sonntag, 9. November 2008
Lange dachte ich, die sogenannte Political Correctness habe
sich aufs unverdiente Altenteil zurückgezogen und zutzele
nun lauwarme Hühnersuppe aus Schnabeltassen. Doch ist sie
immer noch recht kregel, weiß sich aber besser zu tarnen.
In dem Büchlein »Schöner Denken« durchleuchten die
Autoren* unter dem Motto »Der Kopf ist rund, damit das
Denken die Richtung ändern kann« die Sprache des öffentlichen
Lebens von A bis Z und entwirren Verdunklungen, Verdrehungen
und Verbiegungen von Begriffen, die so perfekt getarnt sind,
dass sie im Alltag kaum auffallen. Das gab aber auch mal Zeit!
* Die Namen der vier Autoren zähle ich hier nicht auf, das
wäre echt zu viel Text. Außerdem kannte ich Josef Joffe, Dirk
Maxeiner und Michael Miersch bisher gar nicht. Und den vierten,
Henrik M. Broder, hat sowieso keiner lieb.
Dienstag,
11. November 2008
Sankt Martin. Meine PC-Kurs-Teilnehmer werde ich morgen mit
selbstgebackenen Weckmännern überraschen. Wir lernen da im
Moment, wie man einfach und effizient googelt. Beim Vorbereiten
stellte ich gerade fest, dass mein Rezept auf Platz 1 erscheint,
wenn man bei
Google »Weckmänner« eingibt!
Welches Brauchtum wird denn am Elften im Elften seit alters
her in Deutschland sonst noch gepflegt? Ganz genau:
Auf dem Alter Markt in Gorleben versammelten sich – pünktlich
einen Tag zu spät – 15.000 Jecken, um Seine angereicherte
Tollität, den strahlenden Prinzen Castor LXLI. willkommen
zu heißen.
Die Mottowagen des Umzugs kamen allerdings wie gewohnt recht
schlicht daher (riesige weiße Thermoskannen mit einem MHD
dicht an ∞) und die Fußgruppen waren ziemlich monothematisch
gestaltet: Auf der einen Seite olivgrün gewandete Trachtengruppen
mit närrischen Plastikhelmen und lustigen Schlagstöcken, auf
der anderen Seite traditionelle Patchworkfamilien mit Pullis,
Parkas und Palitüchern. (Gegen den Trend im deutschen Vereinswesen
konnte diesmal auch der Nachwuchs mobilisiert werden, der
zu den Hochzeiten in den Achtzigern noch ein feuchter Traum
ihrer Eltern bei kühler Nacht im Hüttendorf in der Freien
Republik Wendland war.)
Für einen Farbtupfer sorgte Grüne Prominenz: Claudia Roth,
das beste Argument für Schwarz-weiß-Stummfilme.
Mittwoch, 12. November 2008
Moooment: Happy 85th Birthday, Bernhard Victor Christoph-Carl
von Bülow!
Donnerstag, 13. November 2008
Nicht nur der Benzinpreis fällt, auch die Zahl der Arbeitslosen.
Wenn man der Statistik glauben darf (darf man natürlich nicht,
es sei denn man hätte sie selber gefälscht), soll sie erstmals
seit 16 Jahren unter drei Millionen liegen.
Donnerknispel, Arbeitslose sind vom Aussterben bedroht! Ist
denn auf nichts mehr Verlass? Muss man sich als Artenschützer
nun ernste Sorgen machen? Die Zucht und Pflege der possierlichen,
scheuen Kerlchen galt bisher als eine der wenigen Erfolgsgeschichten
der Bundesrepublik. Lange Jahre schien die Population gesichert,
nun ist sie ein Fall für die Rote Liste.
Freitag, 14. November 2008
Nun ist es offiziell: Wir haben Rezession.
(Ob man vom Abschwung genausoviel bemerkt wie von dem Aufschwung,
der letztens hier gewesen sein soll?)
Samstag, 15. November 2008
Cem Özdemir ist neuer Grünen-Parteichef. Die Besonderheit:
mit Bonusmeilen, mit ein paar Jahren Zwischenlagerung in Europa
und mit Migrationshintergrund. Schwäbischem! Auch wenn es
ein anderer Hintergrund wäre, zum Beispiel ein muslimischer,
hätte das Vorteile. Wenn dann zum Beispiel seine Co, Claudia
Roth, eine Burka tragen müsste …
Die Studis im ersten und zweiten Stock wollten heute eigentlich
ihre Einweihungsfete schmeißen. Es ist aber verdächtig still
im Hause. Netterweise hatte mich ein Emissär letztens vorher
darüber informiert, dass über beide Stockwerke gefeiert werden
sollte, mit viel Laufkundschaft zu rechnen sei und solcherlei
Studentenfeten üblicherweise bis tief in die Nacht dauerten.
