– Mai 2009 –
Freitag, 1. Mai 2009
Alles neu macht der Mai. Nun gut, nicht wirklich alles. Das hier zum Beispiel ist eine Wiederholung von gestern:
Wäre doch zu schade gewesen, dieses aufwendig frisierte Bildnis am unteren Ende einer langen Seite zu verstecken. Wer weiß, ob überhaupt jemand die 6.659 April-Wörter davor runtergescrollt hat. Geschweige denn gelesen …
(Bei der Halbglatze von Lenin hat übrigens nicht etwa ein Produkt der Firma Gillette mitgeholfen, sondern vielmehr ein Produkt der Firma Adobe.)
Für manche Menschen ist eine auch nur geringe Veränderung der Haartracht eine im wahrsten Sinne haarige Angelegenheit. Viele Frauen zum Beispiel machen ein ziemliches Gewese um ihre Haare. Also um diejenigen auf dem Kopf, die man, wenn’s gut läuft, Frisur nennen kann. Da wird gestylt und frisiert und gezupft und rasiert und gepflegt und zurechtgemacht und schongespült und gefärbt und umgefärbt und jahrelang lang wachsen gelassen und mitunter im Affekt wieder abgeschnitten und was weiß ich.
Wehe, mann entdeckt und lobt es nicht umgehend, selbst wenn der Figaro den Schopf nur hie und da um wenige Millimeterchen gekürzt hat!
Männer haben in punkto Gestaltung ihres Aussehens einen unschlagbaren
Vorteil: Zottel an der Backe! Jedenfalls wenn die Testosteronwerte stimmen.
Wieviel mehr kann man auch kurzfristig gestalterisch ausrichten, wenn
man über Haare auch im Gesicht verfügt. Der Varianten gibt es viele: Backenbart,
Dreitagebart, Gesichtsf… äh Henriquatre, Flaum, Goatee, Knebelbart,
Koteletten, Lockenbart, Menjou-Bärtchen, Milchbart, Mongolenbart, Musketierbart,
Schifferfräse, Schnurres, Tribal-Bart, Unterlippenbart, Vollbart, Walrossbart,
Zweifingerbart und Zwirbelbart, sowie deren Mischformen in
variabler Länge und kreative Neuerfindungen. Von Tönungen und Färbungen
– zum Beispiel in angesagtem Grau – gar nicht zu sprechen. Treue Leser
erinnern sich, welche dieser Styles ich in meinem Leben als Mensch schon
ausprobiert habe. Und noch treuere Leser ahnen, welche ich noch ausprobieren
werde …
Gewiss, manch einer diffamiert des Mannes Pracht als Schenkelbürste, Rotzbremse, Pornobalken oder Kinngestrüpp. Und manche Mädchen murren: »Aber das piekst doch so beim Küssen!« Richtig, in jungen Jahren sehen Mädchen das so. Aber echte Frauen stehen auf echte Männer. Isso! Und wie sagte schon Salvador Dalí: »Ohne Schnurrbart ist ein Mann nicht richtig angezogen.«
Samstag, 2. Mai 2009
In dokumentarischer Mission unterwegs nach und in Grevenbroich. Ich hätte erwartet, dass einem dort der berühmteste Sohn der Stadt ständig über die Füße läuft – im Fernsehen kann man ihm kaum entgehen. Hatte wohl Kreislauf. Weisse Bescheid, Schätzelein.
Abends wurden auf einer befreundeten Dachterrasse marinierte Alienwings gegrillt.
Mittwoch, 6. Mai 2009
Peer Steinbrück schränkt die Zahl der Länder, in denen er noch Urlaub machen kann, weiter ein. Aktuell verglich er Liechtenstein, Luxemburg und die Schweiz in Steuerfragen mit Ouagadougou. Und alle sind beleidigt.
Mit dem unnützen Wissen, dass dies die Hauptstadt von Burkina Faso ist, beziehungsweise damals noch von Obervolta war, habe ich in der Unterstufe so manches Quiz in der letzten Stunde vor den Ferien gewonnen. Warum aber vernachlässigt unser Finanzminister so sträflich Tegucigalpa, Antananarivo und Bandar Seri Begawan? Die hätten allen Grund beleidigt zu sein!
Donnerstag, 7. Mai 2009
Gotcha! Laut diversen Nachrichtenseiten will die Regierung Paintball und »Laserdom« in Deutschland verbieten. Bis zum heutigen Tage wusste ich gar nicht, was »Laserdom« sein soll. Ich befinde mich damit in guter Gesellschaft: Wikipedia wusste das heute auch noch nicht. Allerdings kennt man dort das Spiel Lasergame, bei dem man sich in einer speziellen Halle, dem Laserdome oder Laserdrom, mit pistolenähnlichen Infrarotsignalgebern abzutreffen versucht.
Paintball hingegen ist bekannt, auch wenn ich es noch nie selbst gespielt habe. Ein menschenverachtendes »Killerspiel« ist es jedoch nicht: Man braucht schon verdammt viele Farbkugeln, um einen totzukriegen.
Bevor jetzt auch andere Spaßkämpfer nervös werden: Es ist Wahljahr. Besitzer von Wasserbomben, Erbsenpistolen und Flitzebögen können diese in einer Übergangszeit straffrei zurückgeben.
Ohne Worte. Einfach zurücklehnen und genießen:
Freitag, 8. Mai 2009
Wenn man etwas auf später, morgen oder den Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt, nennt man das neuerdings Prokrastination. Ich prokrastiniere, du prokrastinierst, er/sie/es prokrastiniert – prokrastinieren ist seit ein paar Jahren der Lieblingsterminus aller Drückeberger, Schlendriane und Übersprungshandelnder.
Wie lautet denn die chice Bezeichnung, wenn man sich selbst vor der Alternativtätigkeit drückt? Prokrastination²? Proprokrastination? Sogarkeinbock? Denn nach ein paar Stunden mäßig effizienter Klickerei am PC beschloss ich: Gehst du halt einkaufen! Doch noch bevor ich den Geldautomaten um ein erkleckliches Sümmchen erleichtern konnte, traf ich per Zufall eine liebe Freundin, ebenfalls vor sinnvoller Tätigkeit auf der Flucht, und man kam überein, nachzusehen, wie die Renovierungsarbeiten im Starbucks so vorankommen.
(Just for the record: Die Wände sind fast fertig-, jedoch zu dunkel lackiert, die zerfledderten Ohrensessel bedürfen dringend neuer Polsterung und Bespannung und der neue »Brombeer Mocha Chocolate Frappuccino® Blended Coffee« gehört umgehend von der Karte genommen.)