Ach was?!
Da ich nur so alt aussehe, beziehungsweise mich noch schemenhaft
an die eigene Studentenzeit erinnern kann, hatte ich keine
Einwände; ich würde mich schon nicht beschweren.
Spaßeshalber sagte ich jedoch: »Zur Not rufe ich die Polizei,
wegen Ruhestörung … Das wollte ich immer schon mal tun!«
Die resultierende Panik im Gesicht des Antragstellers quittierte
ich mit einem aufmunterndem: »Hey, was soll das denn für
eine Fete gewesen sein, bei der die Polizei nicht wenigstens
zweimal erschienen ist?!«
Sicherheitshalber habe ich mich mal selbst eingeladen. Nun
habe ich drei Optionen: Flucht oder Ohropax oder mitfeiern.
Oder telefonieren …
Sonntag, 16. November 2008
Dieser Tage feiert meine Brille Geburtstag. Es ist zwar kein
rundes Jubiläum, aber für eine Brille ein hohes. Schon 14
Jahre hat sie die Zeitläufte unbeschadet überstanden, sieht
man mal von einer Kollision mit einem Vierjährigen im Jahre
1995 ab. (Meine Güte, der Bursche ist dann ja auch schon fast
18!)
Damals spielte ich ohnehin mit dem Gedanken, mir ein Nasenfahrrad
aus Fensterglas anzuschaffen. Ein gnädiges Schicksal ließ
den Kauf dann sogar nötig werden. (Wahrhaft Blinde lachen
allerdings über meine mickrigen Brechwertabweichungen: -0,5
und -0,75 Dioptrien. Trotz kaum eingeschränkten Visus' lag
mir Kontrollfreak mit Panoramablick aber sehr daran, Verkehrschilder
oder unliebsame Bekannte schon von weitem erkennen zu können,
um meine Fahrweise anzupassen oder die Straßenseite vor dem
Entdecktwerden zu wechseln.)
Nun fragt man zu Recht, warum kauft der Typ sich keine neue
Brille? Anstalten dazu habe ich über die Jahre sehr wohl gemacht;
allein, ich kam jeweils mit einer Krankheit namens Mode ins
Gehege. Ich sah nie ein, für einen hässlichen Rahmen und die
paar Quadratzentimeterchen Glas soviel Geld auszugeben. Ich
brauche Augengläser, durch die man möglichst viel durchsehen
kann; nicht drüberweg und drunterher schauen müssen und auch
keine Scheuklappen an den Seiten haben. Im Prinzip würde ich
die gleiche Brille nocheinmal kaufen. Gibt's aber nirgends.
So warte ich mit einem Neuerwerb bis zum ophthalmologischen
Revival der Achtziger Jahre, als die Gläser wagenradgroß waren.
Ästhetische Sünden beim Brillenkauf sind eigentlich lässlich:
Schließlich kann man die Dinger nicht richtig sehen, wenn
man sie anprobiert. (Jedenfalls war das vor der flächendeckenden
Einführung der Digitalkamera so.) Und Spiegel lügen sowieso.
Einmal begleitete ich einen lieben Freund beim Brillenkauf.
Mir oblag also die große Verantwortung für Design und Sozialverträglichkeit.
(Über Fehlberatung in diesem Bereich sind bestimmt schon Freundschaften
zerbrochen.) Wir probierten gerade mal fünf Modelle aus und
brauchten dafür auch nur ein paar Sekunden. (»Ja. – Nein.
– Ja. – Nein. – Vielleicht.«) Wenig Zeit also für so ein
teures Gebrauchsgut von längerer Benutzungsdauer. Immerhin
trägt man diesen Gegenstand die meiste Zeit des Tages auf
der Nase spazieren. Trotzdem kam ein hämischer Kommentar von
einer anderen Kundin im Laden: »Soso, Männer sind also
auch ganz schön eitel!«
Pfft! Jede Frau braucht im Restaurant länger für eine Entscheidung
mit der wahrhaft folgenschweren Tragweite, was sie denn heute
mal essen und trinken solle!