Nun, gestärkt mit hochpreisigen Kaffeederivaten und ausgestattet mit rappelvollem Kühlschrank und Gemüsebüffet – denn den aufgeschobenen Einkauf habe ich anschließend tapfer erledigt – kann ich mich wieder frisch ans Werk machen, der To-do-Liste ein paar Einträge abzuringen. Wartet da hinten, tief unter dem Stapel Papierkram, nicht eine unerklärliche Steuererklärung auf mich? Doch halt, war da nicht eine Wollmaus, die dachte, sie könne unentdeckt in die nächste Ecke huschen? Nichts da! Dich krieg ich, und auch Deine flusige Verwandtschaft!
—
Später. Ich befürchte, der Herr Steinbrück wird noch eine Weile warten müssen, bis ich ihm die Steuer erkläre. (Vielleicht hört er inzwischen ja mal damit auf, das Geld auszugeben, was er nicht hat.)
Meine immer teurer werdende Behausung verfügt bekanntermaßen auch über ein Balkönchen, dessen korrektere Bezeichnung Loggia heißen müsste. Loggia – das klingt edler als es ist: Es handelt sich um eine nicht über die Bauflucht vorkragende Laube. Viele beneiden mich um sowas, dabei nutze ich sie kaum. Meistens gehe ich nur hinaus, um die Straßenmusiker zu verfluchen. Damit ich bei der Rückkehr nicht zuviel Dreck mit hereinschleppe, war eine Grundreinigung angezeigt. Da die Laube im Nordflügel meines Refugiums liegt, sammelt sich über den Winter stets eine Menge Staub, grünlicher Belag sowie haufenweise Moos in Ritzen und Fugen. Kaum zu fassen, dass sich auf vier Quadratmetern Fliesen innerhalb eines Jahres ein Müllbeutel voll Biomasse ansammelt.
Frühjahrsputzig wie ich gerade drauf war, sah ich auch die leeren Blumenkästen im Südflügel klaffen. Höchste Zeit für die Basilikum-Aussaat. Was als bescheidenes Beet beginnt, endet stets als prächtige Plantage. Um rascher vorzeigbare Ergebnisse zu erzielen, griff ich zu einer List: Ich teilte den Ballen eines zugekauften Gewürztöpfchens und pikierte die Basilikumpflanzen einzeln in den Blumenkasten. So gibt es schon bald lecker Insalata Caprese. Denn hatten mir meine Therapeuten nicht Bewegung verordnet? Hatten sie!
Samstag, 9. Mai 2009
Kein Mensch weiß, warum die Welt so geil auf Spargel ist und im Frühjahr so ein Gewese um die blassen Sprossen macht. Wir auch nicht, aber wir machen mit! Beim Rhabarber auch.
Montag, 11. Mai 2009
Besser spät als nie: Mit über 17 Jahren Verspätung ist mir heute ein Brief zugestellt worden. Nein, die Deutsche Post AG ist nicht schuld, eher schon die Technik im Allgemeinen.
Ein Freund schrieb mir am 18. März 1991 einen Brief an seinem C64-Heimcomputer. Der C64 hatte damals ein Betriebssystem mit einer frühen grafischen Benutzeroberfläche namens GEOS. Dessen tolles Schreibprogramm lies ihn so lange tippen, bis der (magere) Speicher voll war. Dann kam die Fehlermeldung »page too large« – und der Absturz. Sehr hilfreich, solch eine Meldung.
Der Autor hat die Datei nie gelöscht, auch wenn er sie nicht mehr geöffnet bekam. Heute sah er ein paar alte Diskettenabbilder auf seiner Festplatte durch und stolperte über besagten Schrieb. Da man mittlerweile Daten von urzeitlichen C64-Disketten auf moderne PCs kopieren kann, konnte er die fehlerhafte Datei mit einem Editor öffnen. Und da der Inhalt einst an mich gerichtet war, wurde der Brief mir heute digital zugesandt. Es lebe das Briefgeheimnis!
Ich habe mich in meiner Prognose kräftig geirrt: Nicht erst zum Weihnachtsmarkt, sondern bereits ab heute wird in einer hinlänglich bekannten Pinte wieder ganztägig geraucht. In anderen Kneipen wohl auch. In was für einer Banalenrepublik leben wir eigentlich? Da wurde monatelang heftig diskutiert und sich aufgeregt, da wurden einander Formulierungen abgerungen, Ausnahmen definiert und Übergangsregelungen eingeräumt, bis man endlich 16+1 Gesetzesversionen zusammenhatte, da pflasterten Tausende Gastronomen die Gehsteige zu mit Heizpilzen – und nu is plötzlich alles hinfällig?!
Dienstag, 12. Mai 2009
Mit Google wird es mir zu bunt. Erst schmeißen sie mich kommentarlos aus ihrem Werbe-Programm, dann reagieren sie nicht auf mehrere Mails (es hieß, eine Antwort könne »48 Stunden und länger dauern« – ich warte seit vier und zwei Wochen) und dann kommen sie auch noch auf meine Ideen! In der Bildersuche kann man außer der Größe und dem Inhalt nun auch die Farbe angeben, die auf den gefundenen Bildern vorherrschen soll:
Mittwoch, 13. Mai 2009
Das Telefon klingelte. Wie immer, wenn des Anrufers Rufnummer entrechtet
und versklavt unterdrückt wird, bin ich höchst zurückhaltend und melde
mich nur mit einem dezenten: »Ja bitte?« Ein übermotivierter Callcenter-Mitarbeiter
begrüßte mich: »Einen wunderschönen guten Tag, hier ist der Herr Icksüpsilonzett
vom Institut für Bliblablubb, spreche ich mit Herrn Langens, Herrn Thomas
Langens?« Mit äußerster Freundlichkeit verweigerte ich wie stets diese
Auskunft und entgegnete nur: »Oh, das ist aber interessant!« Schob
aber noch nach: »Warum wird denn Ihre Rufnummer gar nicht angezeigt?!«
Er gerierte sich nun recht kurz angebunden: »Oh, ich habe mich verwählt!«
– Lügner!
Donnerstag, 14. Mai 2009
Hui, ich bin schon zwei Jahre im studiVZ. 13 Jahre nach Abgabe der Diplomarbeit! Immerhin studiere ich heute noch Wikipedia; schon im elften Semester.
Ich habe dort zwar einen Klafter an Freundschaften, allerdings tut sich nicht mehr viel. Ab und zu schreibt einer im Buschfunk twittergleich, was er gerade tut oder denkt, aber viel Leben ist nicht auszumachen. Die meisten haben ihren Namen verstümmelt und ihr Profil auf Sparflamme geschaltet. Wie sollte man da jemanden wiederfinden können?!