Eine Brille ist nicht nur Insignie von Intelligenz, sondern
auch tierisch erotisch. Wenn ich mal kurz nachzähle, trugen/tragen
die allermeisten meiner Flammen eine Brille. Brillen machen
mich genauso an wie frische Bettwäsche und gemeinsames Zähneputzen.
So, damit wären meine Fetische auch mal genannt! (Ein Teil
jedenfalls …)
Ich weiß nicht, wie ich das Ganze als Kind gefunden hätte.
Da wird man ja gerne als Brillenschlange, Vierauge oder Übleres
tituliert.
Ich war schon heilfroh, dass ich keine Zahnspange tragen
musste! Ich habe da zwar einen steilen Zahn in vorderster
Reihe (dessen Wurzel bereits resektiert wurde), aber mein
damaliger Zahnarzt beschied meiner Mutter, dass so was nicht
weiter wichtig wäre – bei einem Jungen. Und daher habe ich
jetzt diese krummen Schneidezähne. Friede seiner Asche!
Ein lieber Freund – der mit der Brille – hat heute gerade
Zähne. Dafür musste er aber auch jahrelang nächtens solch
ein ätzendes Drahtgestell tragen. Ich wusste das lange gar
nicht, weil die Klammer ja tagsüber zuhause blieb. Ich glaube,
es war immer alle zwei Wochen freitagnachmittags, dass er
keine Zeit zum Spielen hatte. Dann war nämlich Justiertag
beim Kieferorthopäden. Dessen wurde ich gewahr, als ich ihn
zufällig auf der Straße traf, während er gerade – mit der
Spange an dafür vorgesehenem Orte – auf dem Weg zum örtlichen
Drahtbieger war. Zunächst wunderte ich mich ob seiner Schweigsamkeit
– als ich dann den Grund herausgefunden hatte, bereitete es
mir diebische Freude, lustige Sachen zu sagen, um ihn vollmundig
lachen zu sehen …
Montag, 17. November 2008
Trafficdiebe
sind Arschgeigen. Dieser in Marmor zu meißelnde und in güldene
Lettern zu gießende Satz befindet sich seit Neuestem als unfreiwillig-absichtliche
Graphik in immer mehr Onlineforen und Gästebüchern.
Nun fragen sich die geneigte Stammleserin vielleicht und
der geneigte Stammleser sowieso, was denn Traffic sei und
wie man ihn stehlen könne. Wäre das Internet in grauer Vorzeit
in Germanien erfunden worden, würde man Traffic schlicht Datenverkehr
nennen. Traffic wird produziert, wenn man im Internet surft:
Der Aufruf einer Webseite lässt Daten – also Texte, Bilder,
Filmchen, Wasweißich – von einem entfernten Server auf dem
heimischen Monitor erscheinen. Der Betreiber einer Homepage
zahlt dafür, der Surfer merkt davon nichts. Soweit ist das
ganz in Ordnung. Ich teile ja gerne Wissen und Erleuchtung,
und man darf mich gerne verlinken, von mir aus auch deep,
und meine Seiten gerne zum späteren Nutzen und persönlichen
Frommen auf der eigenen Festplatte speichern.
Nun gibt es aber asoziale Subjekte, die die Google-Bildersuche
zu bedienen wissen und sich Aufwand und Kosten sparen wollen.
Sie binden andererleuts Inhalte in die eigenen Seiten ein.
So schmücken sie sich mit fremden Federn – und bürden dem
gerupften Urheber auch noch die entstehenden Traffic-Kosten
auf.
An den mannigfaltigen Diebstahl geistigen Eigentums im Internet
hat man sich als fleißiger Webworker inzwischen fast gewöhnt.
(Und sich in jungen Jahren auch selbst aktiv dran beteiligt
…) Wie mir die – lange Zeit sträflich vernachlässigte – Lektüre
der Referrerliste in meinen Serverstatistiken nun verriet,
bedienen sich recht viele und mutmaßlich picklige Fünfzehnjährige
recht rege an meinem bildnerischen Schaffen und klauen, was
nicht link- und trafficfest ist.
Was kann der brave Seitenbetreiber nur dagegen tun? Zum einen
geharnischt grummelnd an der Tastatur hocken. Keine Option
für mich. Zum anderen dann doch endlich den Weg zum Abmahnanwalt
suchen. Na, da zögere ich noch. Was wird bei der Clerasiljugend
schon zu holen sein? Perfider ist meine Guerillataktik: Die
unrechtmäßig eingebundenen Bilder liegen wie oben beschrieben
nach wie vor auf meinem Server und werden in die fremden Seiten
nur eingeblendet. Das bedeutet, ich habe Zugriff auf deren
Erscheinungsbild und kann den Inhalt nachträglich beeinflussen.