Immerhin gibt es noch genug Gruppen, mit denen man seine Zeit verplempern kann. Früher sagte man bei einer skurrilen Wortkombination »Hey, das wäre eine cooler Name für ne Band«, heute sagt man »Hey, es gibt ne studiVZ-Gruppe, die so heißt«:
Die schönsten Gruppen, in denen ich nicht Mitglied bin (Auswahl):
Mehr virtuelles Leben herrscht im Moment bei Wer-kennt-wen.
Immer wieder finde ich eine verschüttete Bekanntschaft von damals wieder
oder lerne neue Leute kennen. Oder zur Not amüsiere ich mich über die
Einträge auf der »Neues«-Seite.
Die grenzdebile ASCII-Art hat auch nachgelassen, dafür sammeln sich
lobhudelnde Kommis unter meinen Albumbildern.
Eine Gerätschaft, deren Anschaffung ewigliche Glückseligkeit versprach, war der Filmscanner x³-Scan von Reflecta. Haben! – Nun habe ich. Denn aus vordigitaler Zeit lagern noch Hunderte SW-Negative fein säuberlich sortiert in Filmlaschen im TL-Archiv. Was da für Schätze zu bergen sein dürften! Vor zwanzig Jahren, in schwarzweißen Zeiten, habe ich mitunter ebenso schlunzig photographiert wie heute: Einfach mal draufhalten und später im Photolabor korrigieren und das Beste rausholen. Nur dass später im Labor eben doch Zeit und Geduld fehlten und eben doch nicht von jedem Bild ein Abzug in bester Güte angefertigt wurde.
Für die Spätgeborenen: Man musste damals zunächst den Film bei kompletter Dunkelheit entwickeln. (Oder Foto Nieder damit beauftragen.) Anschließend projizierte man die Negative im schuleigenen Labor – das neben der Schülerzeitung zeitweise die einzige Motivation war, dieses Gebäude überhaupt aufzusuchen – bei schummrigen Rotlicht auf Photopapier, so dass das sich in der Beschichtung befindende Silberbromid unsichtbar zerfiel, tunkte dieses latente Bild in ein Entwicklerbad, erfreute sich währenddessen am Anblick des sich langsam schwarzfärbenden Silbers und des somit erscheinenden Bildes, stoppte die Entwicklung abrupt im essigsauren Stoppbad, fixierte die Aufnahme im Fixierbad und wässerte das Photo abschließend, um die ganze böse Chemie auszuschwemmen. Danach musste man das Photopapier nur noch trocknen lassen oder, wenn man’s eilig hatte, trockenföhnen, und schon war das Bild fertig! (Und wehe, man hatte zu lange oder zu kurz belichtet, dann war die ganze Prozedur nocheinmal fällig.) Nur wer das mitgemacht hat, weiß das heutige Digital-Knipsen und Mal-eben-per-USB-auf-die-Festplatte-Ziehen wirklich zu schätzen.
Aber ich schweife ab. Was der x³-Scan Filmscanner kann: Negative und gerahmte Dias in rasanter Geschwindigkeit einscannen. Das Arbeiten gestaltet sich einfach und zügig: Unten schiebt man einen Schlitten mit den Negativen oder Dias ein und oben sieht man auf dem Display sofort, was sich auf dem Film befindet. Bei Negativen sogar sofort positiv. Cool. Noch den Scan-Knopf gedrückt und das Bild ist gescannt. Schneller geht kaum.
Ein PC ist dafür gar nicht mal nötig, denn die gescannten Bilddateien werden zunächst auf einem Speicherchip gespeichert. Die Bilder können anschließend sofort auf den Computer übertragen oder auf einem Fernsehbildschirm angesehen werden.
Der Haken an der Sache: Es sind nur Scans in der Größe 1.800 mal 1.800 Pixel möglich, das entspricht einer Auflösung von hungrigen 3,2 Megapixeln – da müsste im Jahre 2009 eigentlich mehr drinsein! Außerdem bin ich mit der Bildqualität nicht einverstanden. Selbst wenn man Staub als größten Feind akzeptiert und terminiert, dominiert ein gewisse Krümeligkeit die Szenerie.
Fazit: Um schnell eine große Menge an Negativen einzuscannen, ist der x³-Scan Filmscanner gut geeignet, wer aber die ganze Informationsfülle aus seinen Dias herausholen möchte, sollte sich einen ordentlichen Flachbettscanner mit Durchlichteinheit anschaffen und mehr Zeit ins Scannen investieren. Ich werde den x³ wieder bei Ebay reinstellen, da kam er schließlich her. (Falls jemand vorher Interesse hat: Mailen!)
Freitag, 15. Mai 2009
Stranger in a strange land: Mit meiner CANON auf der NIKON Solution Expo in Köln. Seminare, Workshops und Shootings rund um die professionelle Digital-Photographie. Wie zu erwarten, wimmelte es dort nur so von Nikonians. Nomen est omen. Wenn ich richtig gezählt habe, waren außer mir nur drei weitere Canoniker anwesend. Aber was soll’s: Das Zusammenspiel von Lichtempfindlichkeit, Belichtungszeit und Blende ist systemübergreifend dasselbe. Ebenso richtig zielen, beherzt schießen und schnell abhauen. (Zum Glück wissen NIKON-Nutzer in der Regel nicht, dass meine 350D das uralte Einsteigermodell von CANON ist.) Außerdem liegt hier in irgendeiner Ecke ja noch die NIKON Coolpix 990, eine frühe Digi-Cam mit damals überwältigen 3,3 Megapixeln, deren Objektivteil man drehen konnte und für die ich 2001 als early Adopter über 2001 Mark ausgegeben hatte – bis ihre Stromversorgung pünktlich nach dem Ende der Garantiezeit den Geist aufgab. Das sollte ausreichend qualifizieren für den Besuch einer NIKON-Veranstaltung. Doch nun hinein ins Gewusel:
Der größte Unterschied zu einer Messe wie der Photokina war, dass diese
Expo viel kleiner dimensioniert war und man nicht soviel rumlatschen
musste, sondern rumsitzen durfte. Wenn einem denn das Glück mit einem
Sitzplatz hold ist. Beim ersten Vortrag hatte es deren noch viele: Für
das »Shooting in Retrokulisse« interessierten sich nicht allzu
viele – oder checkten noch an der Registrierung ein. (Auch wenn jeder
interessierte Teilnehmer sich im Vorfeld auf der Homepage das Eintrittsticket
ausdrucken konnte: Am Eingang wurde jedem ein schicker Besucherausweis
mit alemanniafarbenem Halsband angefertigt. Und das dauerte. Diese CI
sollte uns übrigens noch den ganzen Tag verfol… begleiten.) Der
Referent erwähnte beiläufig, dass dies nun sein erster Vortrag werden
würde. Nun, das merkte man auch so … Er ist sicher kein schlechter Photograph,
aber ein lausiger Dozent. Viel gelernt habe ich dabei nicht. Ich hatte
so gar keine Lust, meine Knipse auch nur auszupacken.