So kommt es also, dass nun in rot auf weiß Trafficdiebe angeprangert
werden, wo eigentlich schöne oder lustige Bilder prangen sollten.
Wenn man sich weiter so schamlos bei mir bedient, werde ich
mir ein neues Hobby zulegen und von Eifer beseelt neue Sprüche
ausdenken. »Pippi, Kacka, Furz!« zum Beispiel. Oder
gleich ein Photo desselben – kommt bestimmt gut an, so ein
dampfender Haufen, wenn da eigentlich ein lecker Plätzchen
zu sehen sein sollte …
Nun wird man einwenden, dass ich mich doch bei ein paar Pixeln
nicht so anstellen soll, die paar Kilobyte! Das ist eben der
Preis des Erfolges. Nun bleibt es ja nicht bei ein paar Kilobyte:
Einige Bilder sind gleich dutzendfach in andererleuts Gästebüchern
und Foren eingebunden. Jedesmal, wenn diese Seiten aufgerufen
werden, also jemand draufsurft, werden meine Daten
übertragen. Und bei der schieren Menge der Zugriffe läppert
sich ganz schön was zusammen. Eine Auswahl:

(Zum
Vergrößern anklicken!)
Dienstag, 18. November 2008

In der Grundschule war ich großer Fan von Micky Maus. Von
Micky in den Comics wohlgemerkt, nicht in den dämlichen Trickfilmen
mit der Froschstimme. Jeden Freitag trug ich mein Taschengeld
ins Lädchen von Frau Henn und bekam das neue Heft, fein säuberlich
mit einem Gummi zusammengerollt. Zuhause gab es mitunter herzergreifende
Szenen, wenn ich lieber mit Micky Abenteuer erlebte, statt
Sachen für die Schule zu lesen oder dem Vortrag eines anderen
Werks der phantastischen Literatur beizuwohnen.
Rückblickend
betrachtet habe ich durch die eifrige Lektüre viel gelernt:
- aus Pappkarton coole Dinge zu basteln;
- dank Dr. Erika Fuchs den Reichtum der deutschen Sprache;
- wirtschaftliche Zusammenhänge (Es war eine finanzielle
Katastrophe für das Budget eines Neunjährigen in den späten
Siebzigern, als der Preis von 1,70 auf 1,80 Mark erhöht
wurde!);
- dass das Leben aus einem ständigen Vertröstetwerden auf
später besteht: »Fortsetzung im nächsten Heft«
Als ich einmal die Dosis der Droge steigern wollte und meinen
Papi um ein Lustiges Taschenbuch (4,50 Mark!) anging,
bekam ich zu Weihnachten sogar den Sonderband »Ich, Micky
Maus« zum fünfzigsten Disney-Jubiläum geschenkt.
Schockschwerenot, das ist dann ja auch schon über 30 Jahre
her!
Mittwoch, 19. November 2008
Beherzte Schaffner der Deutschen Bahn AG scheinen die einzigen
zu sein, die sich aktiv gegen die grassierende Fettleibigkeit
von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Vergessene oder ungültige
Fahrscheine nehmen sie als willkommene Einladung zu nächtlichen
Wandertagen durch lichte Flur und dunklen Tann. Es bedanken
sich: das Gesundheitswesen, die Schuhsohlenindustrie sowie
die Bundesinnung der Päderasten, Sittenstrolche und bösen
Onkels.
Donnerstag, 20. November 2008
Der fürs Wochenende vorgesehene Ausflug in die Eifel wird
im wahrsten Sinne auf Eis gelegt. Ich habe schon zu oft bei
Glätte und/oder Sturm auf der Strecke gehangen und die Sommerreifler
verflucht, die mir da entgegenschlitterten. Warum hören die
nicht auf Kachelmann, der die Geschwätzigkeit in den Wetterbericht
eingeführt hat?
Die Meteorologen sind schon ganz geil auf Irmela, sie sprechen
vom »spektakulärsten Wetterereignis seit dem Orkan Kyrill«.
Oder wie wir früher sagten: Winter.