Das zweite Shooting, geleitet von Jens Brüggemann, nannte sich »Erotische Glamour-Fotografie«. Titten raus, es ist Sommer! Wobei, so ein richtiger, echter Sommer ist’s ja noch nicht. Ebensowenig waren’s so richtige, echte T…
Die Models waren auf der kleinen Bühne in einem papierumspannten Verhau positioniert, der laut Photograph interessante Hintergrundeffekte ermöglichen sollte. (Als ob jemand auf den Hintergrund achten würde!) Wie nicht anders zu erwarten, war diese Veranstaltung proppenvoll. Wo bekommt man schließlich heutzutage leichtbekleidete junge Damen zu Gesicht? Die laufen doch alle hochgeschlossen umeinander, gewandet in komplett blickdichtem Textil, und nirgends blitzt auch nur ein Stückchen nackte Haut hervor …
Immerhin fanden wir ein lauschiges Plätzchen zum Verweilen in den hinteren Rängen. Dummerweise verringert sich die Beleuchtungsstärke mit zunehmender Entfernung im Quadrat, so dass auch ein 250er Tele mit Bildstabilisator nur einen schwachen Trost bot. Des großen Meisters Kamera war natürlich mit einer professionellen Blitzanlage verbunden, zu deren Anschaffung er allen Zuschauern dringend riet. Nee, ist klar. Wenn ich mal fünfundzwanzigtausend Euro und einen Hangar übrig habe, werde ich mir auch eine zulegen. Er hatte also Licht vom Feinsten. Aus der vorletzten Reihe sah das anders aus. Meine Schnappschüsse bekamen nur dann genügend Licht, wenn sie vom Blitzlichtgewitter der anderen Knipswütigen ausgeleuchtet wurden, siehe unten.
Dieser eloquente Referent, der das ganz sicher nicht zum erstem Mal machte, ist sogar ein klein wenig berühmt. Erinnert sich noch jemand an die Nacktphotos von Cora Schumacher, deren Veröffentlichung ihr späterer Gatte Ralf gerichtlich verhindern wollte – und unterlag? Die Aufnahmen stammten von ihm.
Anschließend gab’s das Seminar »Tipps & Tricks in der Hochzeitsfotografie«. (Erotik/Glamour und dann Hochzeit – wie passt denn das zusammen?!) Unter Hochzeitsphotographie versteht der vortragende Ralf Obermann eher eine Hochzeitsreportage, nicht die typischen schwiegerelternkompatiblen Bilder, die man oft in der Auslage von Photogeschäften sehen kann, auf denen Er und Sie sich in irgendwelchen Auen verliebt/verkrampft in die Augen schauen müssen. (Während im Festsaal die Gästeschar auf die Eröffnung des Büffets wartet.)
Er hob seinen professionellen Anspruch hervor, dass man sowas können müsse. Bei vielen Hochzeiten heiße es wohl, hey, du hast eine Kamera, dann mach doch die Hochzeitsbilder. (Hm, da fühlte ich mich dann ein wenig gekränkt, denn diesen Satz habe ich schon oft gehört … Es ist lange her, dass ich einer Hochzeit nur als einfacher Gast beiwohnen durfte. Meistens lastet auf meinen breiten, haarigen Schultern die Bürde des besten Bildes.) Im Gegensatz dazu sagt ja auch kein Brautpaar, hey, du hast Mehl, dann back doch die Hochzeitstorte. (Aber auch davor hätte ich keine Angst! Es hat aber noch nie jemand gefragt.)
Er schilderte interessante Details von seiner Arbeit bei der Reportage einer Hochzeit, wie er – getarnt als Gast – von früh bis spät bei allem dabei ist. Er könnte also quasi auch Onkel Fritz oder Tante Käthe sein. Auf diese Weise gehe ich auch gerne vor. Allerdings finde ich, dass man das Eintüten, Ondulieren und Anmalen der Braut nicht auch schon dokumentieren muss. Das bekommen Onkel Fritz und Tante Käthe ja auch nicht mit.
(Bei seinem Shooting erlebte ich live das alte Photographendilemma, dass mir die Visagistin mehr zusagte als das gebuchte Model …)
Der nächste Vortrag »Der entscheidende Moment! Tipps & Tricks eines Nachrichtenagentur-Fotografen«, nämlich Gero Breloer, rang uns Bewunderung ab. Jeder hat wahrscheinlich schon mal eines seiner Bilder gesehen. Bei hoher Politik, Tour de France oder Formel Eins an vorderster Front mit dabei zu sein und im richtigen Augenblick auszulösen, darauf kommt es an, das ist die Kunst. (Allerdings wird einem von der Redaktion auch bestes Material gestellt und für Akkreditierungen gesorgt – das macht einem das Leben leichter …)
Als letztes geleitetes Shooting besuchten wir »Avantgarde Close-up’s« eines Referenten, der nun schon das zweite Mal vor einem größeren Publikum sprechen durfte … Er hat im Prinzip genausoviel geredet und genausowenig gesagt wie heute morgen. Was sein Tun mit dem Thema zu schaffen hatte, erschloss sich nicht. Weder war es fortschrittlich, radikal oder innovativ, noch war er besonders nah dran. Aber egal. Diesmal habe ich aus dem Publikum auch draufgehalten, wenn er sein Model formschön arrangiert hatte. Dass ich durch seine Ausführungen viel gelernt hätte, kann ich nicht behaupten. Doch dass er dem Model die ganze Zeit diese eine Strähne nicht aus dem Gesicht geholt hat, macht mich jetzt noch wahnsinnig!
Auch wenn das jetzt ein klein wenig despektierlich klang: Gelohnt hat sich der Besuch der NIKON Solution Expo schon. Schließlich war es für umme. Wenn man sonst einen Workshop alleine bucht, sind schnell einmal Hunderte Euro fällig. In Kauf nehmen musste man jedoch, dass NIKON allseits über den grünen Klee gelobt wurde, wo es nur ging. (Auch bei happy accidents: Einmal gelang einem der Lobhudler etwas nicht und aus dem Publikum rief jemand: »Soll ich Ihnen meine CANON geben?!«)
Zwischen den Seminaren informierten wir uns an den Messeständen verschiedener Aussteller über Gerätschaften, deren Anschaffung derzeit unerschwinglich scheint. Und zum Abschluss hielten wir bei der Fashion-Show am Catwalk genauso drauf, wie all die anderen Hobbyknipser, deren mattes Auge noch nie ein toupiertes Weib in buntem Tuch erblickt zu haben schien.