Ich freue mich schon, die Außenreporter – wie jedesmal
– waagerecht auf dem Brocken im Harz flattern und ihren Standardspruch
atemlos ins Puschelmikro plärren zu sehen: »Nur … total
…Verrückte … kommen … bei … diesem … Wetter … auf … den …
Brocken …«
Abends: Wie es früher feine Sitte war, sitze ich im Moment
an meinem Lieblingsplatz im Egmont, süffele Rotwein, habe
mit tatkräftiger Unterstützung sogar das Kreuzweise-Rätsel
im Stern fast komplett gelöst und werde wohl den Laden
mit zumachen – falls nicht doch noch der sagenhafte Bus mit
den Dutzenden Gästen eintrudelt. Es ist der letzte Abend in
Ruhe, Vorfreude und Besinnlichkeit, bevor morgen er Weihnachtsmarkt
aufmacht, der eigentlich ein Adventsmarkt ist.
Freitag, 21. November 2008
Hiems ante portas. Wie zu erwarten war, bestand der heutige
Tag aus lauter Sternstunden des Fernsehjournalismus'. Die
Nachrichtensender überboten sich in der Ruhe vor dem Sturm
mit detailgetreuster Vorberichterstattung, zu jeder halben
Stunde sendeten sie zehn Minuten Konferenzschaltung von den
Korrespondenten in ganz Deutschland, die das Staffelholz Mikrophon
nur ungern weitergaben, auf dass nicht der nächste Kollege
die erste Schneeflocke interviewen dürfe. Die Enttäuschung
darüber, dass immer noch nichts Schlimmes passiert war, war
deutlich herauszuhören. Es hätte nicht viel gefehlt, und verzweifelte
Volontäre hätten Windmaschinen und Schneekanonen angeschmissen.
Was machen die eigentlich, wenn wirklich etwas passiert? 90
Minuten Sondersendung pro Stunde?
Man könnte meinen, dass in Deutschland noch niemals zuvor
Schnee gefallen wäre. Diese eine knappe Meldung hätte genügt:
»Leute, es wird sehr kalt, sehr glatt und sehr stürmisch
– bleibt, wenn's irgend geht, mit Eurem Arsch daheim!« Aber
damit gewinnt man ja keinen Fernsehpreis.
Ich habe spaßeshalber die Wetterlage über den Tag verteilt
auch dokumentiert, von hinten nach vorne. »Wir schalten
nun zu unserem Außenreporter nach Aachen.« – »Hallo Zentrale?
Ich melde mich hier aus der Adalbertstraße und wie Sie sehen,
sehen sie nix …«:

22:36 Uhr, endlich: Ich sehe Nix! Habemus nivem!
Oder wie man im Fernsehen eben sagte: »Der Schnee ist
niedergekommen.« …
Eigentlich ganz passend zum heute (heute? heute?!? – heute!!!)
beginnenden Weihnachtsmarkt. (Ich habe den vermisst! Ehrlich.
47 Wochen ohne mehrmals täglich »Last Christmas«, wie
konnte man das nur ertragen? – Ziemlich gut: Ich mag lieber
Kühlwein als Glühwein.)
Die wirklich wichtigen Neuigkeiten sind neben dem Warten
aufs Weißröcklein völlig untergegangen: Madonna lässt sich
scheiden; debile Promis eröffnen eine dekadente künstliche
Insel vor der Küste Dubais; ich bekomme schon wieder keinen
Pirelli-Kalender; es gibt doch nicht 20 Prozent auf alles
außer Tiernahrung; Boris Becker braucht schon wieder was Neues,
wo er sein Ding reinstecken kann; man hat einen toten Parteispender
gestohlen; und ein allzu bekannter deutscher Reichskanzler
hat außer zwei Weltkriegen auch einen Hoden verloren.
Samstag, 22. November 2008
Habemus saccharum pulvereum.

Oh, Post von Pirelli? – Nee, Spässle gemacht.
Dafür bin ich reich! Will mir jedenfalls eine Spammail weismachen:
»Anspruch Information!!! Herzlichen Glückwunsch an Ihnen,
wir können Ihnen die Ergebnisse der Europäische International
Lottery 2008 Promotion mitteilen. Wir sind glücklich Ihnen
sagen zu können das Ihre E-Mail Addresse gezogen worden
ist und Sie der Gewinner von €1.000.000.00 Euros(Eine Millionen
Euro) sind.«
Ich will angesichts des drohenden Reichtums ja nicht kleinlich
erscheinen, aber das sind zehn Millionen Euro!
Doch vor den Preis hat der Herr den Fleiß gesetzt:
»ACHTUNG: Um Ihr Gewinn in Anspruch nehmen zu können,
kontaktieren Sie bitte die Zahlungsabteilung […] Denken
Sie bitte daran, bei allen Korrespondenz mit Ihrem Bearbeiter
(Herr David Lopez) diese Nummern anzugeben.
Losnummer: SUTO/980/TWM/EU
Lotterie Ref. Nr:345/003/SP/45
Ticket Nr: WRNM/SMI/5990
Lucky Nr: 1 0-23-44-72-80
Serien Nr: MUOTI/82536
Lotterie Datum:7. November 2008.
Ihren Namen
Telefon Nummer
Handy Nummer
Ihr Alter, Geschlecht
Ihr Beruf«
Ich finde, nachdem man all diese Daten dem Herrn Lopez in
den Hörer diktiert hat, hat man sich das eine oder andere
Milliönchen auch redlich verdient.
Montag, 24. November 2008
Dass ich nun brav und regelmäßig Plasma spende, hat einen
praktischen Nebeneffekt: Die Brühe läuft flüssiger, wenn man
vorher fettarm gegessen hat. So sieht man mich also des Öfteren
lippenleckend das Angebot in der Biovital-Ecke vom PLUS studieren.
Lebensmittel mit weniger als 2 % Fett – ja, so was gibt es!
Und ich habe in einem anderen Regal noch etwas Neues entdeckt,
vielleicht kennt es einer: Gemüse. Voll gesund, das Kraut!
Hatte ich schon geschrieben, wie so eine Spende abläuft?
Nachdem man in den Räumen der DGH
in der Peterstraße per Ausweis belegt hat, dass man ist,
wer man ist, bekommt man von den netten Damen am Empfang einen
auszufüllenden Anamnesebogen ausgehändigt. Danach folgt der
kurze Gesundheitscheck beim Arzt: So ist man als Spender stets
darüber informiert, falls mit Blutdruck, Puls, Temperatur
und Hämoglobin etwas nicht stimmen sollte. Später werden noch
weitere Laborwerte erhoben. Ist man dann zur Spende zugelassen,
darf man in den Spendesaal.
(Nützlicher Hinweis aus der Praxis: An dieser Stelle bietet
sich eine kleine Pinkelpause an!)
Im Spendesaal wird man als erstes nach seiner politischen
Präferenz gefragt: links oder rechts? (Eigenartigerweise bekommen
die Sozialisten die Kanüle immer in den linken Arm geschoben,
die Konservativen in den rechten. Zufall?!)
Auf einer bequemen Spendeliege verbringt man die nächsten
ungefähr 60 Minuten das lesend, was der Lesezirkel hergibt
oder man selbst zur Lektüre mitgebracht hat. (Die Augen schließen
darf man während der Prozedur nicht, sonst kommen die Damen
mit der Lizenz zum Zapfen angeschossen, weil sie denken, man
sei kollabiert.) Die genaue Dauer hängt von der Spendemenge
und der Konsistenz des Blutes ab: Ich spende als Zweizentnerkerl
die Maximalmenge 860 Milliliter und habe als Mann dickflüssigeres
Blut als Frauen. Die sind da mitunter schon mal nach einem
guten halben Stündchen wieder raus. Meine Rekordzeit liegt
bei 51 Minuten, ich kam aber auch schon mal auf krasse 73.
Hier rächt sich, wenn man vor der Spende nicht genug getrunken
(mindestens zwei Liter) oder zu fettig gegessen hat.
Während der Plasmapherese entnimmt das sterile und vollautomatische
PCS² Plasma Collection System von Haemonetics portionsweise
Blut, zentrifugiert dies, füllt das Plasma (das Helle) in
eine Auffangflasche und die Blutzellen (das Rote) in den Spender
zurück.
Im Anschluss wird ein Druckverband an der punktierten Stelle
in der Armbeuge angelegt; man darf zum Empfang, bekommt seine
Aufwandsentschädigung von 17 Euro (beziehungsweise bei jeder
vierten Spende 22 Euro) und kann sich für ein Weilchen an
Kaffee, Saft, Schokoriegeln und Obst zum Wiederherstellen
der Körpersäfte und -kräfte gütlich tun.
Etwaige Nachteile sollen nicht verschwiegen werden:
Wenn man sein eigenes Blut nicht sehen kann oder generell
Spritzen nicht verträgt, sollte man zum einen zum Augenarzt
gehen und desweiteren aufs Plasmaspenden verzichten. So ein
Kollaps ist nicht schön. Passiert aber auch selten.