(Ich kann mich irren, aber waren da nicht Lookalikes von Uma Thurman und Nina Persson dabei? Oder waren sie es selbst?)
Samstag, 16. Mai 2009
Alle Gute zur Hochzeit, Fefa!
Nachtrag: Beim Sichten der 1.633 geschossenen Bilder und Eindampfen auf ein erträgliches Maß bin ich gestern Abend weggeratzt … Memo an mich: Pro Event nur max. 50 Pics!
Seit 15 Jahren steht fest: Bielefeld gibt es gar nicht!
Heute Vormittag gab Angela Merkel den Startschuss zum Auftakt des Europawahlkampfes auf dem Katschhof – und ich hab’s nicht gewusst! Schade, schade, so wird vorerst nichts aus dem Shooting 2.0 mit Angie. Schon blöd, wenn man nicht mitbekommt, was sich nur 300 Meter weiter abspielt. Man hätte es wissen können, schließlich sind die Innenstädte zugepflastert mit Wahlkampfplakaten. Das ist wohl auch deren größter Nachteil: Weil es so viele sind, achtet keiner mehr drauf.
Woher kenne ich diesen Mann bloß? Martin Schulz, Martin Schulz – hat der nicht früher mal einen Kapo gespielt in einem Film von Berlusconi? Von Berlusconi, dem alten Kinderf…reund.
Bei den Europawahlen abends in Moskau rächte sich, dass Peer Steinbrück es uns mit der Schweiz, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg und Burkina Faso versaut hat, denn von denen gab es jeweils »Germany: zero points«. Vielleicht lag es aber auch an den Sangeskünsten von Dita von Teese. Hat da was mit dem Mikro nicht gestimmt? Man konnte sie gar nicht hören! (Sowieso: Eine Frau, die heißt wie ein Mann! Dieter.) Immerhin: Schlechter als letztes Jahr konnte der deutsche Beitrag nicht abschneiden. (Zur Erinnerung: Die »No Angels« landeten wegen ihrer lausigen Darbietung auf dem letzten Platz. Und eine der Sängerinnen bekam später sogar noch eine Klage wegen Körperverletzung …) Mit Norwegen hat endlich noch mal ein europäisches Land gewonnen. Zum ersten Mal lag ich mit meinem Tipp richtig. Aber mit der Mischung aus Harry Potter, Andre Rieu und dem jungen Brad Pitt konnte auch nichts schiefgehen. Jóhanna Guðrún Jónsdóttir aka Yohanna aus Island auf Platz zwei fand ich auch gerechtfertigt. Während der farbenfrohen Bombast-Show war ich jedoch gespannt, ob die Polizei die Teilnehmer und Fans niederknüppeln würde wie schon bei der Demo der Homosexuellen am Nachmittag – im Saal waren schließlich alle versammelt.
Montag, 18. Mai 2009
Alles Gute zum Geburtstag, Julien!
Nach drei Monaten Abstinenz endlich nochmal Aderlass:
Für handwerkliche Gewerke bin ich wirklich nicht geschaffen. Nicht, weil mir die nötige Fingerfertigkeit fehlte, nein, sondern weil ich zur Transpiration neige, dass es so eine Art hat. Jedes Werkstück würde ich mit lauer Lake volltropfen und es kaum sehen, da sich meine Brille bei körperlicher Aktivität rasch mit Transpirant füllt. Und das war auch schon so, als ich noch 30 Kilo weniger wog.
Wie ich darauf komme? Mit Schöpferstolz, den nur ein Heimwerker nachempfinden kann, darf ich von innenarchitektonischen Veränderungen künden. Seit ersten Studiumstagen in Aachen leistet mir ein rustikaler Schreibtisch, wie er wohl in den 50er und 60er Jahren stolze Zierde einer jeden Amtsstube gewesen sein dürfte, treue Dienste. (Ich bezog ihn bei meinem Umzug damals jedoch nicht aus einem abgehalfterten Behördenhaus, sondern aus eines Nachbarn Keller, wo er als Unterstand eines Kaninchenkäfigs ein trauriges Dasein fristete. Vielen Dank nochmal, Heinz!) Dieses praktische Möbel besitzt eine stabile Platte von 80 mal 160 Zentimetern, die von zwei Regalblöcken gehalten wird. Korrekterweise muss ich »gehalten wurde« sagen, denn den rechten von eben jenen habe ich gerade aus orthopädischen Gründen fachmännisch demontiert. Der dazwischenliegende Spalt von 55 Zentimetern Breite schränkte die Beinfreiheit doch sehr ein. Und Freiheit der unteren Extremitäten ist Vorbedingung, damit mein ISG nicht wieder oder noch mehr blockiert. Zusätzlich kann nun auch mit hochgestelltem Monitor und aufgebockter Tastatur stehend getippt werden, was des Autors Kreuz erfreut.
Wer nun verwundert einwendet, was denn das Entfernen solch eines Bauteils für ein erwähnenswertes Unterfangen sei, dem sei gesagt, dass ich den Schreibtisch beim letzten Umzug schon einmal auseinander- und wieder zusammenbauen musste. Und wer mich kennt, ahnt vielleicht, dass ich damals soviele Schrauben, Holzdübel und Ponal verwendet habe, dass der Tisch anschließend auch einen prima Unterstand bei einem drohenden Atomschlag von Nordkorea abgegeben hätte. Vergesst Ikea! Folglich war die neuerliche Dekonstruktion folglich eine Aufgabe, an der Herkules selig seine helle Freude gehabt hätte.
Ich würde ja gerne Bilder vom Status ante und den Bauphasen herzeigen, allein, ich hab vergessen, vor und während der Demontage welche anzufertigen … ein schöner Chronist bin ich!
Mittwoch, 20. Mai 2009
Auf Wiedersehen, Alfons †.
Morgen bekommt Andrea Riccardi den Internationalen Karlspreis zu Aachen
verliehen. Er hat die Laienbewegung Sant’Egidio gegründet, er hat sich
um Europa und die Welt verdient gemacht und er hat einen
der kürzesten Einträgealler
bisherigen Preisträger in der Wikipedia. Am Vortag nahm der zu Ehrende
heute wie üblich ein Bad in der Menge auf dem Katschhof, das volksnäher
ausfiel als sonst, da die übliche Prominenz fernblieb, weil sie anscheinend
andernorts die Welt zu retten hatte. Der, wo aussieht wie Umberto Eco,
das isser.