Ärgerlich ist die unnötige Warterei zu Stoßzeiten, wenn viele
der 24 Spendesitze belegt sind und die Krankenschwestern nicht
hinterherkommen, alle Spendewilligen mit Ruhe und Sorgfalt
anzuflanschen. (Wenn’s mal wieder länger dauert: Dann denke
ich an die alte Snickers-Reklame und belohne ich mich einfach
anschließend mit einem gratis Schokoriegel mehr.)
Besonders blöd ist es, wenn sich Freunde zum gemeinsamen
Spenden treffen, denn dann steigt der Geräuschpegel ob des
Geplappers gewaltig, das beruhigende Sirren des PCS² wird
überlagert und man wird unfreiwillig Zeuge von einer Menge
Zeugs. (Und von Dreistigkeit: Eine Schülerin flötete letztens
ins Handy: »Sag, dass ich erst zur Dritten kommen kann,
ich bin noch beim Arzt.« Das sind mir ja die Liebsten!
Richtig gelogen ist das nämlich nicht: Hier laufen auch Ärzte
rum.)
Dienstag, 25. November 2008
Happy Birthday, Sarah!
Donnerstag, 27. November 2008
Opel macht schlapp. Ich hab das ja kommen sehen! Als sich
nämlich mein Vater nach Jahrzehnten der Treue zu Ascona, Omega
und Vectra plötzlich einen Ford angeschafft hatte, war ein
schnelles Ende des Traditionsunternehmens unausweichlich.
Statt sich ins Messer zu stürzen, wie es gute Sitte ist,
fordert das Management zu Weihnachten nun kackfrech Geldgeschenke
von Santa Staat. Warum auch nicht, der hat's ja. – Ich glaub,
es hackt!!! Wer sourct als nächstes seine Probleme out? Die
darbende Pharmaindustrie? Die Gebrüder Aldi?
Nun komme mir keiner mit Konjunktur ankurbeln und Arbeitsplätzchen
sichern und so. Ich weiß, ich bin herzlos. Doch immerhin tue
ich, was ich kann: Mehrmals in der Woche helfe ich einem alten
Opel über die Straße. Nämlich jedesmal, wenn ich bei Cambio
einen Corsa buche.
Der neueste Corsa ist übrigens der Beweis dafür, dass »Wirtschaftskrise«
nur ein Euphemismus für »verkorkste Modellpolitik« ist. Als
Beispiel: Der Corsa war mal ein Kleinwagen,
jetzt ist er nur noch das kleinste Modell im Repertoire. Und
musste daher im Cambio-Fuhrpark dem Ford Fiesta weichen. Man
schaue sich die Wachstumsraten an:
Corsa A: Länge: 3,6 m, Breite 1,5 m, Leergewicht: 755−865
kg
Corsa B: Länge: 3,7 m, Breite: 1,6 m, Leergewicht: 855−1135
kg
Corsa C: Länge: 3,8 m, Breite: 1,6 m, Leergewicht: 980−1155
kg
Corsa D: Länge: 4,0 m, Breite: 1,7 mm, Leergewicht: 1100–1354
kg
Sind die schon exponentiell? Das macht nach Adam Riese und
Eva Klein auf jeden Fall pervers viel Blech, um meist nur
– wie ich dank eifrigem Aufzugfahren weiß – durchschnittlich
75 Kilogramm Mensch durch die Lande zu karren.
Ich halte den Corsa für das ideale Auto und stelle mir vor,
wie entspannt das Fahren auf der Autobahn wohl wäre, wenn
alle Wagen die gleichen technischen Voraussetzungen hätten.
Keiner müsste rasen, keiner müsste drängeln, keiner müsste
protzen. Und wie hübsch das aussähe. Falls demnächst dann
doch mal der Kommunismus eingeführt wird, böte sich das B-
oder C-Modell als geeignetes Gefährt für die Massen an; quasi
als Volkswagen. Und Penisverlängerungen besorgt dann nur noch
der plastische Chirurg.
Wo ich gerade in Fahrt bin: Der Sprit kostet mittlerweile
nur noch skandalöse 1,11 Euro. Alles wird billiger – ist das
schon die berüchtigte Defloration, vor der wir jungfräuliche
Wirtschaftswaisen uns so fürchten?

Freitag, 28. November 2008
Fernsehpreis, ick hör dir trapsen: Nach »Peng! Die Westernshow«,
»Holldriöh! Die Alpenshow«, »Schlotter! Die Gruselshow«
und »Aloha! Die Südseeshow« warte ich gespannt auf
»Bums! Die Pornoshow«, »Brutzel! Die Inquishow«,
»Pups! Die Kloshow« und »Kotz! Die Baldershow«.