(Zum letzten Mal geleitete übrigens Jürgen Linden durch die Veranstaltung – nächstes Jahr wird ein anderer OB dort oben stehen, der diesmal noch unten stand.)
Im inoffiziellen Teil des Abends das Kreuzweise-Rätsel mit vereinten Kräften im Handstreich gelöst.
Donnerstag, 21. Mai 2009
Vatertag ist Karlspreistag. Auch heute waren Potentaten und Elder Statesmen Mangelware im Revier. Selbst meinem letztjährigen Model waren die Milchbauern und der Evangelische Kirchentag in Bremen wichtiger. Der laut Protokoll ranghöchste anwesende Gratulant war der Monarch meines Lieblings-Großherzogtums, Henri von Lëtzebuerg, bekannt aus jedem gutsortierten Portemonnaie.
Uniformen behagten mir noch nie:
Freitag, 22. Mai 2009
Der gefühlte nächste Bundeskanzler, Bibo Westerwelle (Bibo – oder wie heißt dieser große gelbe Vogel?), hat gestern bei einer Wahlkampfveranstaltung in Rostock nur mit viel Glück ein Attentat überlebt. Ein Ei traf den großen Vorsitzenden am Hinterkopf. Im Gegensatz zum Ei blieb Westerwelle unverletzt. Der Täter ist immer noch flüchtig; wahrscheinlich handelte es sich um ein Ei von freilaufenden Hühnern.
Dieses abscheuliche Vorkommnis ist wahrlich ein Zeichen der zunehmenden Verrohung von Anstand und Moral und gibt erschreckend Zeugnis ab über die prekäre Lage der Nation im Allgemeinen und den Verfall der politischen Sitten im Speziellen. Immerhin musste sich eine unerkannt bleiben wollende Henne mit viel Liebe und Hingabe gut 24 Stunden quälen, um dieses Ei zu produzieren! Statt als Corpus Delicti dieser infamen Sachbeschädigung zu enden, hätte das proteinreiche Lebensmittel als schmackhaftes Spiegelei satt und glücklich machen können!
Samstag, 23. Mai 2009
Mein
aktueller Literaturtipp ist das »Grundgesetz für die Bundesrepublik
Deutschland«, seit 60 Jahren ein Bestseller, vollgepackt mit den
schönsten Rechten, die dieses, unser Land zu bieten hat. (Voraussichtlich
Mitte Juni wieder lieferbar.)
Erhältlich im wohlsortierten Bahnhofsbuchhandel, bei der Bundeszentrale
für politische Bildung
und im Handtäschchen der Justizministerin. Holt es Euch! Aber nicht
vergessen: Eigentum verpflichtet! (Art. 14, Absatz 2)
Wie es sich für ein gutes Buch gehört, beginnt das GG, wie wir Kenner
es liebevoll nennen, mit einem knackigen Satz, der Lust macht auf mehr:
»Die Würde des Menschen ist unantastbar.« Mein Lieblingsartikel
ist Numero Fünf, der mir meine Meinungsfreiheit gewährleistet – sonst
käme ich mit meinen Geschreibsel hier manches Mal arg in die Bredouille.
Leider verflacht der Spannungsbogen im weiteren Verlauf ein wenig. Sowieso
ist der Plot sehr durchschaubar; der aufmerksame Leser begreift sofort,
worum es geht. Außerdem haben sich zuviele Lektoren im Laufe der Jahre
daran zu schaffen gemacht, Artikel 16 zum Beispiel wurde arg gefleddert.
Am Ende wartet der Schmöker dann doch noch mit einer Überraschung auf
(Achtung, Spoiler!): Es ist das erste Buch mit MHD! Gemäß Artikel 146
verliert das Grundgesetz seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung
in Kraft tritt, die vom Deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen
wurde. Freuen wir uns also schon auf »GG v2.0«! Deren Erscheinungsdatum
liegt noch nicht fest, denn bekanntermaßen hält nichts länger als ein
Provisorium.
Kapitel Artikel 54, Absatz 1, Satz 1, kommt heute zum Tragen:
»Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung
gewählt.« Die erwähnte Versammlung besteht zur Hälfte aus den üblichen
Verdä… Abgeordneten des Bundestages und zur Hälfte aus Vertretern
aus den Landesparlamenten. Wie allerdings so staatstragende Gestalten
wie Regina Halmich, Sebastian Krumbiegel und Walter Sittler da hinein
gerieten, entzieht sich meiner Kenntnis. Da wäre eine Aussprache dringend
angeraten. Der Bundespräsident ist unser Staatsoberhaupt, und der Staat,
das sind wir doch alle – könnte man da zur Wahl nicht auch mal den Staat
selbst, also uns, ranlassen? Und nicht nur ehemalige Boxerinnen, nervige
Sänger und überbewertete Schauspieler? Viel kaputtmachen könnte man
damit nicht. Allerdings würde bei direkter Wahl ziemlich sicher Günther
Jauch Bundespräsident. Oder Heidi Klum.
Nachdem klar ist, dass ich gemäß Art. 54 (1), Satz 2, noch viel zu jung bin: »Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das vierzigste Lebensjahr vollendet hat«, entschieden wir uns, den Tierpark aufzusuchen.
Immerhin ist außer Verfassungstag heute auch »Welt-Schildkröten-Tag«, jawohl! Diese Biester sind übrigens gar nicht so lahm und ungelenk, wie man immer denkt. Liebestoll jagte ein männliches Exemplar dieser keratinbewehrten Reptilien ein mutmaßlich weibliches durchs frühlingsfrische Gras und rammte als Zeichen seiner Ehrerbietung kräftig gegen den Schildpatt seiner Holden. Flink zog er dabei seine brünftige Rummel ein, was sehr sinnvoll war, denn es gab jeweils einen lauten Bums. (Hätte er das nicht getan, hätte er sich verletzt – und Ärger mit dem Tierschutz bekommen: Schildkröten stehen doch bestimmt auf der Roten Liste.)
Irgendwann gab sie sich endlich seinem Werben hin. Wir lernen daraus: Es geht doch nichts über ein zünftiges Vorspiel! Es darf auch gerne mal etwas ruppiger sein. Zum erfolgreichen Abschluss seiner groben Balz bestieg der Herr Kröt die Frau Kröt von hinten und begattete sie doggystyle. Ein paar andere Schildkröteriche schlossen sich dem lustvollen Liebesspiel an und machten munter mit oder schauten zumindest interessiert zu. Schamloses Getier: Im Hintergrund spielten Kinder!