Heute erreichte mich die nette Spammail einer gewissen Svetlana
aus Russland. Die Dame ist mir nicht näher bekannt; eher reizt
mich sowieso die persönliche Bekanntschaft ihres Sprachkursleiters
oder Übersetzungsprogramms:
»Den guten Tag Netten!!!!!!!
Ich bin sehr froh dass jetzt ich dir den Brief schreibe.
Ich will dich erkennen es ist besser. Damit du mir uber
dich grosser geschrieben hast. Fur mich ist es angenehm
dass du mir die Adresse e-mail, auf der Webseite der Bekanntschaft
FLIRTCAFE.DE gegeben hast.
Meinen Namen Svetlana, ich wohne in Russland, in der Siedlung
Skazochnyi. Mir 30 Jahre. Ich hoffe dass du mir antworten
wirst, dann werde ich dir uber mich erzahlen, und ich werde
dir die Fotografien schicken. Ich mag das sehr sportliche
Madchen, mich den Sport, mir ist es wunschenswert dass die
Manner mich sehen und ich gefiel ihnen. Sehr habe ich gern,
der Musik zuzuhoren, im Kino zu gehen.
Mir gefallt ebenso die Fahndungsbeamt ' Monserat Kabalye,
Nikolay Baskov '. Sage und du magst die Fahndungsbeamt?
Mir ist es wunschenswert dass du mir erzahlt hast als du
beschaftigst? Was du magst? Was du im Madchen suchst? Ich
will den guten klugen Menschen finden, damit er mich mochte
und respektierte. Damit mein Mann mir niemals weh tat. Ich
hoffe dass im Brief. Du wirst mir grosser uber dich schreiben
eben du wirst die Fotografie geben.
Ich werde auf deinen folgenden Brief mit der grossen Ungeduld
warten.
Ihre Svetlana«
Samstag, 29. November 2008
Im Radio hörte ich neulich eine Rezension von David Sedaris'
neuem Buch »Schöner wird's nicht«. Ein klarer Fall
von Impulskauf. (Wie ich später aus professionellem Munde
erfuhr, müssen ziemlich viele diesen Bericht gehört haben
und stantepede in die Buchhandlungen gestapft sein; ältere
Werke des Autors waren zeitweilig nicht lieferbar.)
Das Buch besteht aus Kurzgeschichten oder besser gesagt aus
einer Nummernrevue mit Anekdoten aus seinem Leben. Es heißt,
diese hätten sich wirklich so zugetragen.
Wieso nur kommt mir das so bekannt vor …?!
Professionelle Rezensenten schrieben bestimmt von einer »tragikomischen
Satire« und »fein beobachteten Sozialstudie« (gähn!), die
darüberhinaus keinen Spannungsbogen aufweise. Nun, den hat
eine Sammlung von Anekdoten per definitionem auch selten;
und das Leben selbst oft auch nicht. Ein Analytiker hätte
sicher seine Freude an dem Material; dessen bedarf Dave jedoch
nicht – er hat ja seine Leser. Wenn man den ollen Doktor Freud
bemühte, stellte sich bestimmt heraus, dass er ein armes Brot
sei. Aber wenn man das nicht tut, kann man sich recht gut
amüsieren.
Im Unterschied zu mir schreibt Sedaris seine Episoden überraschend
direkt, teilweise sogar mit Namensnennung! Was veranstalte
ich immer einen Eiertanz, um die privaten Teile meiner Mitmenschen
notdürftig zu verhüllen! Anders als er kann ich nämlich nicht
alles ungestraft veröffentlichen, wegen juristischer Kategorien
wie Recht am eigenen Bild, Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung,
Freundschaft und Anstand und so. (Man glaubt bei der Menge
an Text gar nicht, was hier schon alles nicht geschrieben
habe!)
So übe ich mich also weiterhin in der Kunst der Abstraktion
und Allusion. Einfacher wäre es natürlich, wenn mir tunlichst
aus dem Weg ginge, wer nicht hier erscheinen will. (Und mir
zum Beispiel auf keinen Fall Ultraschallbilder seiner noch
zu gebärenden Nachkommen schickte …) Wer allerdings wirkliche
Anonymität im Internet sucht, sollte sich umbenennen lassen.
Unauffindbar im Netz sind nur Jupp Schmitz oder Anja Meyer.
»Maybe we should kill her … and
then we do a film about the live of Grace Jones«
Slave to the Rhythm |