Die meisten anderen Tiere waren nicht so agil, sondern verdauten dösig und räkelten sich mit vollem Bauch in der Frühlingssonne – würde ich auch nicht anders machen. Beim Klapperstorch war der Klapperstorch zu Besuch gewesen. Auch die Gemeinde der stets adrett gewandeten Pinguine scheint sich von den tragischen Ereignissen im Dezember erholt zu haben: Entweder vergrößert sich auch hier die Population durch Kopulation oder es war Verwandtschaft zu Besuch.
Sonntag, 24. Mai 2009
Beim sonntagmorgendlichen Zappen durch die Kanäle blieben meine pollengeschwollenen Augen bei Pro7 hängen. Ich habe noch nie eine Ausgabe von »Schlag den Raab« längere Zeit angesehen, geschweige denn komplett durchgestanden. Ich dachte immer, dieses Format sei genauso krawallig wie die Wok-WM und die Stockcar-Challenge. Ein Irrtum. Denn versorgt mit ausreichend Frühstücksflocken und Getränken und gelagert auf weichen Kissen war die Wiederholung der gestrigen Show eine abwechslungsreiche und spannende Matinee. Gladiator Raab duellierte sich mit seinem Gegner Nino in allerlei Spielen, bei denen Ausdauer, Wissen, Geschick oder Taktik gefragt waren, verlor am Ende jedoch und machte dadurch seinen Herausforderer um genau die drei Millionen Euro reicher, auf die der Jackpot während der letzten Sendungen angewachsen war. Auch der Zuschauer durfte sich als Gewinner fühlen, denn selbst die um einige Werbeblöcke gekürzte Wiederholung der Sendung dauerte von acht bis halb eins.
Hey, wäre das nicht 'ne Idee: Stefan Raab organisiert die nächste Bundespräsidentenwahl!
So, Mahlzeit! Da mein Basilikumhain bereits jetzt dringend einer spontanen Rodung bedurfte, gab es Spaghetti mit Pesto. Ein frugales Mahl, dennoch erlesen. Aber man nehme dazu unbedingt ein Gläschen mit der gestreckten, haltbar gemachten Pampe ausm Supermarkt – und werfe es mit Schmackes auf den Müll: Frisch und selbst zubereitet ist Pesto um Welten besser. Ein Büschel Basilikum, etwas Knofi, grobes Salz, lecker Olivenöl, feinen Parmesan und – statt der tranigen Pinienkerne – leckere Cashews in den Mörser gepackt, alles kräftig gerieben und zu einer Paste zermalmt.
Apropos Olivenöl: In bisweilen missionarischer Penetranz verlangen die Fernsehköche immer, dass man gefälligst kaltgepresstes Olivenöl der Güteklasse »extra vergine« zu kaufen habe. Nach altem Balsamico und elitärem Fleur de Sel soll das wohl zum nächsten Kleinod der Küche gepuscht werden, auf dass sich der Koch und Esser schon bei einer harmlosen Vinaigrette hochhaushoch verschuldet. Aber dieses Ceterum censeo ist unnötig, denn man bekommt hierzulande gar kein anderes! Selbst die billigste Variante der aus dem Kern der beliebten mediterranen Steinfrucht stammenden schmierigen Flüssigkeit mit einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren aus dem PLUS ist schmackhaftes »Natives Olivenöl extra«. Denn wir wollen ja alle prima leben und sparen. Es muss nicht immer das teure, von fünfundzwanzigjährigen linkshändigen rothaarigen Jungfrauen bei Neujahrsvollmond fußgepresste Zeug sein.
Montag, 25. Mai 2009
Erinnert sich noch jemand? Vor einem Monat verging kein Tag, an dem nicht apokalyptisch von der »Schweinegrippe« berichtet wurde, die uns alle dahinzumeucheln drohte. Es scheint sich nun keine Sau mehr dafür zu interessieren. Oder haben wir einfach Schwein gehabt? Ich fühle mich jedenfalls sauwohl. Fühlst du Sau dich auch wohl? (Um mal einen alten Mathelehrer zu zitieren.)
Sowieso, Pandemie! Wen soll das erschrecken? Es gibt doch zu wenige davon, hört man. Außerdem sind die doch sooo süüüß:
Dienstag, 26. Mai 2009
»Jugene«, der schnellste Computer Europas, ist heute in Jülich eingeweiht worden. Er beherrscht eine Billiarde Rechenoperationen pro Sekunde (FLOPs), hat sechs Petabyte Festplattenspeicher, 72.000 Prozessoren und 144 Terabyte RAM – und steht leider im Forschungszentrum und nicht im EDV-Raum der VHS, wo meine Teilnehmer sich an den 14 Möhrchen mit jeweils einem 2,2-Gigahertz-Prozessor, 1 GB RAM und Windows Vista™ Business Service Pack 1 rumplagen müssen. (Aber was soll’s, fürs Web reicht’s.)
Wieviele FLOPs genau das sind, ist nicht bekannt. Aber mindestens einen Flop pro Sitzung bemerken meine Teilnehmer immer wieder: Nach jedem Booten erscheint auf dem Rechner die nervige Meldung, dass das »Java Automatic Update« sich automatisch updaten möchte. Zur Fortsetzung der Prozedur ist jedoch das Administratorenkennwort erforderlich, über das wir nicht verfügen. Die mit üppigen Rechten und Insiderwissen ausgestattete EDV-Abteilung hat es auch nach sicher ebenso nervigen Beschwerden meinerseits immer noch nicht hinbekommen, dieses »automatische« Update abzuschalten – oder eben wirklich auf Automatik zu stellen!
Neues aus der Zone. Karl-Heinz Kurras, der 1967 bei einer Demonstration in West-Berlin den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte, war ein Spion der Stasi! Nicht das Schweinesystem war schuld, sondern das andere. Was nun? Gilt der Mord jetzt gar nicht? Geben die Studenten nachträglich Ruhe? Muss '68 ersatzlos gestrichen werden? Oder wird nachgespielt? Muss Joschka wieder Taxi fahren? Muss zurückmarschiert werden durch die Institutionen? Hat es die RAF nie gegeben? Leben Buback, Ponto und Schleyer wieder? Wird »Bild« nun doch noch zu einer Zeitung?
Donnerstag, 28. Mai 2009
Im fünfundfünfzigsten Jahre nach dem Bau der ersten Solarzelle kam die Sparkasse nun auch auf die Idee, ihre bereits seit Jahrzehnten perfekt nach Süden ausgerichteten Walme auf dem Flachdach zwischen Friedrich-Wilhelm-Platz und Reihstraße mit ein paar energiespendenden Sonnensegeln versehen zu lassen. Brave Bank.
Die Sparkasse hat auch vornerum etwas Neues: Aufkleber an den Geldautomaten, die darauf hinweisen, dass ein Einbruch zwecklos sei, da das Geld dann farbig markiert würde. Sehr anwenderfreundlich auch auf polnisch und rumänisch … Böse Bank, du!
Wie stets Ende Mai habe ich nun endlich die Steuer meines Einkommens erklärt. Ein Tag ging dafür drauf, mich durch einen Berg von Zetteln und Zahlen zu wühlen und jeden Betrag in die richtige Spalte zu bugsieren.
Ich war kurz davor, dem Finanzamt zu mailen: »Mir reicht's. Heben Sie ab, was Sie brauchen – ich zahl's!«
Nachdem ich mich ausgiebig mit Ungetümen wie der »Absetzung für Abnutzung« und der »Einahmenüberschussrechnung« auseinandergesetzt hatte, kam kurz vor Abschluss der Herkulestat der Schock: Während der Plausibilitätsprüfung hängte ELSTER sich auf! (Wer kam eigentlich auf die grandiose Idee, das Programm für die elektronische Steuererklärung nach einem diebischen Rabenvogel zu benennen? Einfach genial!) Es hat sich nach einer Schrecksekunde zum Glück wieder berappelt; die Zahlen könnten also stimmen.
Dafür hakelte dann der Ausdruck der papiergebundenen Kurzfassung: »Dieses Programm verfügt über bekannte Kompatibilitätsprobleme. […] Adobe Acrobat 5 ist mit dieser Windows-Version inkompatibel.« Natürlich ist Acrobat 5 mit Vista inkompatibel! Wer hat denn sowas Antikes noch? Nach kurzem Blick in die Systemsteuerung wurde mir klar: ich! Keine Ahnung, warum das noch auf der Platte klebte. Nun musste ich ein wenig tricksen, damit ELSTER die Seiten nicht mit Version 5, sondern mit Version 8 zu drucken versucht: Veraltete Version erst mal finden, dann gegen einigen Widerstand des Betriebssystems deinstallieren, etliche Warndialoge ignorieren und letztlich klarstellen, dass allein die aktuelle Version für PDFs zuständig ist. Es ist mir ein Rätsel, wie weniger bewanderte Computernutzer das bewerkstelligen.
Samstag, 30. Mai 2009
In den vergangenen Wochen habe ich »Glück kommt selten allein« von Dr. med. Eckart von Hirschhausen gelesen. Für dieses Buch muss man eigentlich keine Reklame mehr machen, denn es steht und stand wochenlang auf Platz 1 der Bestsellerlisten von Spiegel und Focus und der Amazon-Verkaufsrangliste. Außerdem macht der Autor selbst Reklame dafür, wo er geht und steht.
Zur Zeit sitzt er allerdings, und zwar quasi in jeder Talkshow und zitiert mit bewundernswerter Penetranz fleißig aus seinem eigenen Werk. Ein Mann mit einer Mission. Anders kommt man aber wohl auch nicht auf Platz 1. (Sich zu anderen Themen zu äußern, vermag er übrigens nicht. Ich würde mich nur zu gerne mal mit ihm übers Wetter unterhalten oder so.)
Dieses Buch zu kaufen, beziehungsweise dessen Kauf hinauszuzögern hat mich leider glücklicher gemacht als es zu lesen. Für die wenigen, die es noch nicht haben:
Hirschhausen beschreibt viele Facetten von Glück und der Suche danach unter Zuhilfenahme von wissenschaftlichen Erkenntnissen, persönlichen Erfahrungen und allgemeiner Küchenpsychologie. Es werden zwar viele aktuelle Ergebnisse aus der Glücksforschung angerissen, doch wegen seiner fatalen Neigung zu Wortspielen hangelt sich der Autor von Kalauer zu Kalauer. Man wird den Eindruck nicht los, er habe viele Sätze eigens nur geschrieben, um möglichst viele Pointe unterzubringen. (Ich weiß, wovon ich schreibe …) Ein Wortspiel hie und da kann dröge Passagen würzen, doch die Dosis macht das Gift, und überdosiert nerven die Witzeleien und bringen einen nicht weiter im Text. Doch weiter im Text:
In zwei Vorworten – einem für Optimisten, einem für Pessimisten – versucht er sich vorab schon einmal Absolution für die Unzulänglichkeiten seines Werks zu erteilen. Raffiniert: Ist es nicht Panne, so ist es Konzept!
Dass es sich nicht um ein wissenschaftliches Buch handelt, müsste schon beim Namen des Autors klar sein: »Dr. med.« – wahre Geistesgrößen lassen ihre Titel weg!
Unterhaltsam ist es schon – wenn man denn das Sammelsurium der vielen Gags, Anekdötchen und Bonmots nicht bereits kennt, deren Herr zu werden und denen Einheit zu gebieten Hirschhausen nicht gelang. Falls er es denn versucht haben sollte. Auch mir fällt daher schwer, den Inhalt in knackiger Kürze zusammenzufassen.
Weil der Herr Doktor auf seiner aktuellen Werbetour durch die Talkshows bereits soviel im Voraus verrät, kommt es einem dann so vor wie bei manchen Filmen, deren Trailer man gesehen hat – das Beste weiß man schon. (Aufgewärmt schmeckt es nur besser, wenn es sich um Rotkohl oder Gulasch handelt.)
Trotz des dichtgewebten Pointenteppichs bin ich bei keinem anderen Buch während der Lektüre so oft eingeschlafen. Nun gut, das hat auch Vorteile: So bot es mir Lektüre über Wochen – und erquicklichen Schlaf.
Die Aufmachung hingegen ist vom Feinsten: Aufwendige Gestaltung mit vielen Photos und liebevollen Illustrationen, Übungen, Bastelbögen, Mehrfarbendruck auf edlem Papier, textiles Lesezeichen, beigelegte Aufkleberchen, eine Postkarte, Festeinband mit Schutzumschlag und fast 400 Seiten für unter zwanzig Euro – da kann man nicht meckern. Über thematische Lücken hinüberhilft die kommentierte Literaturliste mit ernstzunehmende Konkurrenten, darunter auch meine Lieblinge Watzlawick und Gilbert.
Ich will das Buch daher nicht nur Niedermachen. Denn zum Glück muss man ja nicht zuende lesen. Viele Sätze bieten Anlass zum Selberdenken. Wenn man unterwegs die Lust verliert, kann man sich im Daumenkino mit dem kleinen Pinguin vergnügen, der auf jeder ungeraden Seite unten rechts seine Faxen macht:
Sonntag, 31. Mai 2009
Es geht doch nichts über ein gutes Buch und eine gute Flasche Wein:
Bernard Black